Verlegenheitstanne, Goldmorchel und eine Sonne ohne Gesicht

  03.10.2021 Fricktal

Fricktaler Gemeindewappen (5): Natur

In einer Serie stellt die NFZ die Herkunft und Bedeutung der Gemeindewappen des Fricktals vor. In der fünften Folge geht es um Wappen, die Bezug auf Blumen, Bäume, Pilze und Gestirne nehmen.

Boris Burkhardt

Neben den Tieren sind Pflanzen die häufigsten Elemente der Heraldik. Blumen, genauer gesagt ihre Blüten, können ebenso Zeichen der Macht und Majestät sein wie Löwe, Bär und Adler. Im engen heraldischen Sinne gibt es nur zwei Blumen: Die Lilie wird heraldisch in einer sehr stilisierten Art dargestellt, die eher der botanisch nur entfernt verwandten Schwertlilie (iris) statt der gemeinen Lilie (lilium) nachempfunden ist. Dabei ist das mittlere Blatt oben und unten zugespitzt, die äusseren Blätter hängen herab und sind oben nach aussen umgebogen.

Unter der Bezeichnung Fleur-de-Lys sind die drei Lilien in goldener Tingierung auf blauem Grund als Staatswappen der französischen Könige bekannt; in der Region trägt Saint-Louis, dessen Namen auf den Heiligen Louis IX zurückgeht aber vom Sonnenkönig Louis XIV 1884 vergeben wurde, die drei Lilien in silberner Tingierung auf blauem Grund – damals eine sehr hohe Auszeichnung. Eine ebenso bekannte Lilie trägt die Stadt Firenze (rot in Silber) im Wappen. Den Engländern hat es hingegen vor allem die Rose angetan; sie ist das Motiv gleich dreier wichtiger Adelsgeschlechter auf der Insel: die Häuser Lancaster, York und Tudor.

Von Rosen, Linden und Tannen
Blumen gibt es in den Fricktaler Gemeindewappen ausser der Olsberger Rose keine – und auch sie entspringt nicht einem Adelswappen, sondern symbolisiert, wie berichtet, den Hortus Dei, den Gottesgarten der Nonnen des Olsberger Klosters. In der Region hat es aber durchaus Blumen wie bei den erwähnten «Redenden Wappen» von Mägenwil (Mohn) und Oberflachs (Flachs), auch wenn diese durch Missinterpretationen des Ortsnamens gewählt wurden. Ausserdem hält der Nollinger Löwe im Stadtwappen Badisch-Rheinfeldens eine Rose in der Pranke.

Bäume gibt es aber durchaus in den Wappen des Fricktals; vom Lindenblatt als Wappen des Kantons Fricktal war bereits die Rede. Der häufigste Baum ist jedoch die Tanne, die heraldisch nicht von der Fichte unterschieden wird. Die Tanne kommt in den deutschsprachigen Ländern sogar derart oft in Wappen vor, dass das Buch «Gemeindewappen Kanton Aargau» von 2004 etwa beim Densbürer Wappen von «einem der typischen Verlegenheitsprodukte aus der Zeit der Kantonsgründung, die ohne historische Beziehung zur Gemeinde oder zum urkundlich überlieferten Namen entstanden sind», spricht: in Silber mit rotem Bord eine grüne Tanne auf grünem Dreiberg.

Bereits das Densbürer Siegel von 1811 zeigt eine Tanne mit Dreiberg auf blauem Grund. 1915 wurde der Gemeinde stattdessen der Greif als Wappentier vorgeschlagen, den die Herren von Urgiz getragen hatten. Die Gemeinde entschied sich 1949 aber für das heutige Wappen: Wenigstens der rote Bord beinhaltet eine Anlehnung an historische Verhältnisse und erinnert an die frühere Zugehörigkeit des Dorfes zu Konstanz (in Silbern ein rotes Kreuz). Andererseits wurde es ganz lapidar gewählt, um das Densbürer Wappen von den anderen acht Aargauer Gemeindewappen mit Tannen zu unterscheiden.

Das Wappen von Zuzgen zeigt gleich fünf Tannen: in Blau auf drei grünen Hügeln fünf grüne Tannen, überhöht von einem sechsstrahligen, goldenem Stern. Dieses Wappenbild ist bereits im Gemeindesiegel von 1872 belegt; die Farben waren aber nicht eindeutig festgelegt. Die jetzige Farbkombination ist besonders unglücklich, weil nicht nur Farbe auf Farbe trifft, sondern sich ausgerechnet die Farben Grün und Blau gegenseitig neutralisieren. Der Gemeinde ist dieses Manko bis heute bewusst; dennoch lehnte die Gemeindeversammlung 1953, 1963 und 2002 den Vorschlag der Wappenkommission von grünen Tannen und rotem Stern in goldenem Feld ab. Während die Tanne als Wappenbild also überstrapaziert wird, stellt die Palme im Wappen von Hallwil (Bezirk Lenzburg) eine Kuriosität in einem mitteleuropäischen Wappen dar, deren Herkunft bis heute nicht geklärt ist.

Beliebte Pilze
Nicht derart einzigartig, aber dennoch selten sind Pilze in Wappen zu finden, wenn dann zumeist in Familienwappen, deren Träger in der Regel den Pilz im Namen tragen. Dargestellt werden in der Heraldik Steinpilz, Fliegenpilz, Tintling, Morchel und Trüffel. Paradebeispiel ist die Morchel als Redendes Wappen der tschech ischen K leinstadt Smržovka, die den deutschen Namen Morchelstern trug. Morcheln sind auch die einzigen heraldischen Pilze im Fricktal; Hellikon trägt derer gleich drei im Wappen: in Blau über einem grünen Dreiberg drei goldene Spitzmorcheln. Das Wappen existierte zwar schon vor der offiziellen Annahme 1924, wenn auch nirgends schriftlich festgelegt; die Begründung dieser Motivwahl durch den Dorflehrer Johann Baptist Ruflin beschränkte sich 1946 aber tatsächlich nur auf den Hinweis, dass die Morcheln «bei uns alle Frühjahre gesucht» würden: «Einige sammeln sie mit einer gewissen Leidenschaft.» Das Wappen wurde von der Gemeinde bis 1966 in unheraldischer Tingierung geführt, nämlich mit braunen Morcheln auf hellgrünem Grund. Der Mangel wurde behoben, als eine Wappenscheibe in der Kantonsbibliothek angebracht wurde. Die Helliker scheinen besonders stolz auf ihr ausgefallenes Wappenbild zu sein: Die drei Morcheln sieht man vielerorts im Dorf an Scheunentoren und Häuserfassaden angebracht, sogar in dreidimensionaler Ausfertigung in Holz.

Sonne, Mond und Sterne
Eine andere Art, Natur heraldisch darzustellen, sind die Gestirne. Sterne sowieso, aber auch Sonne und Mond sind häufige Motive. Die fusionierte Gemeinde Mettauertal wählte sich 2009 die Sonne zum Wappen: in Blau über zwei silbernen Wellen eine strahlende, ungesichtete, goldene Sonne. Ungesichtet bedeutet «ohne Gesicht»: Die beiden bekanntesten heraldischen Sonnen in den Staatsflaggen von Argentinien und Uruguay zum Beispiel haben hingegen ein Gesicht. Die neue Gemeinde wollte bewusst keine Motive aus den Wappen der fusionierten Gemeinden Etzgen (Rheinfähre), Hottwil (Hirsch), Mettau (Habsburgerlöwe und Linde) und Oberhofen (Spitzhacke und Bergmannshämmer) übernehmen und erst recht nicht ein einziges dieser Wappen zum Wappen der neuen Gemeinde erheben. Die Sonne wurde von einer eigens eingerichteten Kommission unter Genehmigung der Gemeindeversammlung, also ohne historische Bezüge aufgrund ihrer Optik und positiven Bedeutung, gewählt. In der offiziellen Interpretation symbolisiert sie denn auch «das sonnige Mettauertal». Inwiefern sie allerdings ein «verbindendes Symbol zwischen den Ortsteilen» sein soll, wie in der Beschlussvorlage der entsprechenden Gemeindeversammlung ausgeführt wird, ist nicht ganz ersichtlich. Um es von anderen Wappen mit derselben Tingierung zu unterscheiden, wurden dem Mettauertaler Wappen zwei silberne Wellen hinzugefügt, die den Rhein und die Dorfbäche symbolisieren.


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