Eine Zeitlang ist alles ganz nah

  19.10.2021 Rheinfelden

Eine Zeitlang ist alles ganz nah

Der eindrückliche Turmschmuck der Rheinfelder Stadtkirche

Im Rahmen von Renovationsarbeiten wurden Zeiger und Ziffernblatt, die goldene Kugel, Wetterfahne und das mächtige Kreuz generalüberholt. Jetzt kommt alles wieder an seinen angestammten Ort zwischen Himmel und Erde.

Ronny Wittenwiler

Manchmal lässt gerade der Boden der Realität die Dinge etwas kleiner erscheinen. Doch in der Stadtkirche breitete sich übers Wochenende in beeindruckender Grösse aus, was sonst vermeintlich kleiner hoch oben über Rheinfelden prangt: das geschmiedete Kreuz, die Wetterfahne, die goldene Kugel sowie Zeiger und Ziffernblatt der Uhr. Für einen Moment war alles zum Greifen nah und Besucherinnen und Besucher hatten Gelegenheit, den Turmschmuck aus der Nähe zu betrachten. Zudem war er Gegenstand des Gottesdienstes vom Sonntagmorgen.

Freitagnachmittag, 15. Oktober
Chris Leemann kauert am Boden, umgeben von goldenen, römischen Ziffern. «Dem beizuwohnen ist schon speziell», sagt der Kirchenpfleger und Projektleiter der Renovation. In vierzig Jahren seit der letzten Überholung ist ein bisschen der Glanz verloren gegangen und so ist es wieder an der Zeit für die Uhr. «Die Ziffernblätter wurden neu vergoldet», erklärt Leemann; auch das Turmkreuz und die Wetterfahne wurden heruntergeholt und von Fachleuten behandelt, ebenso der goldene Knopf, wie die grosse Turmkugel auch genannt wird. «Sie kommt als Bauabschluss oft auch auf Schlössern, Herrschafts- und Ratshäusern vor.» Und dieser Knopf hat es in sich, im wahrsten Sinne des Wortes. Oft würden Zeitdokumente einer solchen Kugel übergeben, erklärt Leemann.

Die Schatzkammer
Auch die Kugel der Stadtkirche wird nun mit allerlei versehen werden: mit Akten zur jüngsten Renovation etwa, dem Richtspruch, mit Publikationen über die Kirche selbst seit 1980. Hinzu kommt eine Liste mit Namen aller an der Renovation Beteiligten sowie persönliche Gedanken, niedergeschrieben von den Beteiligten. Die Kugel thront mindestens seit 1770 über der Stadtkirche und das letzte Mal, als sie heruntergeholt worden war, im Jahr 1979, da führte Leemann anschliessend Buch darüber, was in ihr vorgefunden wurde («Die Turmkugel zu St. Martin in Rheinfelden»; Separata aus den Rheinfelder Neujahrsblättern 1980). Leemann, ein besonders Interessierter an der Baukultur der Kirche, liess damals vor über vierzig Jahren den Leser wissen: «Die Kugel der Stadtkirche St. Martin ist aus gehämmertem Kupferblech, aussen blattvergoldet, und hat an der Nahtstelle einen Durchmesser von zirka 80 Zentimetern; sie barg einen so reichen Schatz an Dokumenten aus den Jahren 1817, 1887 und 1921, dass es nötig erschien, diese Schatzkammer den Lesern der Neujahrsblätter zu öffnen.»

Dieser eine Augenblick
«Wir wissen jetzt noch nicht, wann der goldene Knopf das nächste Mal wieder aufgemacht wird», sagt Chris Leemann jetzt. Vielleicht in vierzig, vielleicht in fünfzig Jahren. Es ist Freitagnachmittag, der 15. Oktober, kurz nach 15.30 Uhr, wir schreiben das Jahr 2021. Leemann kauert am Boden in der Stadtkirche, die goldenen Ziffernblätter umgeben ihn und dieser auf Kamera festgehaltene Augenblick wird zum Zeitdokument, für all die Tage und all die Menschen, die da nach erfolgter Renovation noch kommen werden. Zuerst aber kommt jetzt wieder alles an seinen angestammten Ort. Hoch oben über Rheinfelden, dort, zwischen Himmel und Erde.


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