Römische Baugeschichte unter dem ehemaligen Dorfladen entdeckt

  01.04.2022 Kaiseraugst

Dort, wo bisher der Dorfladen von Kaiseraugst stand, wird bald ein neues Haus gebaut. Derzeit führt ein Team der Kantonsarchäologie eine Notgrabung an dieser Stelle durch. Mauern aus dem dritten und vierten Jahrhundert sind bereits zum Vorschein gekommen.

Valentin Zumsteg

Die Zeit drängt: Anfang Februar hat die Kantonsarchäologie Aargau mit der Notgrabung an der Dorfstrasse 39 in Kaiseraugst begonnen, im Laufe des Frühlings müssen die Arbeiten abgeschlossen sein. An dieser Stelle stand bislang ein Mehrfamilienhaus, das im Erdgeschoss den Dorfladen Schauli beherbergte. Im Juli 2020 brach im Dachstock des Gebäudes ein Feuer aus. Der Sachschaden war gross. Der Laden wurde danach nicht mehr eröffnet, das Haus später abgebrochen. Bald soll hier das neue Gebäude mit Wohnungen erstellt werden.

Zahlreiche römische Mauern freigelegt
Doch bevor der Baubeginn erfolgt, sind jetzt die Archäologen am Werk. Sie haben viel zu tun, denn unter der bisherigen Liegenschaft findet sich ein grosses römisches Erbe: Die Mitarbeiter der Kantonsarchäologie haben bereits zahlreiche Mauern freigelegt. Diese stammen zum einen von einem so genannten Streifenhaus, das gemäss Grabungsleiter Jakob Bärlocher in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts zerstört worden sein dürfte. Dieser Gebäudetyp war langrechteckig und stiess mit einer Schmalseite an eine Strasse an. Die Mauern weisen deutliche Brandspuren auf; dies lässt darauf schliessen, dass das Haus durch ein Feuer verwüstet worden ist. «In der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts herrschte eine unruhige Zeit. Ein solcher Brand bedeutete ein Unglück für die damaligen Bewohner, doch er ist ein Glücksfall für uns», sagt Jakob Bärlocher. Denn dadurch erhalten die Archäologen einen unverfälschten Einblick in die damalige Situation.

Neben den Überresten des Streifenhauses konnten auch Mauern mehrerer Gebäude aus dem Innern des spätantiken Kastells freigelegt werden. «Diese datieren wir in das vierte Jahrhundert», erklärt Bärlocher. Zudem fand das Grabungsteam Scherben von Gefässen, Münzen und auch eine Haarnadel, die aus Tierknochen gedrechselt worden war.

Dass der Untergrund viele Funde bereithält, haben Bärlocher und sein Team erwartet. Denn an dieser Stelle gab es bereits 1939 eine Grabung; zwei Pläne und eine Fotografie aus jener Zeit liegen vor. Die aktuellen Grabungen werden noch einige Wochen weiter gehen. Jakob Bärlocher rechnet in tieferen Schichten mit Funden, die bis ins erste Jahrhundert zurückreichen. «Damals standen an dieser Stelle Streifenhäuser aus Holz und Lehm.»

Dokumentieren und zurückbauen
Die jetzt entdeckten Mauern bleiben nicht erhalten, sie werden dokumentiert und schrittweise vom Grabungsteam selber zurückgebaut. Die Steine werden abgeführt. «Durch diese Grabung gewinnen wir weitere Erkenntnisse. Es tut aber immer ein bisschen weh, wenn wir solche Bauwerke abbauen müssen», so Bärlocher. Voraussichtlich im Laufe des Frühlings wird die Kantonsarchäologie die Baugrube an die Bauherrschaft übergeben.


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