Das verborgene Stübli im Rathaus-Turm
31.07.2022 RheinfeldenHoch oben über der Stadt gibt es Unerwartetes zu entdecken
Trutzig steht er da, der Rathaus-Turm von Rheinfelden. Die wenigsten Betrachter würden wohl vermuten, dass sich fast zuoberst ein gemütliches Stübli befindet. Dort stellt der Stadtweibel alte Gebrauchsgegenstände aus.
Valentin Zumsteg
Rund 30 Meter hoch ist der Rheinfelder Rathaus-Turm, 102 Treppen führen hinauf bis zu den Zinnen. Was versteckt sich wohl hinter den obersten Fensterchen? Das mag sich schon mancher Betrachter gefragt haben, der hinauf zu den Turmspitzen blickte. Wer eine Antwort will, muss sich an Stadtweibel Marcel Hauri wenden. Er hat nicht nur den Schlüssel, der die letzte Tür zu den oberen Stockwerken des Turms öffnet, er ist auch so etwas wie der Hausherr im Turmstübli.
Sitzungstisch aus dem Büro von Hansruedi Schnyder
Wer dieses Stübli zum ersten Mal betritt, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Es ist wie eine Zeitreise. Marcel Hauri hat aus dem Raum, der während vieler Jahre leer stand und ungenutzt war, ein kleines Museum gemacht. Ein Grammophon steht in einer Ecke, an den Wänden hängen alte Uhren, Telefone und Lichtschalter, im Buffetschrank stapelt sich Rheinfelder Geschirr aus alten Zeiten. «Das hier ist der Sitzungstisch aus dem Büro des ehemaligen Stadtammanns Hansruedi Schnyder», erzählt Marcel Hauri. Alte Zeitungen aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges liegen auf einem Tisch und laden zum Lesen ein. Selbst eine Feuerversicherungstafel, die von zirka 1900 stammt, fehlt nicht. Auch den Original-Feuerwehrhelm des legendären ehemaligen Feuerwehrkommandanten Walter Oeschger, der kürzlich verstorben ist, hat Hauri in seiner Sammlung.
Viele der Gegenstände, die in diesem Turmstübli ausgestellt sind, stammen aus dem Fundus von Max Hauri. Der Vater von Marcel ist ein grosser Sammler. Andere Dinge hat der Stadtweibel selber zusammengetragen. Ein besonderes Schmuckstück ist das Polyphon, das Lochplatten spielt. Es ist voll funktionsfähig und kommt manchmal in der Weihnachtszeit beim geschmückten Baum im Rathaus-Innenhof zum Einsatz. «In diesem Raum kann ich in alte Zeiten abtauchen», sagt Hauri. Hin und wieder nimmt er einzelne Touristen oder kleine Gruppen mit hinauf in sein verborgenes Reich, ab und zu findet dort eine Sitzung oder ein gemütlicher Anlass statt.
Der Rathaus-Glocke ganz nah
Im Stübli ist auch das Uhrwerk für die Turmglocke untergebracht. Diese Glocke schlägt jede halbe Stunde, aber immer zwei Minuten zu früh. Angeblich, weil die Ratsherren früher immer zu spät an die Sitzung kamen, wie Stadtführer Robi Conrad zu berichten weiss. Diese Glocke kann zusätzlich über einen Lederriemen von Hand geläutet werden. Das muss der Stadtweibel Hauri zwei Mal pro Jahr tun, immer eine halbe Stunde bevor die Ortsbürgergemeinde-Versammlung beginnt. «Bei meinem ersten Einsatz vor vielen Jahren ging das schief. Der Riemen war so spröde, dass er riss, als ich daran zog», erinnert sich Hauri mit einem Lachen.
Wer die Glocke von nahem sehen will, der steigt die letzte Treppe hinauf zu den Zinnen. Doch wer dort oben steht, hat nicht lange Augen für die Glocke, denn es lockt ein spektakulärer Ausblick über die Dächer der Altstadt. Von hier aus kann man den Störchen auf dem Storchennest-Turm ins Nest schauen oder zahlreiche versteckte Dachterrassen entdecken. Eindrücklich ist auch der Blick auf den Rhein und die alte Brücke, welche die beiden Rheinfelden verbindet.
Wer einmal zu Besuch im verborgenen Stübli war, blickt künftig mit anderen Augen hinauf zum Rheinfelder Rathaus-Turm.