Eintauchen in die Geschichte
04.08.2022 RheinfeldenNach zweijähriger Corona-Pause ist der Pavillon «Kraftwerk 1898» wieder eröffnet worden. Der auf der deutschen Seite des Rheins stehende Ausstellungsraum erinnert an die Geschichte des alten Wasserkraftwerks Rheinfelden, das einem Neubau weichen musste. (nfz)
Der Pavillon beim Kraftwerk Rheinfelden ist wieder offen
Besucher werden von Gründer und Elektropionier Emil Rathenau erwartet
Nach zweijähriger Pause wegen Corona ist der Pavillon «Kraftwerk 1898» am vergangenen Wochenende wieder eröffnet worden. Der auf der deutschen Seite des Rheins stehende Ausstellungsraum erinnert an die Geschichte des alten Wasserkraftwerks Rheinfelden.
Edi Strub
Empfangen werden Besucher des Pavillons in Zukunft von einer Inszenierung durch Simon Kuner: Ausgestattet mit Borsalino, Nadelstreifenhose, Schirm, goldener Uhrenkette und andern historischen Accesoires wird er wie Emil Rathenau vor über hundertdreissig Jahren um Investitionen in ein Wasserkraftwerk werben. Rathenau war einer der Pioniere der Elektrowirtschaft. In Paris hatte er 1881 an der Internationalen Elektrizitätsausstellung zum ersten Mal eine elektrische Glühlampe von Edison gesehen. Er war tief beeindruckt. Ein paar Jahre später gründete er die AEG und begann Pläne für ein Laufkraftwerk in Rheinfelden zu schmieden. Mit dem Strom sollten nicht nur Glühlampen betrieben werden. Er wollte den Strom vor allem industriell nutzen – zur Herstellung von Aluminium unter anderem. 1898 nahm das Rheinfelder Flusskraftwerk seinen Betrieb auf. Zwanzig Turbinen vermochten 25 Megawatt zu generieren, zum Teil in Form von Drehstrom, was für die weitere Entwicklung auf diesem Gebiet wegweisend war. (Das heutige Rheinfelder Kraftwerk vermag zum Vergleich dazu 100 Megawatt zu erzeugen.)
Kein zweites Ruhrgebiet
Geplant war, aus Badisch Rheinfelden ein zweites Ruhrgebiet zu machen, erklärte Klaus Eberhardt, Oberbürgermeister der Stadt Rheinfelden (Baden), an der Wiedereröffnungszeremonie. Das sei dann aber glücklicherweise nicht geschehen.
Der Erste Weltkrieg sei dazwischengekommen und die grosse Krise der Dreissiger-Jahre. Dennoch wäre Rheinfelden ohne dieses Kraftwerk nicht, was es heute ist. Der Pionierund Gründergeist Emil Rathenaus sei für den Aufstieg von Badisch Rheinfelden entscheidend gewesen. Unterstützung für den Kraftwerkbau kam auch aus der Schweiz; Rathenau hatte einen Teil seines Studiums an der ETH in Zürich absolviert. Im Pavillon wird auch die Geschichte seines Sohnes und Nachfolgers Walter Rathenau berührt. Er war eine tragische Figur. Als liberaler deutscher Nationalist und Jude versuchte er Politik zu machen, scheiterte aber immer wieder und wurde schliesslich, in seiner Funktion als deutscher Aussenminister, 1922 in Berlin von Rechtsextremisten auf offener Strasse ermordet. Die Erklärungen dazu im Pavillon sind leider nicht sehr erhellend.
Über 100 Jahre Dienst getan
Eindrücklichstes Ausstellungsstück im Pavillon ist die Turbine Nummer 10 des alten Kraftwerks und die dazu gehörenden Steuerungen. Diese Turbine hatte während über hundert Jahren treu und zuverlässig ihren Dienst getan, immer umsichtig geölt und gepflegt von den Maschinisten, deren Aufgabe es war, ein Maximum an Energie aus dem Rheinstrom herauszuholen – das alte Kraftwerk, ein Pionierbau der frühen Industrialisierung, musste vor bald zwanzig Jahren zugunsten eines mehr Strom generierenden neuen Kraftwerks abgebrochen werden.
Stimmungsvoll sind auch die neu zugefügten Erinnerungsstücke aus dem Nachlass der Rathenaus. Zur Verfügung gestellt und arrangiert hat sie Andreas Mossner aus Zürich, einer der Nachfahren der Rathenaus. Zu sehen ist unter anderem das (nachgebaute) Büropult von Emil Rathenau mit dazugehöriger Schirmlampe sowie ein paar Schriftstücke und Filme. Andreas Mossner hat diese Dinge am Freitag symbolisch dem Emil-Rathenau-Darsteller Simon Kuner übergeben.
Am Samstag lud «Energiedienst», die Betreiberin des Pavillons, das breite Publikum zu einer ersten Besichtigung mit Familienführungen ein. Für die Kinder wurde eine Hüpfburg aufgestellt, dazu gab es belegte Brötchen, kühle Getränke und Luftballone. In den vergangenen Jahren hatten insgesamt 76000 Personen den Pavillon besucht. Auch das neue Wasserkraftwerk ist nach der durch Corona bedingten Pause nun wieder regelmässig zu besichtigen.