Rettungsgrabung in Kaiseraugst ermöglicht Einblick in römisches Quartier
24.04.2025 KaiseraugstIm Vorfeld einer grossen Überbauung in Kaiseraugst führte die Kantonsarchäologie Aargau von Anfang Mai 2024 bis Ende März 2025 eine Rettungsgrabung durch. Diese hat die Kenntnisse über die Unterstadt des antiken Augusta Raurica erheblich erweitert. Die Untersuchung war die erste rein digital dokumentierte Ausgrabung der Kantonsarchäologie.
Das Bauprojekt sieht die Überbauung zweier bisher unbebauter Parzellen in der «Schürmatt» in Kaiseraugst mit drei Mehrfamilienhäusern vor, die über eine gemeinsame Einstellhalle und ein Untergeschoss verfügen. In Bezug auf die antike Situation befinden sich die Grundstücke in der Unterstadt von Augusta Raurica. Im Norden einer der Parzellen liegen ausserdem spätantike Bestattungen eines ausgedehnten Gräberfeldes.
Im Hinblick auf das bevorstehende Bauprojekt wurden die Parzellen bereits 2019 geophysikalisch ohne Bodeneingriff untersucht und in den Jahren 2021 sowie 2023 sondiert. Aufgrund dieser Erkenntnisse konnte die Notgrabung sorgfältig geplant werden. Dank dem Entgegenkommen der Bauherrschaft war es zudem möglich, die geplante Baugrube gemäss den Sondierungsergebnissen so anzupassen, dass die spätrömischen Bestattungen im Norden erhalten bleiben.
Einblick in die Bebauung der Unterstadt
In der rund 1800 Quadratmeter grossen Grabungsfläche wurde ein Ausschnitt einer römischen Strasse mit der beidseitig angrenzenden Bebauung und den dazugehörigen Hinterhöfen erfasst. Das ermöglichte wertvolle Einblicke in die städtebauliche Struktur und Parzellierung dieses Quartiers. Die römische Strasse wurde mehrfach erneuert und war zuletzt fast vier Meter breit. Sie wurde beidseitig von Strassengräben und sogenannten Portiken (Säulenhallen) flankiert.
Das Grabungsteam konnte ein grosses Gebäude mit Steinkeller vollständig, ein weiteres mit Keller teilweise freigelegen. Vor allem die in den Boden eingetieften Strukturen waren gut erhalten und lieferten zum Teil zahlreiche Funde. Überraschenderweise konnten auf einzelnen Parzellen einfachere Pfostenbauten nachgewiesen werden. Es waren also nicht alle Parzellen mit Steinbauten überbaut. Aufgrund des langrechteckigen Grundrisses, der inneren Gliederung und der Hinterhöfe sind alle Bauten als Streifenhäuser zu interpretieren.
Fürsorglich im Hinterhof begraben
In den Hinterhöfen konnten mehrere Trockenmauerschächte und Gruben freigelegt werden. Die Funktion dieser Schächte, zum Beispiel genutzt als Latrinen oder Vorratsschächte, muss noch näher untersucht werden. Im Weiteren konnten sowohl in den Gebäuden als auch in den Hinterhöfen mehrere Säuglingsbestattungen freigelegt und dokumentiert werden. Dass verstorbene Säuglinge nicht auf Friedhöfen, sondern in Haus und Hinterhof begraben wurden, war in römischer Zeit üblich. Die Gräber zeugen von der Totenfürsorge und geben Hinweise auf die hohe Säuglingssterblichkeit in
dieser Zeit.
Besondere Funde
Die Bebauung dieses Quartiers begann am Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. und endete im Laufe des 3. Jahrhunderts n. Chr. Die spätantike Nutzung des Areals wird vor allem durch zahlreiche spätrömische Münzen und Einzelfunde belegt. Unter den zahlreichen Funden fanden sich einige besondere Objekte: Eine kleine Pantherstatuette aus Bronze, eine Weihalter aus Tuffstein und ein Spinnwirtel aus Mosaikglas. Solche Funde sind selten.
Abschluss termingerecht und digital
Die Ausgrabung in der «Schürmatt» wurde termingerecht abgeschlossen. Die ganze Dokumentation erfolgte ausschliesslich digital – es war die erste rein digital dokumentierte Ausgrabung der Kantonsarchäologie Aargau. Alle Befunde wurden im Feld digital gezeichnet und sämtliche Daten direkt in die Datenbank eingegeben. Diese innovative Methode ermöglichte eine äusserst präzise und effiziente Dokumentation, die auch interkantonal neue Massstäbe für zukünftige Projekte setzt. (mgt)