Batterien aufladen

Simone Rufli

Die Sonne scheint. Auf den Bergspitzen glitzert der erste Schnee. Darunter, was für ein Kontrast, der Herbst in seiner ganzen Farbenpracht – vergessen sind Zeit und Kalender.

Ich bin am Wandern, inmitten prächtiger Natur – und dabei, jeden Bezug zur Realität zu verlieren. Während ich also so dahinwandere, gehen meine Gedanken ihren eigenen Weg:

Wer ist nicht alles schon durch die Schweizer Berge gewandert!? Goethe zum Beispiel. Er hat im Berner Oberland mehrmals acht- bis zehnstündige Wanderungen unternommen und seine Beobachtungen und Erlebnisse niedergeschrieben.

Oder Hermann Hesse, der während zwölf Jahren jedes Jahr einen Monat im Engadin verbracht und zusammen mit seiner Frau Ninon in Sils Maria logiert hat; ganz in der Nähe übrigens des Nietzsche-Hauses, wo der Philosoph Friedrich Nietzsche über ein halbes Jahrhundert zuvor jeweils die Sommermonate verbracht hat – auch er wandernd.

Das waren noch Zeiten! Wer es sich leisten konnte, huldigte bewusst der Langsamkeit.

Heute – und damit sind wir zurück in der Realität – muss alles schnell gehen. Seit neustem auch das Wandern.

Nach E-Bikes gibt es jetzt auch E-Wanderhosen. Neben der Verwendung bei medizinischer Indikation – so ein Verkaufsargument – sollen diese motorisierten Hosen Hinz und Kunz schneller auf den Gipfel bringen oder längere Touren ermöglichen.

Ich habe schon E-Bike-Fahrer umkippen sehen, weil der Akku am Velo plötzlich leer war. Ich bin gespannt auf die willkürlich in der Landschaft herumstehenden Wanderer, deren Akku an der Wanderhose leer ist und die es aus eigner Kraft nicht mehr heim schaffen.

beRUFLIch

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