Die Waldstadt-Loge pflegt seit 100 Jahren ihre Werte

  04.05.2022 Fricktal, Rheinfelden

Seit 1922 hat der weltliche Orden der «Odd Fellows» mit der Waldstadt-Loge Rheinfelden einen Ableger im Fricktal. Früher kämpfte die katholische Kirche gegen die Organisation.

Valentin Zumsteg

Eine unscheinbare Seitentür beim Spiserhus in Rheinfelden führt hinein in die Waldstadt-Loge Nr. 12. Hier haben die Fricktaler «Odd Fellows», ein weltlicher Orden, seit ein paar Jahrzehnten ihr Logenheim. Im oberen Bereich befindet sich das so genannte Refektorium, wo die Mitglieder bei ihren Zusammenkünften jeweils einen Imbiss einnehmen. Steigt man die Treppe hinunter in den Gewölbekeller, kommt man in die so genannte Halle. An den Wänden hängen Symbole wie zum Beispiel eine Hand mit Herz, ein allsehendes Auge in einem Dreieck oder ein Totenkopf, der an die Vergänglichkeit erinnern soll.

Was in der Halle besprochen wird, bleibt in der Halle
Zwei Mal pro Monat treffen sich die Mitglieder der Fricktaler «Odd Fellows» hier, um mit besinnlichen Ritualen Abstand zu nehmen vom Alltag. Ein Vortrag, Diskussionen und Musik gehören zu diesen Treffen. Am oberen Ende des Raums sitzt jeweils der Obermeister, ihm gegenüber der Untermeister, seitlich sitzen die Mitglieder. Alle tragen Regalien um den Nacken, das sind samtene Stoffbänder in verschiedenen Farben. Ethische Fragen werden hier in ruhigem Rahmen erörtert, der Obermeister erteilt den Mitgliedern das Wort, wenn sie es wünschen. «Wenn wir in die Halle gehen, schliessen wir die Tür und lassen die Sorgen und Nöte des Alltags draussen. Es ist ein bewusstes Abstandnehmen», schildert Logenbruder Roland Weiss aus Magden. «Was in der Halle besprochen wird, bleibt in der Halle», ergänzt er.

Im Sommer 1922 ist die Waldstadt-Loge Nr. 12 in Rheinfelden gegründet worden. Heute zählt der Orden im Fricktal rund 40 Mitglieder. Die «Odd Fellows» sind politisch und konfessionell neutral, sie fühlen sich der Aufklärung verpflichtet. Die Persönlichkeitsförderung, ethisches und humanistisches Denken und Handeln sowie die Pflege der Freundschaft stehen im Zentrum, wie Roland Weiss erklärt. Symbol der «Odd Fellows» sind drei Kettenglieder, welche für Freundschaft, Liebe und Wahrheit stehen.

«Kein Geheimbund»
«Nein, wir sind kein Geheimbund», betont Jean Wenger aus Wallbach, der seit 25 Jahren dieser Gemeinschaft angehört und schon oberster «Odd Fellow» der Schweiz war. Der Orden scheut die Öffentlichkeit nicht, die Namen der Mitglieder sind kein Geheimnis. Wenger betont ebenso, dass die «Odd Fellows» keine Freimaurer seien, «auch wenn die Unterschiede nur marginal sind.» Vor 100 Jahren war die Situation für die Mitglieder deutlich schwieriger. Die «Odd Fellows» gehörten 1925 zu den von der Kirche verbotenen Gesellschaften. So hiess es damals in einem Fricktaler Pfarrblatt: «…öffentlich als Odd Fellows bekannten Personen ist die Spendung der Sakramente zu verweigern; ebenso die kirchliche Beerdigung und der Begräbnisgottesdienst, wenn sie nicht den schuldigen Widerruf geleistet und dann durch die Absolution mit Gott und der Kirche ausgesöhnt sind.» Im Jahre 1934 lancierte der faschistische Oberst und Mussolini-Anhänger Arthur Fonjallaz eine Volksinitiative, welche die Freimaurer, die Odd Fellows und die Philanthropische Gesellschaft Union verbieten wollte. 1937 kam die Vorlage vors Volk, hatte dort aber keine Chance: Mit einem Nein-Anteil von knapp 69 Prozent schmetterten die Stimmbürger das Verbot ab; einzig der Kanton Freiburg sagte ja.

Diese Zeiten sind vorbei. Jean Wenger stellt aktuell ein zunehmendes Interesse fest. «Es gibt eine Rückbesinnung auf Werte und Grundsätze», sagt er. Zum Jubiläum verschenken die «Odd Fellows» von der Waldtstadt-Loge zehn Linden an Gemeinden, in denen sie Mitglieder haben. «Bei den Kelten war die Linde ein Symbol von Frieden und Eintracht», sagt Jean Wenger.


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