Russisches Roulette vor dem Olympiadebüt

  18.01.2022 Fricktal, Sport

Das Schweizer Bob Team Vogt mit dem Fricktaler Sandro Michel hat die A-Selektionskriterien für die Olympischen Spiele in Peking (4. bis 20. Februar) erfüllt. In St. Moritz standen am Wochenende die Europameisterschaften an, jetzt heisst es: sich auf der Zielgeraden nicht vom Coronavirus erwischen zu lassen.

Eigentlich hätte Bobpilot Michael Vogt allen Grund, zuversichtlich auf die Saisonhighlights in St. Moritz und Peking zu blicken: Mit elf Top-Ten-Ergebnissen in 14 Weltcuprennen, darunter je zwei Top-8-Klassierungen im Zweier und Vierer, fuhr der 24-jährige Schwyzer in seiner vierten Weltcupsaison so konstant wie noch nie. «Klar, letzten Winter standen wir dreimal auf dem Weltcuppodest und waren WM-Fünfte, es gab allerdings auch einige Ausfälle», räumt Michael Vogt ein und schiebt nach: «Nun konnten wir uns hinter den Medaillenrängen etablieren, obschon das Niveau in der Olympiasaison erfahrungsgemäss höher ist.»

Sandro Michel fehlt in St. Moritz
Schwächen beim Start und Fahrfehler im Eiskanal vermochte das junge Team über weite Strecken zu kompensieren. Einzig in Sigulda (LET/13.) und zuletzt in Winterberg (GER/18.) verkauften sich Vogt und seine Kollegen unter ihrem Wert. Auch, weil Stammanschieber Sandro Michel nach dem Warm-up für den Vierer in Winterberg geschont wurde.

Sandro Michels Wadenverletzung hat sich inzwischen als Muskelfaserriss herausgestellt. Aus diesem Grund bestreitet der 25-jährige Fricktaler ein Rehaprogramm in Rheinfelden und fehlte daher in St. Moritz. Das Ziel ist es, dass Sandro Michel am 14./15. und 19./20. Februar wieder topfit im Schlitten sitzt, dann nämlich finden in Yanqing/Peking die Bob-Wettkämpfe statt, wobei sich die Olympianeulinge insbesondere im Zweier Diplomchancen ausrechnen: «Unser neuer Schlitten ist eher prädestiniert für die lange Olympiabahn mit den offenen Kurven», glaubt Michael Vogt.

Ohne Sandro Michel verpasste Michael Vogt mit Andreas Haas im Zweierbob einen Exploit und landete auf dem 7. Rang in der EM-Endabrechnung. Mit dem Vierer-Schlitten fuhren die Schweizer auf Rang 6.

Die Angst vor Corona fährt mit
Erst vor einem Jahr gewannen Michael Vogt und Sandro Michel an den Junioren-Weltmeisterschaften in St. Moritz die Silbermedaille. Mit dem grossen Schlitten rasten sie im Engadin gar zum WM-Titel. Michels Ausfall für die Heimrennen auf der schnellen Natureisbahn wiegt schwer. Noch mehr Kopfzerbrechen bereiten den Junioren-Weltmeistern indes die explodierenden Coronazahlen: Nach den positiven Fällen im Europacup fährt auch im Weltcup die Angst mit. Zwar ist die Mehrheit der Athleten geimpft und geboostert, aber allein ein positiver Test reicht in den nächsten Tagen, den langjährigen Olympiatraum wie ein Eiskristall zerbrechen zu lassen – oder zumindest auf 2026 zu verschieben. Um das «Russisch Roulette» zu entschärfen, hat das Bobteam Vogt in Absprache mit Swiss Sliding verschiedene Vorkehrungen getroffen: «Wir machen jeden Morgen einen Selbsttest und versuchen, soziale Kontakte auf ein Minimum zu beschränken», sagt Michael Vogt, «aber wir sind nun mal Teamsportler und können einander nicht einfach aus dem Weg gehen – schon gar nicht im Bob.»

Einzeltraining statt WM-Titelverteidigung
Jetzt bleiben noch zwei Wochen bis zum Abflug nach Peking. Diese Zeit gilt es, so geschützt – sprich: isoliert – wie möglich zu überbrücken. Das Bobteam Vogt verzichtet deshalb auf die Titelverteidigung an der Junioren-WM in Innsbruck (17. bis 23. Januar) zugunsten der individuellen Olympiavorbereitung.

Am 21. Januar werden die Schlitten im neuen Olympialook verladen, am 30. Januar reisen die Athleten nach – vorbehältlich Selektion und gültiger Impf- und Testzertifikate. Dazu Vogt: «Dank des vierwöchigen Trainingslagers letzten Oktober wissen wir zum Glück schon, was uns vor Ort erwarten wird: Testen, Testen, Testen.» Material genauso wie Personal.

Diät halten im Olympischen Dorf
Einmal im Olympischen Dorf kaserniert, werden der Pilot und seine Anschieber vor einer weiteren «gewichtigen» Herausforderung stehen. Zwischen dem vierten und fünften Training im Olympiakanal verstreicht eine Woche. Das sind einerseits genügend Tage, die innere Uhr nach den ungewohnten Startzeiten – 20.15 Uhr respektive 9.30 Uhr Lokalzeit – zu richten. «Andererseits müssen wir aufpassen, dass wir die Wartezeit nicht nur mit Essen und Schlafen verbringen», gibt Michael Vogt zu bedenken. Mehr als 420 Kilogramm dürfen er und seine Teammitglieder im Vierer nicht auf die Waage bringen. Sind sie am Tag X zu schwer, hilft ihnen auch kein negativer Coronatest. (mgt)


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