Rheinfelden hatte nicht das erste «Feldschlösschen»
25.01.2022 RheinfeldenDen Namen gibt es sechsmal; die älteste Brauerei steht in Dresden
Kaum einen Brauereinamen gibt es so häufig wie «Feldschlösschen», neben Rheinfelden noch fünfmal in Deutschland. Manche Brauereien begannen tatsächlich in oder bei einem Schlösschen; bei anderen war eher der Baustil Namensgeber.
Boris Burkhardt
Als Mathias Wüthrich und Theophil Roniger am 8. Februar 1876 die Brauerei Feldschlösschen gründeten, brauten sie das Bier zunächst in einer schmucklosen ausgedienten Anilin-Fabrikhalle. Erst ab 1882 wurde die Brauerei vergrössert: Die neuen Gebäude (die alten wurden später abgerissen) baute man, wie damals für Industriebauten üblich, im Burgenstil mit Türmchen und Zinnen. Im Gegensatz zu anderen Unternehmen führte die Brauerei den Burgenstil bei Neubauten noch lange weiter; selbst als die Neugotik von der Neuen Sachlichkeit und vom Neoklassizismus abgelöst wurde, behielten die Architekten einige Burgenelemente bei.
Auch «Bellevue» und «Waldschlösschen» waren denkbar
Der Name «Feldschlösschen» scheint auf den ersten Blick damit eigentlich selbsterklärend: Noch heute steht die Brauerei in ihrem Burgenstil ja auf relativ freiem Feld. Aber wie so oft ist nicht alles so einfach, wie es scheint; denn den Namen «Feldschlösschen» hatten Wüthrich und Roniger ja schon ganz am Anfang in der schmucklosen Anilin-Fabrikhalle gewählt. Laut Unternehmenssprecherin Esin Celiksüngü hatten die beiden auch die Namen «Bellevue» und «Waldschlösschen» diskutiert.
Während gefühlte 90 Prozent der traditionellen Biermarken nach der Stadt heissen, in der sie gebraut werden, gibt beziehungsweise gab es gleich sechs Brauereien, die Feldschlösschen heissen. So oft dürfte es denselben Biernamen kein zweites Mal geben; das kann kein Zufall sein. Die älteste Brauerei ist die «Feldschlößchen Aktiengesellschaft Dresden», die bis auf das Jahr 1838 zurückgeht. Im Gegensatz zu Rheinfelden gab es in Dresden das Feldschlösschen auch schon lange vor der Brauerei.
Leonhard Meisel, Pächter des Bayrischen Brauhauses in Dresden, übernahm das Ausflugslokal «Feldschlößchen» am Fusse des Hahnebergs in der Südvorstadt und errichtete dort eine Lagerbierbrauerei auf der Budapester Straße, das heutige «Feldschlößchen-Stammhaus». Das ursprüngliche «Schlösschen im Felde» wurde 1684 vom Ehrenhaften Geheimen Kriegsrat Dietrich von Bosse mit Privilegienbrief seiner Majestät Kurfürst Johann Georg III. auf einem Einzelgehöft erbaut, dass sich urkundlich bis 1644 zurückverfolgen lässt und ebenfalls eine kurfürstliche Schankgenehmigung hatte.
Das Dresdner Feldschlösschen entwickelte sich bis etwa 1730 zu einem beliebten Ausflugsziel mit Tanzsaal, Kegelbahn und Sommergarten. Ende August 1813 wurde es in der Schlacht um Dresden, in der Napoléon Österreich, Preussen und Österreich besiegte, zerstört. Schon 1819 wurde ein neues errichtet. Die heutige Brauerei Feldschlößchen hat mit über 16 Biersorten eine Jahresproduktion von bis zu zwei Millionen Hektolitern bei 200 Mitarbeitern am Standort und einem Vertrieb in ganz Ostdeutschland plus Niedersachsen. Zum Vergleich: In Rheinfelden arbeiten rund 600 von schweizweit 1200 Mitarbeiter, die über 40 Biersorten produzieren und in der ganzen Schweiz vertreiben. Über die Produktionsmenge macht die Rheinfelder Brauerei prinzipiell keine Angaben.
Während das Dresdner Feldschlößchen zu DDR-Zeiten mit anderen Dresdner Braustätten zum Volkseigenen Betrieb «VEB Dresdener Brauereien» zusammengeschlossen war, ist es heute ironischerweise die einzige selbständige Brauerei mit diesem Namen. Besonders amüsant dabei: Während das Rheinfelder Feldschlösschen 2000 von der omnipräsenten dänischen Carlsberg-Brauereigruppe aufgekauft wurde, stiess dieselbe Gruppe das Dresdner Feldschlößchen 2011 wieder ab, das seither wieder in ostdeutscher Hand ist. Holsten hatte 1992 Feldschlößchen gekauft, Carlsberg Holsten 2004 übernommen.
Roniger war auf Wanderschaft in Deutschland
Vor der Gründung seiner eigenen Brauerei ging Theophil Roniger auf Wanderschaft nach Deutschland, weiss Celiksüngü: «Er führte dabei zwar ein Wanderbuch; aber darin ist nicht zu lesen, dass er eine Brauerei namens Feldschlösschen besuchte. Da es die Brauereien in Dresden und in Braunschweig vor unserer Brauerei gab, ist es gut möglich, dass Roniger zumindest von ihnen gehört hatte.» Die Brauerei Feldschlösschen in Braunschweig, auf die sich Celiksüngü bezieht, ist die einzige, die ihren Namen tatsächlich auf ein echtes Schloss bezieht.
Sie wurde 1871 in der Gartenwirtschaft «Zum Feldschlößchen» gegründet, das in unmittelbarer Nähe zu Schloss Richmond liegt. Das Schloss war erst zwei Jahre zuvor für die englische Prinzessin Augusta, spätere Herzogin von Hannover, gebaut wurden. Der Name Richmond wird heute deshalb englisch ausgesprochen, zu seiner Entstehungszeit der Mode entsprechend allerdings französisch. Das war dem einfachen Volk aber egal: Es nannte das Schloss von Anfang an einfach «Feldschlösschen».
Die Brauerei wurde 2004 mit der Holsten-Übernahme ebenfalls Teil von Carlsberg, 2009 wieder an Oettinger verkauft. Heute wird am Standort Braunschweig Bier für viele Marken produziert, unter anderem das berüchtigte «5,0 Original», das als Marketing-Coup ohne jegliche Werbung und Herkunftsangabe auf der Dose verkauft wird.
Älter als die Braunschweiger Brauerei sind die Feldschlösschen-Brauereien in Minden und Chemnitz. Gegründet wurde die «Dampfbierbrauerei Feldschlösschen Brettholz & Denkmann» 1865 in Minden, in Ostwestfalen an der Weser. Die bekannteste Marke war entsprechend das Weser-Bier. 1888 wurde die «Aktien-Brauerei Feldschlösschen» gegründet, die in den 1930ern Konkurs ging und neu gegründet wurde. Ab den 1950ern folgten mehrere Übernahmen; zuletzt war die Brauerei Teil der Radeberger Gruppe, bevor sie 1980 geschlossen wurde.
Auch die «Chemnitzer Feldschlößchenbrauerei Böttger & Co», die der Landwirt und Ziegeleibetreiber F.A. Kupfer 1868 in Betrieb nahm, wurde 1991 an die Kulmbacher Gruppe verkauft und 2017 geschlossen. In Chemnitz wurde allerdings nie Bier unter dem Namen «Feldschlösschen» verkauft; die Marke hiess immer «Braustolz» und wird heute in Plauen produziert. Zu beiden Brauereien lassen sich keine Erklärungen zum Namen finden; die Brauerei in Chemnitz lag immerhin an der Strasse «Am Feldschlößchen». Wie beim Salmenbräu in Rheinfelden entstanden sowohl in Minden als auch in Chemnitz Wohnungen und Geschäfte auf den ehemaligen Brauereigeländen.
Während die bisherigen vier Feldschlösschen alle in einem gemeinsamen mittel-ostdeutschen Kulturkreis liegen, ist die sechste Brauerei dieses Namens ein geographischer Sonderling. Die «Brauerei Feldschlösschen Heinrich Treiber» existierte von 1880 bis 1982 im Ludwigshafener Stadtteil Oggersheim, weltberühmt geworden als Heimatort des deutschen Bundeskanzlers Helmut Kohl. Andreas Gebauer von der Touristinfo Ludwigshafen hat noch lebhafte Erinnerungen an die Brauerei, die 1982 an die Brauerei Pfungstädter bei Darmstadt verkauft wurde.
Das Gebäude, auf das sich der Name bezieht, stand laut Gebauer nur kurze Zeit. Es war ein Biergarten Baujahr 1958, der aufgrund seiner Architektur im Volksmund vermutlich so genannt worden sei. Bierbrauer Heinrich Treiber vertrieb sein Bier allerdings nie unter dem Namen «Feldschlösschen», sondern unter seinem eigenen. Das Logo zeigt allerdings ähnlich dem Rheinfelder ein rotes Tor und zwei Ähren, jedoch zusätzlich noch Hopfendolden.