Träumen? Gerade jetzt, mehr denn je

  24.12.2021 Fricktal

Mein 2022: Das wünsche ich mir – und Ihnen

Ronny Wittenwiler

Die Zeiten sind nicht die einfachsten. Manchmal helfen Bilder im Kopf.

Es war im Sommer. Mitternacht. Die Sonne steht am Horizont, versinkt im Meer, nur für einen kurzen Moment. Die Vögel über mir ziehen ihre Kreise, unter meinen Füssen pechschwarzer Sand, erdnussgrosse Lavasteinchen. Ich bin angekommen. Hier an der Mündung, wo die lange Reise des Flusses endet. Ein Jahr lang habe ich auf diesen Moment gewartet…

Ja, ich bekenne mich schuldig: Dieser Text ist aufgewärmt. Vor vier Jahren war es, am Freitag, 22. Dezember 2017, und an gleicher Stelle wie jetzt, als ich unter anderem just mit diesen Worten meine Gedanken fürs nächste Jahr zu Papier brachte. Es war ein Rückblick auf meinen isländischen Sommer. Der Grundgedanke dahinter: Möge sich jeder seine kleinen Inseln, seinen ganz persönlichen Zufluchtsort, bewahren.

Und da wären wir wieder. Bei dieser besonderen Zeitungsausgabe zu Weihnachten, die es sich zur schönen Tradition gemacht hat, mit guten Nachrichten aufzuwarten. Einverstanden, die frohe Botschaft zu verkünden war auch schon einfacher und tröstend ist es auch nicht, dass es bereits im vergangenen Jahr um diese Zeit nicht besser war. Kurzum: Die Zeiten sind nicht die einfachsten. Doch aufzuzählen, was derzeit alles nicht möglich ist, würde an dieser Stelle vielleicht den Rahmen sprengen und sowieso, wer immer den Kopf hängen lässt, sieht nur die Stolpersteine am Boden, aber niemals die Sterne am Himmel. Apropos Sterne: Wie wär’s mit Träumen? Ich persönlich bin überzeugt, dass gerade jetzt zu träumen sich lohnt – und zwar mehr denn je.

2018 nicht. 2019 nicht. Und dann kam Corona. Was ich im Sommer 2017 für kaum möglich gehalten habe, ist eingetroffen: Obschon ich es mir damals fest vorgenommen hatte, wieder nach Island und an meine Flussmündung zurückzukehren, ist es nie dazugekommen. Von dieser Insel, meinem ganz persönlichen Zufluchtsort, ist mir dennoch eines geblieben: Die Bilder im Kopf. Sie lassen mich träumen von all dem Schönen, was war, und lassen mich vergessen, für einen Moment, was alles gerade nicht möglich ist.

Um diese Geschichte hier zu bebildern, suchte ich in meinem Archiv nach einem passenden Foto. Und schon hat mich Island 2017 wieder: Ich hänge meinen Gedanken nach und den Geschichten, die die Fotos von damals erzählen. Wie gut sich das anfühlt. Das hilft in unruhigen Zeiten wie diesen. Darum: Lassen wir das Träumen nicht. Das wünsche ich mir – und Ihnen, liebe Leserinnen und Leser.

Und irgendwann löse ich mein eigenes Versprechen ein und kehre wieder an meinen Ort zurück.


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