Rheinfelden: Kontroverse um Steuerfuss
11.11.2021 RheinfeldenDer Rheinfelder Stadtrat will den Steuerfuss von heute 95 auf 90 Prozent senken. Damit sind nicht alle Ortsparteien einverstanden.
Valentin Zumsteg
Die Einwohnergemeinde-Rheinfelden hat viel Geld auf der hohen Kante. Genau sind es 55 Millionen Franken. Auch wenn in den kommenden Jahren weitere grössere Investitionen anstehen, kann sich die Gemeinde nach Ansicht des Stadtrats eine Reduktion des Steuerfusses leisten. Für das Budget 2022 schlägt er deshalb eine Senkung um 5 Prozentpunkte auf neu 90 Prozent vor. Am 1. Dezember entscheidet die Gemeindeversammlung über einen entsprechenden Antrag (die NFZ berichtete).
Weitere Steuersenkungen?
Die FDP Rheinfelden ist erfreut über den geplanten Schritt. An ihrer Parteiversammlung von vergangener Woche hat sie «mit Genugtuung festgestellt, dass die langjährige Forderung nach einer Steuersenkung auf Gehör gestossen ist», berichtet Parteipräsident Christoph von Büren. Die Mitglieder der FDP haben dem Budget mit dem neuen Steuerfuss einstimmig zugestimmt. «Die Entwicklung wird zeigen, ob weitere Steuersenkungen notwendig sind, damit das Nettovermögen nicht wieder im Übermass steigt. Es ist nicht Aufgabe der Stadt, Steuern auf Vorrat zu erheben», findet Christoph von Büren.
Ganz anderer Meinung ist die SP: «Wir sind nicht einverstanden mit der Senkung des Steuerfusses», erklärt Parteipräsidentin Claudia Rohrer. «Wir sehen Rheinfelden als aufstrebende Gemeinde, welche Nachholbedarf bei Investitionen in ihre Infrastruktur hat. Gleichzeitig halten wir es für den absolut falschen Zeitpunkt: Der Kanton plant Steuersenkungen und die Steuerausfälle infolge Corona sind noch nicht bekannt.» Eine Steuersenkung werde einen Anreiz schaffen, dass mehr Menschen nach Rheinfelden ziehen, was erneut Investitionen «in die bereits überlastete Infrastruktur der Gemeinde hervorrufen wird.» Die SP werde deshalb an der Gemeindeversammlung Anträge stellen.
Falscher Zeitpunkt?
Die Grünen sprechen sich ebenfalls gegen die Steuerfuss-Senkung aus, wie Parteipräsidentin Kathrin Frey auf Anfrage erklärt. «Sonst fehlen Einnahmen, zum Beispiel für soziale und infrastrukturelle Aufgaben der Gemeinde, aber auch für nötige Klimamassnahmen», hält sie fest. Die Umsetzung solcher Massnahmen sehen die Grünen mit einem tieferen Steuerfuss gefährdet. «Wir sind bereits eine steuergünstige Gemeinde. Wir wollen nicht Wachstum um jeden Preis», so Frey.
Auch der Vorstand der GLP steht einer Steuersenkung zum jetzigen Zeitpunkt kritisch gegenüber, wie Parteipräsidentin Béa Bieber sagt: «Warum sollen dem neu gewählten Stadtrat kurz vor dem Start in die neue Legislatur Rahmenbedingungen geschaffen werden, die ihm eventuell den nötigen Handlungsspielraum beschneiden?»
Aus Sicht der SVP ist es hingegen sehr erfreulich, dass der Stadtrat von sich aus den Steuerfuss senken will. «Die Stadt befindet sich in einer sehr guten finanziellen Situation. Das soll auch den Steuerzahlern zugutekommen», sagt SVP-Präsident Dimitri Papadopoulos. Der Finanzund Investitionsplan der nächsten Jahre erlaube es, den Steuerfuss moderat anzupassen.
Das sieht «die Mitte» ebenfalls so, sie begrüsst die Senkung des Steuerfusses: «Der Stadtrat konnte überzeugend darlegen, dass die Erfüllung städtischer Aufgaben sowie die nötigen und wünschenswerten Investitionen in den nächsten Jahren mit einem Steuerfuss von 90 Prozent gewährleistet sind», erklärt Nisrine Seutin vom Parteivorstand. Es sei jedoch zu bedenken, dass der Finanzplan einen tiefen Selbstfinanzierungsgrad und damit einen allmählichen Abbau des Nettovermögens vorsieht. «Daher ist mit einer künftigen Wiederanhebung des Steuerfusses zu rechnen», so Seutin.
Bei dieser Ausgangslage ist davon auszugehen, dass das Budget 2022 an der Gemeindeversammlung intensiv diskutiert wird.