Blaue Trauben und goldene Garben

  16.10.2021 Fricktal

Fricktaler Gemeindewappen (6): Landwirtschaft

In einer Serie stellt die NFZ die Herkunft und Bedeutung der Gemeindewappen des Fricktals vor. In der sechsten Folge geht es um Wappen, die Bezug auf die Landwirtschaft nehmen.

Boris Burkhardt

Die kulturelle Bedeutung des Weins und des Rebbaus im deutschsprachigen Raum ist – vielleicht noch mehr als in den mediterranen Ländern – gar nicht zu überschätzen. Zahlreiche Gedichte und Lieder, Sagen und Legenden preisen den Rebensaft; selbst in der Bibel ist der Wein allgegenwärtig. So ist es auch keine Überraschung, welch grosse Rolle Wein, Reben, Trauben und Winzerwerkzeuge vom Rebmesser bis zur Kelter in Gemeindewappen spielen.

Der Rebstock
In erster Linie stehen der Rebstock und seine Bestandteile in Gemeindewappen für den tatsächlichen Rebbau in der Gemeinde, ebenso wie in den Familienwappen von Winzerdynastien. Vier Gemeinden tragen Reben und Trauben im Wappen: Magden, Zeiningen, Kaisten und – mit Beginn des neuen Jahres – Böztal.

Der Rebstock im Zeininger Wappen (in Gold auf grünem Dreiberg ein grüner Rebstock mit vier blauen Trauben und drei grünen Blättern an braunem Rebstecken) geht auf eine Glasscheibe in der Pfarrkirche zu St. Agatha aus dem Jahre 1776 zurück. Dort ist er grün mit roten Trauben, ohne Rebstecken, und steht in blauem Feld auf einem grünen Dreiberg. In der Konkurrenz mit anderen aargauischen Gemeindewappen räumte die ehrenamtliche Wappenkommission der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau von 1945 bis 1966 Zeiningen aufgrund des höheren Alters Priorität ein. Zuvor hatte die Gemeinde das aus dem 18. Jahrhundert nachgewiesene Ortswappen, im schräglinks geteilten Schild von Silber mit grünem Z und von Rot, abgelehnt. Die Schildfarbe des Rebenwappens änderte die Gemeinde 1953 auf Empfehlung der Wappenkommission von Rot in Gold; die Empfehlung, dem braunen Rebstecken eine andere Farbe zu geben, lehnte die Gemeindeversammlung 2002 jedoch ab.

Verwechslungsgefahr
Ein ähnliches Wappen mit einem ganzen Weinstock führte die Gemeinde Kaisten zwischen 1915 und 1939. Wegen der Verwechslungsgefahr mit dem älteren Zeininger Wappen kehrte Kaisten 1960 zum einzelnen Rebblatt zurück, das nachweislich seit 1872 im Siegel geführt wurde: in Gold ein rotes Rebblatt mit Stiel und Zweig. Davor war Kaisten eine der Gemeinden, die mit dem Fricktaler Lindenblatt siegelten (siehe Folge 2). Bei der Fusion mit Ittenthal 2010 entschied sich die neue Gemeinde für die seltene Lösung, das Wappen Kaistens weiterzuführen. Ittenthals Wappen zeigt in Blau den oberen Teil eines Lilienstabes mit silberner Lilie auf goldenem, mit vier goldenen Blättern bestandenem Stengel, beseitet von zwei sechsstrahligen goldenen Sternen.

Die vier Gemeinden Bözen, Effingen, Elfingen und Hornussen, die zum 1. Januar 2022 zur Gemeinde Böztal fusionieren werden, wählten für ihr neues Wappen ebenfalls den Weinbau: in Silber eine blaue Traube mit grünem Stil und einem grünen Blatt über einem grünen Dreiberg, beseitet von jeweils zwei roten fünfzackigen Sternen übereinander. Die Symbolik ist einfach zu deuten: die Traube für den Weinbau, der Dreiberg für den Jura und die vier Sterne für die vier Gemeinden. Zur Wahl zum Wappentier stand ausserdem ein Ammonit, der den Jura hätte symbolisieren sollen. Damit hätte Böztal ein fast einzigartiges Wappen erhalten; die Stimmberechtigten entschieden jedoch anders.

Begleitet wurde der Entstehungsprozess des Böztaler Wappens vom Heraldiker Rolf Kälin. Die Einwohner der vier aktuellen Gemeinden entschieden sich bewusst dagegen, Motive oder Tinkturen ihrer bisherigen Gemeindewappen aufzunehmen (wie unten beschrieben offensichtlich mit der Ausnahme der roten Sterne). Die alten Wappen bleiben nämlich als «Ortswappen» erhalten und zeigen zusammen mit dem neuen Gemeindewappen alle unterschiedliche Motive. Hornussens Wappen zeigt in Rot eine gestürzte silberne Pflugschar unter silbernem, mit drei fünfstrahligen roten Sternen belegtem Schildhaupt, Bözens Wappen in Gold einen schwarzen Balken, Elfingens Wappen in Rot auf grünem Dreiberg ein getatztes silbernes Doppelkreuz (das Ungarnkreuz aus Folge 4), Effingens Wappen in geteiltem Schild von Rot mit silbernem Flügel und von Silber mit fünfstrahligem rotem Stern über einem grünen Dreiberg.

Mehr als Reben
Magden entschied sich für die Darstellung gleich mehrerer landwirtschaftlich genutzter Pflanzen: In Silber auf grünem Boden ein grüner Apfelbaum mit neun roten Früchten, beseitet von zwei Weinstöcken, zwei blauen Trauben und zwei grünen Blättern an rotem Rebstecken. Der Früchte tragende Baum zwischen zwei Reben erscheint schon 1872 im Gemeindesiegel. Das Wappen ist aus heraldischer Sicht jedoch überladen: Vorschläge, auf die Reben zu verzichten, um dem Baum mehr Geltung zu verschaffen, wurden von der Gemeinde 1964 sogar angenommen. Damals wurde auch der Baum als Apfelbaum definiert. Kurioserweise sorgte aber eine Beschwerde des kantonalen Rebbaukommissariats dafür, dass die Gemeinde 1977 die Rebstöcke wieder ins Wappen nahm.

Im Aargau tragen einen Bezug zum Rebbau im Wappen ausserdem Thalheim (Bezirk Brugg, in Silber eine blaue Traube mit grünem Stil) und Wiliberg (Bezirk Zofingen, im geteilten Schild oben in Silber eine blaue Traube mit zwei grünen Blättern, darunter in Blau ein waagrecht halbiertes goldenes Mühlrad). In der weiteren Region sind mit Rebsymbolik im Wappen prominent vertreten die Stadt Weil am Rhein (in Silber eine blaue Traube mit einem grünen Blatt über zwei blauen Wellen) mit ihren Stadtteilen Haltingen (in Gold eine blaue Traube, darüber ein Rebmesser auf rotem Grund), Ötlingen (in ein Gold Rebstock) sowie die Baselbieter Gemeinde Buus (in Silber auf schwarzem Boden ein grüner Rebstock an einem rotem Rebstecken mit zwei grünen Blättern links und einer blauen Traube rechts, oben und unten am Rebstecken mit zwei goldenen Klammern befestigt).

Eigentlich ist es erstaunlich, wie wenige Gemeindewappen mit Rebsymbolik es in einer Weinbauregion wie der hiesigen gibt. Das mag sich aber dadurch erklären, dass die Heraldiker darauf achten, dass sich die Wappen einer Region nicht zu ähnlich sind, wie der Fall Obermumpf (Folge 4) zeigt, wo Wappenkommission nachdrücklich dazu riet, auf den früheren Rebstock im Wappen zu verzichten.

Getreide wird auch oft verwendet
An zweiter Stelle der kulturellen Bedeutung landwirtschaftlicher Produkte steht das Getreide. In der Heraldik ist es eine der häufigsten Motive überhaupt und wird fast ausschliesslich als Garbe und selten als einzelne oder mehrere Ähren dargestellt. Begleitet wird die Garbe im Wappen oft von entsprechenden Werkzeugen wie Sense, Sichel und Dreschflegel. Das Wappen Möhlins zeigt heute in Rot eine goldene Korngarbe, belegt mit blauer Sichel mit schwarzem Griff. Die Korngarbe taucht bereits 1811 im Gemeindesiegel auf. Die Sichel kam 1926 hinzu, schräg eingesteckt in die Garbe mit rotem Griff und silberner Klinge, dazu ein goldener Boden. Die Wappenkommission schlug der Gemeinde 1946 vor, die Sichel wegzulassen oder neben der Garbe zu platzieren, um Verwechslungen mit den Wappen von Birmenstorf (Bezirk Baden, goldene Garbe auf grünem Grund) und Rüfenach (Bezirk Brugg, goldene Garbe auf blauem Grund) zu vermeiden. 1953 schlug die Kommission einen in Blau und Gold gespaltenen Schild vor, worin Sichel und Garbe in wechselnden Farben nebeneinanderstanden. Die Gemeinde behielt ihr Wappen, das wegen fehlender Rechtsgrundlage aber nicht vom Kanton genehmigt wurde.

Der Getreideanbau ist auch Teil des Wappens von Zeihen: in Grün ein schwarz-golden geschachteter Pfahl zu zwölf Plätzen, beseitet von zwei goldenen Ähren. Das Wappen ähnelt jenem von Eiken (Folge 2). Die zwölf Schachfelder in Zeihen stehen für die säckingischen Rodungshöfe, die dem Dorf zugrunde lagen. Das Wappen wurde 1955 von der Gemeindeversammlung angenommen. Keine Erklärung findet sich, warum die Tingierung des Vorschlags der Wappenkommission von 1953 nicht übernommen wurde: Dort ist der Wappenschild rot und der geschachtete Pfahl silber-schwarz. Andere damalige Vorschläge zeigen in verschiedenen Versionen den Habsburger Adler sowie das Lindenblatt der Vogtei Frick, für das wie berichtet (Folge 2) Schupfart den Zuschlag bekam.

 


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