Nonnen mit Grundbesitz und der Schlüssel der Himmelspforte

  05.09.2021 Fricktal

Fricktaler Gemeindewappen (4): Geistliche Herrschaften und Patronate

In einer Serie stellt die NFZ die Herkunft und Bedeutung der Gemeindewappen des Fricktals vor. In der vierten Folge geht es um Wappen, die religiöse Symbolik beinhalten.

Boris Burkhardt

Wer in Wallbach nach oben schaut, dem wird das Kreuz auf dem Glockenturm der Pfarrkirche auffallen. Fast sieht es mit seinen zwei Querbalken in der oberen Hälfte wie ein orthodoxes aus; dazu fehlte ihm aber noch der Schrägbalken in der unteren Hälfte. Bei dem Kreuz handelt es sich um ein sogenanntes Ungarnkreuz, auch Patriarchenkreuz oder erzbischöfliches Kreuz genannt. Als Symbol der historischen Verbindung der Kirche zur Säckinger Stiftskirche trägt auch die Gemeinde das Doppelkreuz im Wappen: in Rot ein getatztes silbernes Doppelkreuz, überhöht von einem sechsstrahligen silbernen Stern.

Das Ungarnkreuz
So, wie viele Gemeindewappen Elemente der Adelswappen ihrer mittelalterlichen weltlichen Herrscher übernehmen, tradieren viele auch die Wappen ehemaliger geistlicher Herrschaften. Da Klöster und Bischöfe im Mittelalter wie Grafen und Fürsten Grund und Boden besassen, gehörten auch viele Dörfer in ihren Gerichts-, Abgaben- und Herrschaftsbereich. Bei der Säckinger Stiftskirche handelt es sich um das heutige Fridolinsmünster und beim Stift um ein Damenstift, das im 6. oder 7. Jahrhundert gegründet wurde und 1806 mit der Säkularisation aufgelöst wurde. Ihm gehörten im Frühmittelalter unter anderem die Städte Säckingen und Laufenburg, die Dörfer Glarus, Walenstadt, Untersiggenthal und im Fricktal Hornussen. Verschiedene Rechte hatte es in fast allen Pfarreien und Dörfern im Fricktal.

Den Bezug zum Säckinger Damenstift trägt von all diesen Dörfern aber nur das schweizerische Wallbach im Wappen. Das Kreuz taucht bereits kurz nach der Kantonsgründung als Gemeindesiegel auf. Zwischen 1930 und 1945 kam noch ein silberner Stern zum Wappen hinzu, der in früheren Siegeln eigentlich nur die Umschrift «Gemeinde Wallbach» getrennt hatte und später als Teil des Wappen missgedeutet wurde. Trotz der Empfehlung der ehrenamtlichen Wappenkommission der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau von 1945 bis 1966 wollten die Wallbacher 1945 aber nicht auf ihren Stern verzichten. Das deutsche Wallbach, heutiger Stadtteil von Bad Säckingen, führt mit einem roten Hirsch und grünen Tannen ein gänzlich anderes Wappenmotiv.

Das Ungarnkreuz breitete sich seit dem 6. Jahrhundert vom Orient her aus und ist ein recht seltener Wappenbestandteil. Ein silbernes Ungarnkreuz auf einem grünen Dreiberg in rotem Feld führt aber auch die zum Jahreswechsel fusionierende Gemeinde Elfingen im Wappen. Das Damenstift hatte ebenfalls Rechte in Elfingen, laut dem Buch «Gemeindewappen Kanton Aargau» von 2004 bezieht sich dieses Kreuz aber auf das Kloster Königsfelden, dem Königin Agnes von Ungarn den Hof Elfingen 1322 schenkte. An der Königin Agnes orientieren sich auch die Wappen von Fislisbach und Stetten (beide Bezirk Baden): Dort ist das Ungarnkreuz silbern mit dreigespitztem Fuss in Blau beziehungsweise in Rot mit zwei silbernen, fünfzackigen Sternen. Sind beide Balken gleichlang, spricht der Heraldiker von einem Lothringer Kreuz.

Olsberg hat erst seit 1953 ein Wappen
Das Wappen der Gemeinde Olsberg geht auf den Zisterzienserorden zurück, dessen Nonnen das Kloster Olsberg gehörte: unter rot-silbern geschachtem Schildhaupt in Grün eine silberne Rose. Olsberg kam erst 1953 zu einem Wappen. Das Schachbrettmuster findet sich heute noch auf zahlreichen Grenzsteinen Olsbergs und über dem Eingang der Klosterkirche. Die Rose erinnert an den Hortus Dei, den Gottesgarten, wie die Ordensschwestern ihr Kloster nannten. Die Bürgergemeinde von Basel-Olsberg nahm für ihr Wappen ebenfalls das Muster in das Schildhaupt, darunter in Schwarz einen silbernen Fluss als Symbol für den kantons- und ortstrennenden Violenbach.

Eine zweite Möglichkeit, wie religiöse Symbolik ihren Weg in Wappen von Einwohnergemeinden findet, sind die Patrone der örtlichen Kirchen. Den katholischen Heiligen sind jeweils Attribute zugeordnet. Die häuf igsten Wappenpatrone sind die Apostelfürsten Petrus und Paulus mit jeweils dem Schlüssel und dem Schwert. Dafür entschied sich auch Obermumpf, auf dessen Kirchentürsturz dasselbe Wappen der Patrone St. Peter und Paul 1738 angebracht worden war: in Gold ein blaues Schwert mit schwarzem Knauf und blauem Schlüssel mit schwarzer Reide, kreuzweise gestellt. Der Schlüssel des Petrus ist als Symbol seit dem 5. Jahrhundert nachweisbar und bezieht sich auf die Jesusworte nach Mt 16,18ff, nach denen Jesus Petrus die «Schlüssel des Himmelreichs» übergibt. Das Schwert verweist auf Paulus› nicht biblisch verbürgtes Martyrium und Hinrichtung.

Schlüssel existieren in der Heraldik als Einzelschlüssel, gekreuzte Schlüssel oder parallele aufrechte Doppelschlüssel. Sie werden als Symbol für die Aufgeschlossenheit interpretiert, gehen aber immer auf den Heiligen Petrus zurück, besonders die gekreuzten. Die prominentesten gekreuzten Schlüssel finden sich wenig überraschend im Staatswappen des Vatikanstaats; der bekannteste Einzelschlüssel ist jener im Wappen der Freien Hansestadt Bremen, deren Patron vor der Reformation der Heilige Petrus war. Die ehemalige Gemeinde Minseln, heute Stadtteil von Badisch-Rheinfelden, trägt ebenfalls nach den Patronen ihrer Pfarrkirche Schlüssel und Schwert überkreuzt im Wappen, allerdings im Vergleich zu Obermumpf spiegelverkehrt und in der Tingierung Gold in Rot.

Obermumpf wechselte Wappen
Ursprünglich erinnerte Obermumpf in seinem Wappen an den Weinbau im Ort, auf dem Siegel von 1872 mit einem Rebzweig mit zwei Trauben über dem Kantonswappen, 1936 auf drei Vereinsfahnen als Rebstock auf grünem Dreiberg in goldenem Feld. Bereits 1945 stellte die Wappenkommission aber fest, dass es im Aargau schon vier Gemeindewappen mit einer Rebe gab. Der Staatsarchivar persönlich, so berichtet das Buch «Gemeindewappen Kanton Aargau» von 2004, musste in einem ausführlichen Referat die Obermumpfer Gemeindeversammlung davon überzeugen, dass der historische Weinbau in der Gemeinde nicht den Stellenwert hatte, den ihm die neuzeitlichen Obermumpfer zusprachen. 1965 genehmigte der Gemeinderat schliesslich das heutige Wappen.

Herznach führt das Attribut der Heiligen Verena im Wappen: in Rot ein grünes Verenakrüglein mit goldenem Henkel. Die der Heiligen geweihte Kapelle im Ort ist eine der ältesten bekannten Kultstätten im Aargau, deren Existenz bis ins 10. Jahrhundert zurückverfolgt werden kann. Der ursprüngliche Vorschlag der Wappenkommission von 1915 zeigte den Krug in Schwarz auf goldenem Grund. Die Gemeinde nutzte bis 1945 jedoch in Gold einen braunen Krug mit der Inschrift «St. Verena» in der oberen Wappenhälfte, unten in Silber und Grün schräg geteilt. Die Gemeinde lehnte 1953 erneut den Vorschlag der Wappenkommission ab, in Rot einen silbernen Krug mit goldenem Henkel, und entschied sich für die heutige Tinktur. Warum der Krug dabei nach rechts (heraldisch links) gedreht wurde, ist nicht nachvollziehbar; die Gemeinde akzeptierte aber 2002 die Drehung in die heraldisch normale Position mit dem Ausguss nach links (heraldisch rechtsgerichtet).

Die Flammen von Schwaderloch
Die Flammen von Schwaderloch gehen auf die Attribute des Märtyrers Polykarp zurück, dem die Dorfkapelle zusammen mit dem Heiligen Antonius gewidmet ist: in Gold auf grünem Dreiberg drei rote Flammen. Diesen Vorschlag hatte die Wappenkommission der Gemeinde schon 1949 unterbreitet. Der Gemeinderat liess die Gemeindeversammlung aber gar nicht über dieses Wappen abstimmen; gewählt wurde in Silber ein blauer Fluss, belegt mit einem grünen Eichenblatt. Die Musikgesellschaft wiederum, die 1948 ursprünglich wegen einer Gemeindefahne an die Kommission herangetreten war, konnte sich mit diesem Wappen nicht anfreunden und brauchte zusammen mit der Kommission 17 Jahre, ehe der Gemeinderat vom heutigen Wappen überzeugt werden konnte.

Das Wappen der ehemaligen Gemeinde Ittenthal zeigt in Blau eine Lilie mit goldenem Stengel und silbernen Blütenblättern als Attribut des Heiligen Josefs, dem zusammen mit Maria die 1706 erbaute Kapelle geweiht wurde.


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