Das Paradies ist weit entfernt
11.09.2021 Möhlin, PersönlichDer Möhliner Markus Fischler lebt seit zwei Jahren auf Kuba
Er träumte von warmen Nächten mit Rum, Zigarre und kubanischer Musik. Vor zwei Jahren brach Markus Fischler die Zelte im Fricktal ab und zog nach Kuba. Bis jetzt wurde erst ein kleiner Teil seiner Träume Wirklichkeit.
Janine Tschopp
Er wusste, dass er geduldiger und noch bescheidener werden musste, um auf Kuba glücklich zu sein. Und er wusste auch, dass ihm im karibischen Inselstaat das eine oder andere fehlen könnte. Aber er freute sich ungemein auf den neuen Lebensabschnitt. Auf das «Bed and Breakfast» mit Cafeteria, welches er zusammen mit seiner Familie führen würde. Auf warme Nächte, Rum, Zigarren und kubanische Rhythmen. Und er freute sich darauf, jederzeit seine Fricktaler Freunde in seiner neuen Heimat zu empfangen.
Es war Anfang Juli 2019, als das Möhliner Urgestein Markus Fischler seine Zelte im Fricktal abbrach und zu seiner Frau und ihrem Sohn nach Baracoa (Kuba) zog. «Der Anfang war sehr gut. In der Stadt waren viele Touristen, und unser ‹Casa› war gut ausgelastet.»
Im Herbst 2019 kam die grosse Treibstoffkrise. An den Tankstellen gab es kein Benzin und Überlandbusse fuhren nicht mehr. «So wurde Baracoa quasi abgeschnitten vom Tourismus, und wir mussten unser Gasthaus vorübergehend schliessen.» Im Dezember 2019 verbesserte sich die Situation. Die Touristen kamen wieder, und Markus Fischler und seine Familie erlebten eine sehr gute Zeit mit ihrem «Bed and Breakfast». Er freute sich, dass ihn einige Freunde aus der Heimat besuchten. In seiner Freizeit war er gerne mit dem Bike unterwegs und genoss die wunderschöne Natur.
Dann kam Corona
Dann brach die weltweite Corona-Krise auch auf Kuba aus. «Alle Ausländer ohne Aufenthaltsbewilligung mussten bis Ende März 2020 unser Land verlassen, und der Tourismus wurde von einem Tag auf den anderen eingestellt», berichtet Markus Fischler. Zudem verschärfte der damalige amerikanische Präsident Trump die Massnahmen gegen Kuba. Da das Land vorher schon wirtschaftlich sehr schlecht dastand, wurde es durch die Krise mit voller Wucht getroffen. Seither fehlt es an Lebensmitteln und an medizinischer Versorgung.
«Hier im Osten von Kuba wurden wir vom Virus lange verschont, aber dann wurden auch bei uns die Ansteckungszahlen immer höher.» Aktuell gibt es in Kuba Ausgangssperren zwischen 14 Uhr nachmittags bis um 5 Uhr morgens. «Jetzt darf ich auch nicht mehr unbeschränkt mit dem Bike an meine geliebten Badeplätze an die Flüsse fahren.»
Die Läden sind geschlossen, und die Versorgungslage bedenklich. «Es wird immer schwieriger, Essen zu organisieren. Einige Menschen haben Hunger», erzählt Fischler. «Es gibt wenige Läden, wo man an gewissen Tagen für ein paar Stunden mit Lebensmittelmarken Grundnahrungsmittel wie Reis und Bohnen einkaufen kann.» Der Tourismus ist nach wie vor eingestellt, und alle Gästehäuser geschlossen. «So haben wir seit einiger Zeit kein Einkommen mehr», schildert Fischler. Aufgrund der schlechten Versorgungslage hat er sich mittlerweile entschieden, den Traum von der Cafeteria aufzugeben. Für die Zeit, in welcher wieder Touristen ins Land kommen werden, möchte er dafür im Gästehaus ein zusätzliches Familienzimmer einrichten. Einer seiner Lichtblicke ist, dass man jetzt auch auf Kuba mit Impfen begonnen hat.
Die Hoffnung, dass sich in seiner Wahlheimat wirtschaftlich etwas verbessern wird, ist nicht gross. Dies obschon Mitte Juli in den kubanischen Städten viele Menschen auf die Strasse gingen und gegen die Regierung und den katastrophalen Zustand im Land demonstrierten.
Vorerst keine Auszeit in der Schweiz
«Eigentlich hätte ich eine längere Auszeit in der Heimat nötig», sagt der Ur-Möhliner und leidenschaftliche Fasnächtler. Nachdem es letztes Jahr aufgrund von Corona nicht geklappt hatte, wollte er diesen Sommer unbedingt in die Schweiz kommen. Die Fluggesellschaft, bei welcher er noch ein gültiges Ticket des vergangenen Jahres hatte, hat bis Ende Jahr jedoch alle Flüge gestrichen.
«Das Letzte, was wir jetzt noch brauchen könnten, wäre ein Hurrikan.» Diesen Sommer blieb Kuba bis jetzt vor schlimmen Wirbelstürmen verschont. Markus Fischler und seine Familie bleiben aber gerüstet und verbarrikadieren ihr Haus jedes Mal, wenn ein Sturm im Anzug ist. Auch fast tägliche Stromausfälle von drei bis sechs Stunden machen den Menschen in Kuba das Leben schwer.
«Ich lebe hier in Baracoa an einem wunderschönen Fleck dieser Erde. Eine kleine überschaubare Stadt direkt am Meer mit ein paar schönen Stränden und mehreren glasklaren Süsswasserflüssen, die zum Baden einladen. Aber was nützt das alles, wenn sich die Lebensumstände ständig verschlechtern», sagt der Mann, der seit 1996, als er erstmals in den karibischen Inselstaat reiste, das Kuba-Virus in sich trägt.
Obschon es im Paradies momentan alles andere als paradiesisch ist, gibt der 63-Jährige nicht auf. Er beisst durch und hofft auf bessere Zeit. Und dass er irgendwann das wunderschöne Leben, wovon er während Jahren geträumt hat, leben kann.