Das versteckte Wandbild

  02.07.2021 Rheinfelden

Die Stadtkirche St. Martin beherbergt viele Schätze

Hinter dem Chorgestühl in der Rheinfelder Stadtkirche verbirgt sich ein Wandbild aus dem 14. Jahrhundert. Nur durch Zufall ist es 1986 wiederentdeckt worden. Bei Stadtführungen kann es manchmal besichtigt werden.

Valentin Zumsteg

Kirchen sind wahre Schatzkammern. Für die Rheinfelder Stadtkirche St. Martin gilt dies in besonderem Masse, verbirgt sie doch so manches Geheimnis. Fast wie in einem Dan Brown-Roman mag es erscheinen, wenn der Rheinfelder Stadtführer Robi Conrad zum nordseitigen Chorgestühl schreitet und dort mit geübtem Griff einen Teil der geschnitzten Rückwand aus dem Rahmen hebt. Was mag sich dahinter verbergen? Ein Geheimgang, eine Fluchttür oder das Versteck der Bundeslade?

Betende Frauen als Zeuginnen
Nun, nicht ganz. Aber Conrad gibt damit den Blick frei auf eine Wandmalerei in der Nische eines ehemaligen Wandgrabes. Das Bild zeigt in schwachen Farben betende Frauen als Zeuginnen der Kreuzabnahme. Daneben kniend, aber kaum zu erkennen, ist der adelige Stifter unter seinem Wappen. Gemäss Restaurator Bruno Häusel könnte es sich dabei um die Grabstätte von Heiden von Hertenberg, Anfang des 14. Jahrhunderts Schultheiss von Rheinfelden, handeln. Auf dem Wandbild sind drei Frauen, alle mit Heiligenschein, relativ gut auszumachen, die vierte kann der Betrachter erahnen. «Bei der ersten Frau könnte es sich um Maria Magdalena gehandelt haben. Das ist aber nicht verbürgt», erklärt Robi Conrad.
Laut Kunsthistorikern stammt das Wandbild aus der Zeit zwischen 1300 und 1310 – es ist also über 700 Jahre alt: «Das wohl von einer Basler Werkstatt ausgeführte Wandbild reflektiert hochgotische französische Vorlagen und steht auf einer Entwicklungsstufe, die der ausgereiften Form der christologischen Fenster in Königsfelden unmittelbar vorausgeht», heisst es dazu im Buch «Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Band IX».

Erst vor 35 Jahren wiederentdeckt
Im Laufe der Jahrhunderte ist das Bild allerdings in Vergessenheit geraten und erst 1986, bei einer archäologischen Untersuchung, wiederentdeckt worden. «Das war damals eine grosse Überraschung», weiss Conrad. Weil das Bild die meiste Zeit hinter dem Chorgestühl verborgen liegt, ist es vor Licht geschützt, das trägt zum Erhalt bei. «Bei Stadtführungen zur Kirchengeschichte zeige ich es aber gerne. Der Aha-Effekt ist jeweils gross, wenn ich die Rückwand des Chorgestühls entferne», sagt Robi Conrad. Das Geheimnis des Wandbildes hat die Kirche preisgegeben – viele andere vergessene Schätze mögen vielleicht noch im Versteckten liegen und ihrer Entdeckung harren.


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