«Kontakt für mich und Hilfe für andere»

  04.01.2021 Rheinfelden

Kavitha Raveenthiran hilft, Brücken zwischen Tamilen und Schweizern zu bauen

Seit 2002 lebt Kavitha Raveenthiran in der Schweiz. Ihr ist es wichtig, integriert zu sein und anderen Tamilen dabei zu helfen, im Fricktal Fuss zu fassen. Sie engagiert sich daher seit Jahren in verschiedensten integrationsfördernden Projekten, Vereinen und Gruppen.

Birke Luu

Eigentlich seien sie Hindus, aber Weihnachten feierten sie wegen ihrer Kinder trotzdem. Schliesslich würden sie in der Schweiz leben, da müsse man die hiesige Kultur kennenlernen und sich einfügen. Mit der Situation, zwischen zwei sehr unterschiedlichen Kulturen zu stehen, kennt sich Kavitha Raveenthiran aus. Die Tamilin kam vor 18 Jahren in die Schweiz, lebte erst sechs Monate in Frick, seitdem in Rheinfelden. Sie musste sich in dieser ihr so fremden Welt mit einem Kulturschock und der Tatsache auseinandersetzen, dass sie hier nicht auf ihre Familie zählen konnte. «Die ersten drei Jahre waren sehr schwierig. Mein Mann war arbeiten und ich allein zu Hause», erzählt sie ganz offen vom holprigen Anfang. Selbst beim Spazieren hätte sie keinen Kontakt zu Rheinfelderinnen bekommen. Die Wende ergab sich erst durch die Geburt ihrer Kinder. «Plötzlich haben mich andere Mütter, Schweizerinnen, angesprochen, mir von der Existenz einer Spielgruppe und des Elternvereins erzählt und mir geholfen, mich zurechtzufinden», schwärmt die heute 46-Jährige. Dies sei der Beginn ihrer Integration gewesen, denn manche Beziehungen seien zu festen Freundschaften geworden, für die sie sehr dankbar sei. «Heute ist alles gut; ich fühle mich wohl und integriert», strahlt die Sri Lankerin. Ihr sonniges Gemüt ist überhaupt ihr omnipräsentes Markenzeichen.

Hausbesucherin und Schlüsselperson
Wohl weil sie bei ihrer Ankunft in Rheinfelden keine besondere Integrationshilfe erlebt hatte, freut sie sich, dass dies inzwischen viel besser ist – und zwar unter anderem durch ihr eigenes Engagement. Von 2011 bis 2015 besuchte sie beispielsweise für den Verein «Erziehung und Bildung» tamilische Familien und brachte diesen das Basteln und Brettspiele näher. «Vor dem Kindergarten müssen das tamilische Kinder lernen, da in Sri Lanka nicht so gebastelt und gespielt wird wie in der Schweiz.»

Anschliessend wurde sie 2016 «Schlüsselperson» bei der Integrationsfachstelle «mit.dabei-Fricktal». Als Migrantin, die ihren Integrationsweg geschafft hat, ist sie hier Ansprechpartnerin für andere Tamilen. Dabei ginge es nicht ums Übersetzen, sondern darum, Brücken zwischen den Kulturen zu bauen und Wissen zu vermitteln. «Ich helfe Tamilen, sich im Fricktal zurecht zu finden, gebe ihnen Kontaktadressen und kenne einfach ihre Situation», erläutert Kavitha Raveenthiran. Zusätzlich gebe es immer wieder Projekte, wie aktuell den Workshop zur Umsetzung der Corona-Schutzmassnahmen auf Tamilisch, den sie organisiere. In der Stadtbibliothek stellte sie letztes Jahr mit anderen Migranten ihre Kultur den Rheinfeldern vor. Und auch am lokalen Kulturfest hatten sie einen Stand: «Wir wollen zeigen, dass wir da sind», lacht die Engagierte. «Ich helfe einfach gerne, das habe ich in meiner Heimat auch schon so gemacht», erklärt sie ihre vielfältigen Einsätze. Sie sei sehr offen, unterhalte sich gerne und langweile sich allein zu Hause. Ihre Engagements seien sowohl Hilfe für andere als auch Hilfe zur Selbsthilfe. «Ich bekomme Kontakt und die anderen meine Unterstützung.»

Freiwillige Gärtnerin und Lehrerin
Nicht verwunderlich, dass die Kontaktfreudige auch anderweitig noch engagiert ist. Erst war sie selbst Teilnehmerin im HEKS-Gartenprojekt, das Migrantinnen im Familiengartenverein für zwei Jahre eine Gartenparzelle überlässt – zur Bewirtschaftung inklusive integrativen Gemeinschaftsaktivitäten. Da sie das Gärtnern immer schon geliebt hat, blieb sie dort und unterstützt seit nunmehr elf Jahren als Freiwillige alle Garten-Neulinge.

Doch die Mutter von zwei Teenagern hat noch mehr Power. In Sri Lanka war sie gerade Sportlehrerin geworden, als ihre Eltern ihre Ehe mit einem Tamilen arrangierten, der schon seit zehn Jahren in der Schweiz lebte. Schweren Herzens folgte sie ihrem Mann nach Europa und liess ihre Eltern allein in der Heimat zurück. Dies schmerzt Kavitha Raveenthiran noch heute, doch ihre nicht besonders wohlhabenden Eltern wollten ein besseres Leben für ihre Tochter. Daher der Weg ins Ausland, welcher zum Abbruch ihres Lehrerinnenjobs führte. Doch als ihre beiden Kinder älter waren, machte die Umtriebige in der Schweiz eine Ausbildung als Sprachlehrerin für Tamilisch und unterrichtet nun seit sieben Jahren in Möhlin einmal wöchentlich tamilische Kinder in ihrer Heimatsprache und -kultur. Alles zwar auf freiwilliger Basis, aber es rufe gute Erinnerungen an ihren ersten Lehrerinnenjob in Sri Lanka hervor, strahlt sie.

Mit Geduld und Freundlichkeit
Bei all diesen ehrenamtlichen Tätigkeiten braucht es doch auch wenigstens einen Job, der Kavitha Raveenthiran etwas finanzielle Sicherheit gibt. Vor zwei Jahren machte sie sich an dieses neue Projekt, wollte Kassiererin werden. Bei der Beratungsstelle schlug man ihr hingegen Pflegerin vor. «In meiner Heimat hatte ich Lehrerin oder Krankenschwester werden wollen, da ich sehr geduldig bin. Der Vorschlag kam mir also sehr entgegen», lacht sie. Seit einem Jahr nun arbeitet sie im Rheinfelder Altersund Pflegeheim Lindenstrasse. Hier kommen ihre Geduld, Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit gut an. Sie fühlt sich integriert, bekommt von ihren Schweizer Kolleginnen auch Geschenke zu Weihnachten. «Ich werde immer Tamilin bleiben, aber ich lebe hier und möchte hier integriert sein, mit Schweizern zu tun haben und deren Kultur und Regeln kennen», lautet ihr Fazit. Sie ist dankbar, dass sie dies erreicht hat – ihre Engagements waren dabei sowohl Hilfe für andere wie auch Hilfe zur Selbsthilfe.


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