Zum Gedenken
29.12.2020 FricktalUrs Sandmeier
Gigi, der hier portraitierte Cartoonist aus Leidenschaft, kam vor 77 Jahren in Basel als Urs Sandmeier in einfachen Verhältnissen zur Welt. Offenbar war «gigi» sein erstes Wort, weshalb ihn seine Eltern fortan im Familienkreis liebevoll mit dieser Silbenverdoppelung angesprochen haben. Aber der Zufall wollte es, dass Urs im Skilager – er besuchte das HG in Basel – ein Päckli mit Süssigkeiten zum Verteilen an seine Kameraden erhielt, und diese den Begleitbrief mitbekamen. Darin hiess es: «Lieber Gigi …». Der Spitzname wurde vorerst scherzhaft herumgeboten, ist aber dem Knaben, auch als er zum Mann geworden war, einfach nicht mehr abhanden gekommen. Er ist vielmehr zum Künstlernamen mutiert und sogar zum Markenzeichen seiner zeichnerischen Werke geworden, denn diese wurden von jedermann durch all die Jahrzehnte hindurch sofort als Gigi-Cartoons erkannt. Ihr Stil war immer derselbe: Etwas knorrig, mit Feder und Tinte gezeichnet, manchmal aquarelliert, mit knappen, gut beobachteten Details gespickt und liebenswert lustig, nie wirklich böse, aber oft schon zum Nachdenken anregend, besonders wenn’s um Politisches ging. Seit er sich erinnern konnte, zeichnete er ununterbrochen, was er beobachtete, was ihm einfiel oder wenn er zum Illustrieren von Büchern, Schnitzelbänken, Fasnachtslaternen oder Geburtstagskarten angefragt wurde. Er ist zwar Zahnarzt geworden, halb Medizinmann – halb Handwerker, aber es ist kaum je ein Tag vergangen, ohne dass er nicht noch abends schnell an seinen Arbeitstisch eilte, um eine zeichnerische Idee loszuwerden. Generell verarbeitete er so seine persönlichen Erlebnisse, wobei manchmal der Kopf erst später erkannte, was seine Hand mit Bleistift bereits auf dem Papier skizziert hatte. Seine Sprache waren Zeichnungen. Auch mit seinen beiden Töchtern, die beide heute in gestalterischen Berufen tätig sind, hat er jahrelang so kommuniziert und sie mit selbsterfundenen Geschichten in Bildern beschenkt. Die kleine Enkelin nannte ihren Grossvater «Gigi», seit sie zu sprechen begonnen hatte.
Die Idee zu einem Cartoon kommt meist aus der Luft, erklärte Urs Sandmeier noch kurz vor seinem Tod, und sie ist immer sehr persönlich gefärbt. Er stellte seine ureigenen Emotionen dar, die etwa bei der Arbeit, beim Reisen, Zeitungslesen, beim Betrachten der Leute in seiner Umgebung oder später auch beim Fernsehschauen entstanden. So gibt es Tausende von Zeichnungen, die in einer Schublabe lagern oder meist auch zum Altpapier wanderten, weil sie für einen Aussenstehenden nicht nachvollziehbar wären, wie er meinte. Hat dem Nebelspalter dann doch einmal ein Gigi-Cartoon ins Konzept gepasst, wurde er gedruckt und eine kleine Gage für den freien Mitarbeiter flatterte ins Haus. Ein Foto hat er sein Leben lang kein Einziges gemacht, Smartphone hin oder her. Für ihn gab es nur das Zeichnen, um Momente festzuhalten. Ging er zum Fischen oder drei Tage weg an die Fasnacht, fand die Familie einen kleinen Platzhalter aus Karton irgendwo im Haus als «Komm-gleich-wieder-Zeichen».
Obwohl seit 46 Jahren sehr glücklich in Möhlin zu Hause hat es Urs Sandmeier jedes Jahr magisch zur Basler Fasnacht hingezogen, wo er erst Piccolo pfiff, dann trommelte und seiner Clique als Laternenmaler, Sujets-Gestalter und Obmann lange Zeit diente. Er hatte die Menschen gern und man mochte landesweit diesen unkonventionellen, begeisternden und feinfühligen Mann, der mit dem Alter immer noch verständnisvoller und sanfter geworden ist, wovon seine letzten Cartoons zeugen, die sich noch halb fertig auf seinem Zeichentisch stapeln.