Pflanzenkübel, Pfandflaschen und 15000 Pakete

  18.06.2020 Rheinfelden

Zahlreiche Fricktaler kauften nach der Grenzöffnung wieder in Deutschland ein

Der grosse Ansturm an Einkaufstouristen blieb aus; die Läden in Bad Säckingen und Badisch Rheinfelden waren allerdings morgens überdurchschnittlich besucht. Bei den Paketshops gab es sogar Wartezeiten bis zu anderthalb Stunden.

Boris Burkhardt

BAD SÄCKINGEN/RHEINFELDEN DE. Ja, sie kamen: Wie am 16. März, als viele Schweizer früh morgens noch einmal die deutsche Grenze überquerten, um vor der Grenzschliessung um 8 Uhr noch zu den Läden zu kommen, gab es auch am Montag, dem Tag der Grenzöffnung drei Monate später, vor 8 Uhr Stau vor dem deutschen Autobahnzoll in Rheinfelden. Viel hatten Detailhandel, Gastronomie, Politik und Medien auf der deutschen Seite der Grenze orakelt, wie die Schweizer wohl am ersten Tag auf die Grenzöffnung reagieren würden. Darüber hinaus hatte eine peinliche Kommunikationspanne der deutschen Behörden in den vergangenen Tagen erst in der Nacht auf Sonntag Klarheit gebracht, dass die deutschen Grenzen tatsächlich am Montag und nicht erst am Dienstag öffnen würden.

Der grosse Ansturm blieb noch aus
Nun denn, die Schweizer bescherten vielen deutschen Läden unter anderem in Badisch Rheinfelden und Bad Säckingen einen überdurchschnittlichen Montag (verglichen mit der Prä-Corona-Zeit). Der grosse Ansturm fand aber nicht statt. So ist es auch am Nachmittag auf dem Brennet-Areal in Bad Säckingen relativ ruhig: Es sind eh nur wenige Autos auf dem Parkplatz; die Minderheit hat Schweizer Nummernschilder, AG, ZH, selten auch BE und LU. Hier auf dem Brennet-Areal finden mit Schmidts Märkte, Lidl, Aldi und Fressnapf die von Schweizern meist frequentierten Läden zusammen.

Am Morgen zwischen 9 und 10 Uhr sei deutlich mehr losgewesen, sagt Marktleiterin Katharina Kaiser von Schmidts Märkte, der regionalen Edeka-Gruppe im Hotzenwald: Das Einzugsgebiet reiche normalerweise bis zum Zürichsee. Mit der Mundschutzpflicht, die in Baden-Württemberg herrscht, habe es «erstaunlich wenig» Probleme gegeben: «Die meisten Schweizer Kunden hatten einen Mundschutz dabei.» Wenn nötig, hätten sie aber Einwegmasken zum Verkauf angeboten. Im Gegensatz zu vielen Läden verzichteten Schmidts Märkte auf Security-Mitarbeiter: Lediglich je ein Mitarbeiter stand an den zwei Eingängen, kontrollierte die Einhaltung der Hygienemassnahmen und zählte die Besucher im Laden.

Ein deutsch-schweizerisches Pärchen aus Wohlen hat für 250 Euro Lebensmittel eingekauft. Sie kamen auch vor Corona regelmässig nach Bad Säckingen. Er ist Deutscher, wie er erzählt; er habe sich aber auch in den vergangenen Wochen nicht getraut, in Deutschland einzukaufen. Auch ein Elternpaar mit Baby aus Zeiningen kam zuvor schon regelmässig in Schmidts Märkte, vor allem wegen des Fleischs von regionalen Erzeugern im Schwarzwald. Sie haben nur für 100 Euro eingekauft; und der Mann rechnet vor, dass er während der drei Monate in der Schweiz für dieselben Produkte das Drei- bis Vierfache habe zahlen müssen. Eine Wittnauerin war zunächst im Baumarkt Pf lanzenkübel kaufen. Sie trägt schon auf dem Parkplatz Mundschutz, obwohl die Pf licht nur für Gebäude gilt: Das Tragen sei in Ordnung, meint sie; sie gehe schliesslich nicht jeden Tag in Deutschland einkaufen.

Lange Warteschlangen bei den Paketdiensten
Wenn es am Montag einen Ansturm an Schweizern gab, dann bei den Paketdiensten. Im «My Paketshop» in der Wallbacher-Strasse in Bad Säckingen hatte Inhaber Simon Kühn mit drei Vollzeitstellen, zwei Teilzeitstellen, sieben Minijobbern auf 450-Euro-Basis und seiner Familie den ganzen Tag alle Hände voll zu tun: Er öffnete schon früher als vorgesehen, um der teilweise bis zu 100 Meter langen Schlange vor seinem Geschäft Herr zu werden, und versprach, auch nach Ladenschluss den letzten Kunden zu bedienen. Zwischen 9 und 11 Uhr seien über 1000 Pakete abgeholt worden, berichtet Kühn, soviel wie sonst an einem Tag. Die Kunden hätten allerdings bis zu 90 Minuten warten müssen. Insgesamt habe er am Montag 15 000 Pakete im Lager gehabt.

Nach Feierabend nahm die Schweizer Kundschaft nochmal etwas zu. So kaufte auch eine junge Mutter im Drogeriemarkt dm in der Güterstrasse in Badisch Rheinfelden für 170 Euro Hygieneartikel. Für sie ist vor allem das grössere Angebot in Deutschland der Grund, dort einzukaufen. Ihr Walliser Kennzeichen täuscht allerdings: Sie ist heute nur hier, weil sie ursprünglich aus dem Schweizer Rheinfelden kommt und ihre Eltern besucht. Auch ein älterer Herr aus Kaiseraugst hat nur gezielt einige Dinge im dm eingekauft, die er in der Schweiz nicht bekommt. Fast stolz zeigt er seinen modernen Nagelknipser: In der Schweiz gebe es die nur in der alten, unhandlichen Form. Im Hieber-Parkhaus in Badisch Rheinfelden lud ein Ehepaar aus der Schwesterstadt mindestens sechs grosse Einkaufstüten mit Pfandflaschen in die Einkaufswägen. Die habe ihnen ein deutscher Bekannter regelmässig mitgebracht, erzählt er und lacht. Bis zum Montag seien die Pfandflaschen auf dem Balkon aufbewahrt worden.

Viele Kunden am Wochenende erwartet
Die Hieber-Gruppe, die mit ihren Lebensmittelmärkten vor allem in Badisch Rheinfelden und Grenzach-Wyhlen von Fricktaler Kundschaft profitiert, wollte sich gestern im Gegensatz zu den vergangenen Wochen nicht mehr zum Thema Grenzöffnung und Einkaufstourismus äussern. Dem Augenschein nach bot sich dort aber ein ähnliches Bild: ein gut frequentierter Montag ohne den befürchteten Ansturm. Mit diesem rechnen viele Detailhändler am Wochenende und in der kommenden Woche, wenn in der Schweiz die Gehälter ausbezahlt wurden. Der dm in Badisch Rheinfelden hat deshalb für zwei Wochen die Öffnungszeiten von 8 bis 20 auf 7 bis 21 Uhr verlängert. In Bad Säckingen rechnet Marktleiterin Kaiser ausserdem mit mehr Schweizer Kunden am heutigen Donnerstag, wo es unabhängig von Corona und Grenzöffnungen jede Woche eine Gutscheinaktion gibt.


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