Geschichte(n) und Hintergründe zur Fastenzeit

  08.03.2020 Fricktal, Religion

Mit dem Aufkommen des Christentums in Europa, nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches, wurde auch die Fastenzeit ins Leben gerufen.

Robi Conrad

Im Lauf der Geschichte haben sich die Regeln und Verbote zur Fastenzeit immer wieder geändert. So legte Papst Gregor I. im Jahr 590 fest, dass in der Fastenzeit vor Ostern der Verzehr von warmblütigen Tieren verboten ist. Auch andere tierische Produkte wie Eier, Milch, Butter und Käse sowie Alkohol standen auf der Verbotsliste. Ausserdem war nur eine Mahlzeit am Tag erlaubt. Diese Fastenregeln hatten über mehrere Jahrhunderte Bestand, bis sie Mitte des 16. Jahrhunderts von Papst Julius III. gelockert wurden und nur noch auf Fleisch verzichtet werden sollte. Fisch, Mehlspeisen und viel vegetarische Kost standen fortan auf den Speisezetteln.

Wann ist Fastenzeit?
Die Fastenzeit beginnt mit dem Aschermittwoch und erreicht ihren Höhepunkt mit dem Karfreitag, der zugleich auch ihr Ende ist. Am Karfreitag wird in besonderer Weise dem Kreuzestod Jesu Christi gedacht. Dieses Jahr dauert sie vom 26. Februar bis zum Karsamstag, 11. April.

Die Fastentermine der nächsten zwei Jahre sind im 2021 vom 17. Februar bis zum 1. April und im 2022 vom 2. März bis zum 13. April. Sie leiten sich ab vom Osterdatum, welches der erste Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling ist.

Traditionelle Fastenspeisen
Seit Papst Gregor I. den Verzehr von warmblütigem Fleisch verboten hatte, war Fisch ein beliebter Fleischersatz. Doch vor allem im Landesinneren und in Gegenden ohne grosse Fischbestände in Seen oder Flüssen war Fisch sehr teuer und auch schwer zu beschaffen. Die Klöster legten deshalb oftmals eigene Fischteiche mit Karpfen, Forellen und Hechten an, um den Bedarf an frischem Fisch zu sichern.

Einfallsreiche Mönche – Trickreich durch die Fastenzeit
Doch gerade im Mittelalter war der Alltag der Menschen von schwerer körperlicher Arbeit geprägt und sie waren auf kalorienreiche, nahrhafte Speisen angewiesen. Frei nach dem Motto «zu jedem Verbot gibt es Ausnahmen» wurden vor allem in den Klöstern hilfreiche Tricks erdacht, um die strengen Fastenregeln zu umgehen. So wurden Vögel und Gef lügel kurzerhand zu Wassertieren erklärt und als solche mit Fischen gleichgesetzt, weil sie laut der Schöpfungsgeschichte am selben Tag erschaffen wurden. Auch Biber zählten wegen ihres geschuppten Schwanzes zu den Fischen. Ein Ferkel, das in einen Brunnen geworfen wurde und dort ertrank, war nach der fantasievollen Auslegung der Klosterbrüder ebenfalls ein Wassertier.

Wo sich kein Hintertürchen zur Umgehung des Fleischverbotes finden liess, waren die Mönche und Nonnen besonders kreativ bei der Sache. Die bekannteste Tarnung des Fleisches ist wohl die schwäbische Maultasche, im Volksmund auch «Herrgotts B’Scheisserle» genannt. Der Überlieferung nach kamen die Mönche des Klosters Maulbronn während der Fastenzeit an ein Stück Fleisch. Damit Gott ihr Fastenbrechen nicht bemerkte, hackten sie das Fleisch klein, mischten es mit Spinat und Kräutern und versteckten es unter einem Teigmantel. In vielen Teilen Schwabens werden Maultaschen traditionell an Gründonnerstag und – um nichts verderben zu lassen – sogar an Karfreitag in allen Variationen gegessen.

Fastenbier
Beim Bier waren die mittelalterlichen Mönche besonders erfinderisch, weil ja auch Alkohol in der Fastenzeit verboten war. Sie brauten ein Starkbier, das besonders nahrhaft war und mit dem sie ihren Kalorienbedarf auch in der Fastenzeit decken konnten. Sie beriefen sich dabei auf die Regel «Liquida non frangunt ieunum – Flüssiges bricht Fasten nicht» und schickten eine Kostprobe des Fastenbiers nach Rom, um sich vom Papst den Genuss genehmigen zu lassen. Bis es in Rom ankam, war das Bier allerdings verdorben und der Papst befand, dass dieses ungeniessbare Getränk gerade recht für die Fastenzeit sei. Angeblich war es den Mönchen erlaubt, in der Fastenzeit fünf Liter Bier täglich zu trinken. Diese starken Fastenbiere wurden im Volksmund auch als «flüssiges Brot» bezeichnet.

Fastenbretzel (bei uns Fastenwähen)
Die Fastenbretzel haben ihren Ursprung im süddeutschen Raum. Im Mittelalter wurden Brezeln wegen der aufwendigen Herstellung nur während der Fastenzeit gebacken. Die Fastenbrezel symbolisiert mit ihren verschlungenen «Ärmchen» die verschränkten Arme betender Mönche, ihr Name leitet sich vom lateinischen Wort «brachium» (Arme) ab. Von Aschermittwoch an wurden die Fastenbrezeln in Klöstern an Arme und Kinder verschenkt. Die Fastenwähe (nomen est omen) ist ein Gebäck, das auschliesslich während der Fastenzeit in Süddeutschland und im Raum Basel und Umgebung gebacken wurde. Da es nur ganz wenige Quellen darüber gibt, umranken das Gebäck zahlreiche Legenden. Aber im Rheinfelder Stadtarchiv gibt es eine Art Marktverordnung von 1554, welches bis jetzt die älteste je entdeckte Quelle darstellt, in der die «Fastenweyen» erwähnt werden. Orginaltext: «Uff disenn thag ist es den Beckenn firgeladen worden das sÿ hinfüran, es sÿ Ringg, wöggenn und fasten weggen zu Hellerwert bachen und verkauffen.»

Die Fasten- oder Hungertücher
«Am Hungertuch nagen» ist eine Sprachmutation und hiess ursprünglich «Am Hungertuch nähen» – dies war eine derart mies bezahlte Arbeit, dass man sich über die Näherinnen lustig machte und meinte, dass der Hunger sehr gross sein müsse, wenn jemand bereit war, diesen Hungerlohn zu akzeptieren.

Das Fastentuch (auch als Fastenvelum, Hungertuch, Palmtuch, Passionstuch oder Schmachtlappen bezeichnet) hat den Zweck während der Fastenzeit in katholischen Kirchenhäusern die bildlichen Darstellungen Jesu (Kruzifix) zu verhüllen. Das Passionstuch geht auf den jüdischen Tempelvorhang zurück. In den Evangelien wird berichtet, dass der Vorhang in dem Moment zerrissen ist, als Jesus am Kreuz starb. Aktuell verfügen nur noch ganz wenige Kirchen in Europa über ein solch historisches Tuch, das während der Fastenzeit über den jeweiligen Hochaltar gehängt wird.

Wann werden Fastentücher aufgehangen?
Das Fastentuch wird in der Regel am Aschermittwoch im Chorraum der Kirche (darum der lateinische Name «velum quadragesimale» oder «velum templi», was mit «Tuch der 40 Tage» bzw. mit Tempelvorhang übersetzt wird) aufgehängt und erst am Karsamstag (früher hing es bis zur Komplet am Karmittwoch) wieder entfernt wird.

Das grösste heute noch erhaltene Fastentuch ist das ca. zehn mal zwölf Meter grosse und über eine Tonne schwere Fastentuch von 1612 – es hängt zur Fastenzeit im Münster von Freiburg i.Br.

Das Rheinfelder Fastentuch
In der Stadtkirche St. Martin in Rheinfelden hängt eines von diesen noch existierenden Tüchern. Das Foto zeigt, wie das Leinen-Tuch von 1607 an diesem Aschermittwoch aufgehängt wurde. Dieses Tuch wurde anlässlich einer Zivilschutzübung 1977 durch Zufall entdeckt – vorher wusste man nichts von seiner Existenz. Es stellt eines der kulturhistorischen Juwelen des Fricktals dar und wird jedes Jahr von vielen Personen in dieser Zeit besucht. Tourismus Rheinfelden bietet spezielle Kirchen-Führungen an (Unentdeckt – Versteckte Geschichten in der Kirche zu St. Martin).

Das wohl berühmteste Fastentuch / Hungertuch ist das grosse Fastentuch von 1472 in Zittau (D). Es erzählt in 90 Bildern die Geschichte Gottes mit den Menschen.


Die Zahl 40

Die Zahl 40 hat sowohl im Alten als auch im Neuen Testament eine besondere Bedeutung. 40 Tage blieb Moses auf dem Berg Sinai, bis er von Gott die Zehn Gebote erhielt. 40 Tage und Nächte dauerte der Regen der Sintflut an und genauso lang wartete Noah, nachdem die Berge wieder sichtbar waren, bis er ein Fenster seiner Arche öffnete und einen Raben fliegen liess. Nach dem Auszug aus Ägypten wanderte das Volk Israel 40 Jahre durch die Wüste. 40 Tage verbrachte Jesus betend und fastend in der Wüste, um sich auf seine Sendung vorzubereiten. Und auch die Fastenzeit von Aschermittwoch bis Ostern dauert 40 Tage. Bei dieser Rechnung gibt es allerdings einen kleinen Trick: eigentlich sind es 46 Tage, aber die Sonntage zählen nicht zur Fastenzeit, da der Sonntag als Erinnerung an die Auferstehung Jesu ein Tag der Freude sein soll.


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