So frisch und grün
01.09.2019 RheinfeldenOberhof ist zwar klein, nichtsdestotrotz oder gerade deshalb sehr liebenswert. Das wird deutlich beim Spaziergang mit den beiden Freundinnen Melanie Saleschak (vorne) und Salome Fricker durch «ihr» Dorf. Oberhof hat nicht allzu viel an Infrastrukturen zu bieten, nicht einmal einen Laden. Aber man kennt sich und es entsteht ein Familiengefühl. Und das ist viel mehr wert als alles andere, finden die beiden. (mih)
«Nach der Arbeit freue ich mich, nach Hause zu kommen»
Mit zwei Freundinnen unterwegs in ihrem Oberhof
Das kleine Dorf unterhalb des Benkerjochs ist die Heimat von nur 605 Einwohnerinnen und Einwohnern und das wird hier geschätzt. Ganz nach dem Motto: «Jeder kennt Jeden und ist für Jeden da», leben die Leute hier in ihrem idyllischen Dörflein.
Miriam Häusler
«Ich finde es toll, dass wir so ein kleines Dorf sind!», sagt Salome Fricker (17) stolz, als wir eine kleine Runde um das Dorf Oberhof gehen. Ihre, seit frühster Kindheit, beste Freundin Melanie Saleschak (16) nickt zustimmend und blickt auf das schöne, kleine Dorf hinunter, welches gerade noch von der untergehenden Sonne beleuchtet wird. Die beiden Freundinnen leben seit ihrer Geburt in Oberhof und könnten sich nicht vorstellen, an einem anderen Ort aufgewachsen zu sein. «Ich würde nichts rückgängig machen wollen, ich bereue nichts und bin froh hier aufgewachsen zu sein», so Salome. Für immer hierbleiben wollen die beiden aber auch nicht. Irgendwann wollen sie schon einmal weg von hier, vielleicht einfach nicht zu weit. Später in einer Stadt zu leben steht für sie als Option offen, doch wenn sie einmal eine Familie haben, dann sollen ihre Kinder auch in einem Dorf aufwachsen können. Wir kommen bei einer Bank an und setzen uns für einen kleinen Moment.
Schöne Spaziergänge
Die beiden Freundinnen treffen sich nach Möglichkeit jeden Abend für einen Spaziergang und legen bei dieser Bank eine kleine Pause ein. «Von hier oben sieht man schön auf unser kleines Dorf und die Umgebung. Wir brauchen diese gemeinsamen Spaziergänge um den Stress des Tages hinter uns zu lassen und einfach abzuschalten», erklärt mir Melanie. «Das ist auch etwas, was mir an Oberhof gefällt, man hat hier so viele Möglichkeiten, auch ausserhalb des Dorfes lange Spaziergänge zu machen und man kann nicht nur um die Häuser ziehen.» Den abendlichen Spaziergang, welchen wir dieses Mal zu dritt machen, starten wir auf dem Adlerplatz. Von dort aus geht es zum «Chindsgi», wo die zwei jungen Frauen ihre ersten Kindheitsjahre verbracht hatten. Der Kindergarten grenzt an die kleine Kapelle von Oberhof. Auf dem Spielplatz erinnern sich die beiden an ihre Kindergartenzeit zurück. «Ich war schon lange nicht mehr hier. Früher hat das alles noch etwas schöner und ungebrauchter ausgesehen», witzelt Melanie zu Salome und verkneift sich ein Lachen.
Acht Schüler pro Klasse
Damals im Kindergarten und auch später in der Schule waren sie immer acht Schüler in ihrer Klasse. Vier Mädchen und vier Knaben. Und das war schon eine grosse Klasse für dieses kleine Dorf. In der Schule hat man dann einfach immer zwei Klassen zusammengenommen, dadurch waren es natürlich auch mehr Kinder pro Schulzimmer. Wir folgen dem Stichwort und gehen zur Primarschule von Oberhof. Auf dem Weg passieren wir ein Haus, welches früher einmal der Volg war. «Weil er nicht mehr rentierte, wurde er geschlossen», erzählt Melanie. «Einen Milchkasten hatten wir mal noch, der ist jetzt aber auch weg und eine Garage steht an seiner Stelle. Alles was wir noch haben, ist ein Coiffeur und ein Traktorenladen», fügt Melanie grinsend an.
Eine kleine Familie
Auf dem Weg zur Schule begegnen wir ständig Leuten aus dem Dorf. Man grüsst freundlich und schenkt sich ein Lächeln. «Wir sind hier wie eine kleine Familie. Jeder kennt jeden, was natürlich auch seine Vor- und Nachteile hat. Aber es ist schön, man fühlt sich hier wirklich Zuhause», findet Salome. «Ja, das kann ich nur unterstreichen», fügt Melanie an. «Hier ist es so frisch. Ich freue mich immer, nach der Arbeit von Aarau nach Hause zu kommen.» Bei der Schule angekommen, zeigen die beiden mir zuerst das Schulgelände. «Die Turnhalle ist grösser als das Schulhaus», bemerkt Salome und muss lachen. Hier sind die beiden sechs Jahre lang zur Schule gegangen. Sie waren die ersten, die hier auch noch die 6. Klasse absolvieren konnten. In die Oberstufe gehen die Bezler dann in Frick und die Sekund Realschüler in Gipf-Oberfrick. Wenn man mal aus Oberhof raus möchte, dann geht man als Primarschüler nach Aarau und in der Oberstufe nach Basel. «Aarau ist einfach am nächsten und wenn man in die Oberstufe kommt, dann hat man ein TNW und kann gratis nach Basel», erklärt Salome.
Der Turnverein verbindet
Der Kern von Oberhof ist der Turnverein, erläutern die zwei. Selber sind sie nun seit etwa acht Jahren dabei. Zuerst geht man ins Mukiturnen, dann ins Kitu, dann in die Jugi und schlussendlich in den TV. «Das lustige ist, die Leiter von unserer Jugi sind jetzt mit uns im TV und wir turnen zusammen. So sieht man sich hier auch gegenseitig aufwachsen, das ist doch schön», meint Salome. In Oberhof im TV ist jeder willkommen. «Bei uns geht es nicht darum, wie gut man ist, vielmehr steht der Spass im Vordergrund. Natürlich freuen wir uns, wenn wir mal gewinnen oder Erfolg haben, aber niemand ist weniger willkommen, weil er schlechter turnt als die anderen.» Der TV in Oberhof dient auch als Treffpunkt. «Wen man sonst kaum sieht, trifft man wenigstens einmal in der Woche im TV», meint Melanie. Momentan sind die Oberhofer gerade mit den Vorbereitungen für die Turnershow im November beschäftigt und die beiden freuen sich schon sehr darauf. Wir kommen an der Seilschaukel auf dem Pausenplatz vorbei. «Hier haben wir früher immer dieses «Spiel» gemacht. Man musste versuchen, mit den Füssen den grossen Baum oder seine Äste zu berühren», erinnert sich Melanie. «Und da hinten bei der Piratenburg haben wir mal unsere Handabdrücke aufgemalt», fügt Salome an und beginnt ihre zu suchen. Melanie greift währenddessen nochmals das Thema Vereine auf und erklärt, dass der TV eigentlich der einzige eigenständige Verein in Oberhof ist. Es gibt schon noch diverse andere Vereine, wie die Jungschützen, den Männerchor oder die Musik, aber das sind alles Vereine, welche sie nicht alleine, sondern mit Wölflinswil zusammen führen.
Erfrischung im Bach
Nach dem wir ein paar Fotos geknipst haben, wollen mich die beiden jetzt an einen etwas persönlicheren Ort mitnehmen. Sie nennen es «s’ Wäldli» oder «s’ Loch». Unterwegs dorthin sehen wir rechts von uns einen grossen Hang. «Das ist unser ‹Schlittelhang›. Wenn es im Winter schneit, auch wenn es nur ein Zentimeter ist, dann findet man hier sofort ganz Oberhof am Schlitteln», erzählt Salome und zeigt auf den Hang. «S’ Loch» ist ein kleines Stück Wald am Rande des Dorfes, welches Salomes Eltern gehört. «Früher sind wir immer zu viert hierhergekommen und haben unser ‹Bandenquartier› hier gehabt. Das kleine Hüttchen da, das war unser Quartier. Das Quartier der Gummibärenbande», erinnert sich Melanie und Salome fügt an: «Oft sind wir hier auch im Bach baden gegangen oder sind von Wölflinswil nach Oberhof im Bach gelaufen, bis uns die Füsse fast abgefroren sind. Aber unsere Bachtouren waren immer toll.» Heute wird dieser Ort nicht mehr als Bandenquartier genutzt, sondern zum Zelten. «Einmal im Jahr kommen wir immer hierhin, um zu Zelten. Das ist so Tradition», erzählt Salome. Nachdem wir für ein Foto beinahe in den Bach gefallen sind, verlassen wir das Dorf und spazieren etwas nach oben. Man sieht auf das ganze Dorf hinab und für einen Moment sind wir alle still und schauen uns das idyllische Bild an. Salome durchbricht dann das Schweigen und erzählt mir von ein paar Traditionen, die jedes Jahr in Oberhof durchgeführt werden und ihr immer gerne in Erinnerung bleiben.
«Feldschlösschen» wird angezündet
Immer am ersten August wird zwischen Wölflinswil und Oberhof ein grosses 1. August Feuer angezündet. Aufgeschichtet wird es von den Jahrgängern. «Je nachdem wie gross der Jahrgang ist, sieht dann auch der Holzhaufen anders aus», sagt Salome. «Letztes Jahr haben sie ein Schiff gebaut, und in einem anderen Jahr haben sie mal das Feldschlösschen gebaut, man hat es sogar erkannt. Dieses Jahr war der Jahrgang um einiges kleiner und so ist im Vergleich zu den letzten Jahren der Scheiterhaufen kleiner geworden», erzählt sie lächelnd. Etwas anderes, worauf sich die beiden immer freuen, ist das «Strohfroh». «Der TV organisiert immer einmal im Jahr das Strohfroh. Bei der Schule werden Posten aufgestellt, die es in Vierergruppen zu absolvieren gilt. Nach den Spielen gibt es dann noch ein Fest, bei dem das ganze Dorf wieder einmal zusammenkommt und gemeinsam feiert», erklärt Melanie weiter.
Man kennt uns kaum
Wir kommen an die Strasse, die vom Benkerjoch nach Frick führt. Der Bus fährt an uns vorbei und die beiden winken. «Man kennt die Busfahrer hier und die meisten sind sehr freundlich und warten, auch wenn man noch weit weg von der Bushaltestelle ist», sagt Salome. Sie sind froh, dass es das Benkerjoch gibt. «Ohne das Benkerjoch würde man uns hier wahrscheinlich gar nicht kennen und unsere ÖV-Verbindungen wären noch schlechter als eh schon», so Melanie. «Aber am traurigsten finde ich es, wenn man uns in Küttingen nicht kennt, dabei ist das unser Nachbardorf!», ergänzt Salome. Wir gehen weiter und so sind wir bei der Bank. Salome zeigt weit in die Ferne, ans andere Ende vom Dorf. «Das da ist die Salhöhe. Dort haben wir einen Skilift. Und ob man es glaubt oder nicht, im Winter hat es da richtig Schnee und viele Leute gehen hin zum Skifahren», sagt Salome mit voller Vorfreude aufs Snowboarden.
Bei uns ist alles grün
Wir sind am Ende unseres Spaziergangs und machen uns auf den Weg zum Adlerplatz. Salome und Melanie spekulieren, was Oberhof so ausmacht. «Wir haben viele Bauern und viel Natur. Bei uns ist es überall grün. Nicht nur ausserhalb, sondern auch im Dorf selber», meint Salome. Am Adlerplatz angekommen, warten wir auf meinen Bus. Und als er dann auch endlich angefahren kommt, siehe da, wer winkt schon von Weitem – der Busfahrer. Ich verabschiede mich und steige ein. Beim Wegfahren scheint mir die Sonne ins Gesicht, der Bus ist ausser mir menschenleer und draussen ziehen Wiesen und Felder an mir vorbei.