Säckinger Bergsee als Umweltarchiv
25.01.2019 FricktalEin Glücksfall für die Paleontologie
Die Auftaktveranstaltung «Der Bergsee – Sedimentarchiv für Klima und Landschaftsveränderungen der letzten rund 50 000 Jahre» der Fricktalisch-Badischen Vereinigung für Heimatkunde lockte viele Besucher ins Trompeterschloss in Bad Säckingen.
Giuseppe Maruozzo
Mit Lucia Wick (Uni Basel) und Lucas Kämpf (TU Dresden) konnte David Wälchli, Präsident der Fricktalisch-Badischen Vereinigung für Heimatkunde (VBVH) zwei Referenten begrüssen, die die Zuhörerer schnell in ihren Bann zogen. Lucia Wick, vom Departement für Umweltwissenschaften der Universität Basel, wandte sich gleich an die Zuhörer mit der Vermutung, dass man bisher von Umweltgeschichte in Südbaden und im Fricktal wohl bisher nichts gehört habe, aber dass das weniger ein Manko der Wissenschaft sei, sondern eher mit den Verhältnissen in der Region zusammenhänge. Fügte aber sogleich hinzu, dass der Bergsee ein Glücksfall für die Paleontologie sei.
Länderübergreifende Kooperation
Das erklärt auch das gewachsene Interesse und die Zusammenarbeit mit den französischen Forschern des CRNS aus Besancon, die bereits im Jahre 2013 die ersten Bohrungen der zirka 28 Meter tiefen See-Sedimente am Bergsee durchgeführt hatten und nunmehr zu einer länderübergreifenden Kooperation geführt hat, die mit Augusta Raurica, der Kantonsarchäologie Aargau, der Vindonissa Professur und dem Landesamt für Denkmalpflege von Baden Württemberg mittlerweile auch eine institutionelle Bedeutung erlangt hat.
Bergsee und die kleine Doline auf dem Rheinfelder Berg
Es waren auch die Archäologen von Augusta Raurica, erläutert die Umweltwissenschaftlerin, die sich mehr inderdisziplinäre Einblicke von der Wissenschaft der Lebewesen und Lebenswelten aus der geologischen Vergangenheit erhofften. Da die Gletscher der letzten Eiszeit nicht so weit vordrangen, entstanden in der Nordwestschweiz keine Seen, die als Sedimentarchive hätten dienen können. Der Bergsee, dessen genaues Alter noch unbekannt ist, ist deshalb ein Glücksfall, weil er eine lückenlose Rekonstruktion der Umwelt bis weit in die letzte Eiszeit hinein ermöglicht. Mit Hilfe von Pollen- und Sedimentanalysen kann man die Entwicklung der Vegetation und des Klimas der vergangenen 50 000 Jahre rekonstruieren, wobei man sich schwerpunktmässig auf die letzten 6000 Jahre konzentriert, in denen der Mensch seine Umwelt in zunehmendem Masse beeinflusste und umgestaltete. Mit Schautafeln illustriert Lucia Wick anschaulich das Untersuchungsgebiet. Dieses umfasst den Bergsee, aber auch die kleine Doline auf dem Rheinfelder Berg am Häxeplatz, die zusammen, Aussagen zu einer vergleichbaren regionalen Entwicklung erlauben.
Lucas Kämpf von der Technischen Universtität Dresden erläuterte seinerseits die aktuellsten Bohrungen und erklärte, wie die Sedimentenkerngewinnung mit einem Kolbenlot-Stechsystem erfolgte und die Sedimentsproben dann in verschiedene Labore zur Analyse geschickt wurden. Mittels hochauflösendem Micro Core Scanning, XRF Röntgenstrahlen und Fluoreszierung schliesslich die Kernprofile erstellt wurden. Zwecks Datierung wurde die aus der Archäologie bekannte Radio-Karbon Analyse angewandt, um eine auswertbare Sedimentenchronologie zu erzielen. Das Sedimentenprofil erlaubt dann in einer Komponentenanalyse, Aussagen zur Bodenerosion.
Woher kommt das Bodenmaterial?
Ob beispielsweise in sogenannten Redox-sensitiven Elementen in den Seeprozessen Bodenmaterial von Aussen in den See gelangt ist, oder aufgrund von Sauerstoffgärung die Elemente neue Verbindungen eingegangen sind. Was wiederum andere Rückschlüsse mit organischen Elementen erlaubt.
Einflüsse des Menschen
Lucia Wick übernimmt nun wieder auf ihrem Gebiet die Ausführungen mit den Biomarkern als Indikatoren für Umweltveränderungen und erläutert, auch mit Hilfe ihres Pollendiagramms, dass die sedimentologischen und botanischen Untersuchungen übereinstimmend antropogene Aktivitäten zeigen und damit verbundene Vegetationsveränderungen und Erosionsprozesse. In der Ökologie nennt man das Eutrophierung, eine durch menschliche Aktivitäten ausgelöste Anreicherung von Nährstoffen in ursprünglich nährstoffarmen Gewässern. Algen und Wasserpflanzen können dann übermässig wachsen und tragen zu einer starken Erhöhung der Sedimentationsraten bei. Pollen sind daher gute Indikatoren für Klima, Vegetation und Landnutzung. Gehölzpollen geben Auskunft über Waldentwicklung und Waldnutzung.
Wälder wurden gänzlich umgestaltet
Erste, zum Teil irreversible Eingriffe in die Wälder erfolgten bereits im Neolithikum und der Bronzezeit (ab zirka 4000 v.Chr.). Ab der Eisenzeit wurden die Wälder gänzlich umgestaltet und intensiv genutzt (Mittelwaldwirtschaft). Der grosse Bedarf an Bau- und Brennholz in der Römerzeit und die Intensivierung der Landwirtschaft wirkten sich weiträumig auf die Landschaft aus. Waldauflichtungen und die intensivere Landnutzung seit der Römerzeit hatten eine erhöhte Eutrophierung des Bergsees zur Folge.
Nach dem Ende der letzten Eiszeit (zirka 9500 v.Chr.) wanderten die Laubbäume ein, und es entstanden Laubmischwälder mit Eiche, Ulme, Linde, Ahorn, Esche und Hasel. Um 5500 bis 5000 v.Chr. erfolgte die Ausbreitung der Schatthölzer Weisstanne und Rotbuche. Pollenfunde von Getreide und Lichtungszeigern sowie hohe Konzentrationen an mikroskopischen Holzkohlepartikeln belegen, dass sich bereits zwischen 4400 und 4000 v.Chr. die ersten steinzeitlichen Bauern in der Gegend niederliessen. Waldrodungen und Waldweide führten zum Rückgang der frass- und feuerempfindlichen Baumarten Weisstanne, Linde Ulme und zur Dominanz der Rotbuche.
Förderung der Eichenbäume
Die zunehmende Nutzung und Auflichtung der Wälder ab der Spätbronzezeit zeigt sich in der starken Präsenz von Pionierbäumen wie Birke und Hasel. Ab der jüngeren Eisenzeit ist eine Zunahme der Eiche zu beobachten, welche bereits von den Kelten für die Schweinemast gefördert wurde.
Der römerzeitliche Wirtschaftswandel ist gekennzeichnet durch eine Ausweitung der Acker- und Grünlandflächen, den Beginn des Roggenanbaus und die Kultur der ersten Walnussbäume. Die Niederwaldwirtschaft mit Hainbuche gewann ausserdem an Bedeutung. Nach dem Rückzug der Römer und während den Wirren der Völkerwanderung breiteten sich auf den verlassenen Landwirtschaftsflächen wieder Buchenwälder aus, bis im Mittelalter (ab zirka 700-900 n.Chr.) mit Einsatz von Feuer grossflächig gerodet wurde und eine Kulturlanschaft von heutigem Ausmass entstand. In der Neuzeit ab dem 16./17. Jahrhundert, tauchen Pollenkörner von eingeführten Zier- und Kulturplanzen auf, wie Rosskastanie, Robinie oder Mais.