Welches Zukunftspotenzial hat die Aquakultur?

  17.10.2024 Wirtschaft

Swissness ist gefragt und Fischkonsum wird als Alternative zum Fleischkonsum propagiert. Eine Kombination mit Chancen und Risiken.

Peter Jossi (LID)

Mit Blick auf die reale Entwicklung der vergangenen Jahre haben sich Aquakulturen, als Oberbegriff für alle Wassernutztierhaltungen, auf Landwirtschaftsbetrieben zumindest bisher nicht als Zukunftsbranche erwiesen. Erfolgsmodelle bewähren sich eher ausserhalb der Landwirtschaftszonen unter Voraussetzungen der klassischen Gewerbe- und Industrieareale. Diese Standortbestimmung ist kaum ein Zufall, denn gefragt ist ein spezifisches Knowhow, das nur ansatzweise mit der klassischen landwirtschaftlichen Berufsausbildung abgedeckt ist. Selbst die klassischen Forellen- oder Karpfenteiche sind auf Schweizer Höfen eher die Ausnahme. Die traditionelle Schweizer Nische mit Blick auf den Gesamtmarkt bildet die professionelle Seefischerei, oft seit Generationen in der Hand von Familienbetrieben. Ein Ausbaupotenzial ist hier mit Blick auf die vielfältigen Zielkonf likte und die beschränkte Nachfrage sowie aus Umwelt- und Tierwohlsicht kaum realistisch.

Gewusst was …
Wer sich über diese beschränkten Nischenmärkte hinaus mit der Aquakultur positionieren will, sollte zuerst eines tun: Sich sehr intensiv mit der Materie befassen. Einer, der dies aus unabhängiger Warte seit vielen Jahren tut, ist Billo Heinzpeter Studer. Er gründete 2000 den Verein «fair-fish», wirkte jahrelang als Geschäftsleiter und später bis zu seinem Rücktritt 2023 als Präsident.

Ein Grundproblem der Aquakultur in der Schweiz wie in allen Ländern, die den westlichen Markt bedienen, sei die Konzentration auf Raubfische, so Billo Heinzpeter Studer. Diese benötigten alle Fisch im Futter und die artgerechte Haltung sei letztlich kaum möglich. Für einheimische Fischarten sehe die Situation kaum besser aus: «Forellen, Lachse, Egli oder Zander sind von ihrer Biologie her nicht geeignet für die Zucht», ergänzt er. Nach heutigem Wissensstand gibt es nach Einschätzung von Billo Heinzpeter Studer nur zwei Fischarten mit einem hohen Potenzial dafür, sich auch in Gefangenschaft wohlzufühlen: Tilapia, eine Gattung afrikanischer Buntbarsche, und Afrikanischer Wels – allerdings nur unter verbesserten Haltungsbedingungen.

Gewusst wie …
Billo Heinzpeter Studer betont, dass seine grundsätzlich kritische Haltung kein spezifisches Statement gegen den Aquakulturstandort Schweiz zu verstehen sei: «Dass es den Schweizer Zuchtfischen nicht wirklich wohl sein kann, liegt nicht an mangelndem Engagement der Schweizer Fischzüchter für das Tierwohl – viele sind im europäischen Vergleich sogar vorbildlich, beispielsweise beim Betäuben vor dem Schlachten», erläutert er.

Es liegt an der Wahl der Fischarten mit Blick auf den Markt. Man möchte die Nachfrage bedienen und eine Vielfalt der Arten anbieten, was aus Tierschutzgründen nur bedingt möglich sei. «Innovative Fischzüchter könnten gleichzeitig innovativ auf dem Markt auftreten, indem sie ihr Sortiment mit dem Angebot aus einer wirklich rücksichtsvollen Fischerei ergänzen», empfiehlt Billo Heinzpeter Studer, «die Vielfalt an Fischen und anderen Wassertieren stammt sowieso aus den Meeren und Süssgewässern.»

Swiss Lachs – Erfolg mit Herausforderungen
Trotz aller Hindernisse vereint der Schweizerische Aquakulturverband mittlerweile über 40 Unternehmen aus der Aquakulturwelt, die mittlerweile immerhin 2’000 Tonnen gezüchtete Fische und Krustentiere repräsentieren.

Als eines der erfolgreichsten unabhängigen Unternehmen hat die Swiss Lachs AG die Pionierphase durchstanden. Das Unternehmen spezialisiert sich auf die Produktion hochwertiger Fische und setzt dabei innovative Zuchtverfahren ein, um sowohl das Fischwohl als auch minimale Auswirkungen auf die Umwelt zu gewährleisten. Das Ergebnis ist ein frischer, gesunder Lachs, welcher weder Umwelt noch Ökosysteme belastet. Swiss Lachs AG zieht die Lachse nach den höchsten Qualitätsstandards auf und fokussiert sich dabei konsequent auf Nachhaltigkeit auf allen Ebenen.

Seit der Lancierung 2018 wurde das Potenzial der Lachsveredelung genutzt und zusätzlich eine Anlage für Filetierung und Räucherkapazitäten in Lostallo aufgebaut. Im Jahr 2023 wurden insgesamt rund 97 500 Fische gezüchtet und zu Lachsdelikatessen verarbeitet. Der Unternehmensauf bau blieb dabei nicht ohne Stromschnellen, betont Ronald Herculeijns: «Leider mussten wir seit der Lancierung vor sechs Jahren schon einige stürmische Zeiten durchleben – so reduzierten sich während des Coronavirus-Lockdowns die Bestellungen von Kunden.» Später folgten als Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine neue Herausforderungen, namentlich mit dramatisch steigenden Kosten für Energie, Salz, Sauerstoff und Fischfutter. Kürzlich verursachten die starken Unwetter im Juni 2024 enorme Schäden und viel Leid – auch in Lostallo.

Aquakultur in der Schweiz
Swissness und Aquakultur sind im Gegensatz zu anderen Produktkategorien keine naturgegebene logische Kombination – ob als Zusatzbetriebszweig für die Nutztierhaltung oder im gewerblich-industriellen Rahmen. Staatliche Fördermittel und Programme müssen sich angesichts der preis- und marktdominierenden Importprodukte auf ein beschränktes Marktpotenzial ausrichten. «Best Practice» in Bezug auf Tierwohlanforderungen und gesamtbetrieblicher Nachhaltigkeit, namentlich bezüglich Wasserund Energieverbrauch, stellen auch aus ökonomischer Sicht die wichtigste Voraussetzung für den Markterfolg dar.


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