Von hier bis zu den Sternen

  01.09.2024 Persönlich, Hottwil

Fritz Scheidegger und eine ganz besondere Marmorfigur

Auf dem Friedhof Olten wurde für Eltern von Sternenkindern ein Erinnerungsort geschaffen. Die zugehörende Skulptur ist in der Steinbildhauerei von Fritz Scheidegger entworfen und umgesetzt worden. Der Ittenthaler weiss, wie wichtig ein solcher Begegnungsplatz ist.

Susanne Hörth

Feine, kristallene Einschüsse lassen die weisse Oberfläche glitzern wie eine Schneedecke im Sonnenlicht. Kälte hingegen sucht man vergebens. Das harte Gestein, vielmehr seine künstlerische Bearbeitung, ist voller einnehmender Gegensätze. So strahlt etwa der herzgeformte Körper Geborgenheit aus, lädt zum Berühren und Umarmen ein. Wie ein Fenster, durch das Licht einfällt, gleichzeitig aber auch der Blick hinaus in die Ferne tragen lässt, präsentiert sich die herausgearbeitete Herzöffnung. Nach oben wird der Herzkörper zu einem Flügel, der sich scheinbar federleicht dem Himmel zudreht. Die Leichtigkeit wiederholt sich durch die aufgesetzten Schmetterlinge. «Der grosse Schmetterling fliegt seinem kleinen Kind in den Himmel nach», sagt ein sichtbar berührter Fritz Scheidegger. Dabei sollte es doch umgekehrt sein, meint der Ittenthaler. Kinder sollten nicht vor ihren Eltern sterben.

Verlässt ein kleines Menschlein kurz vor, während oder bald nach der Geburt schon wieder diese Welt, wird es als Sternenkind, seltener als Schmetterlingskind bezeichnet. Den Eltern blieb ein Kennenlernen mit ihrem Kindchen verwehrt. Damit die Mädchen und Buben nicht namenlos und ohne ein Ort der Erinnerung bleiben, hat die Stadt Olten beschlossen, eine Sternenkinder-Gedenkstätte auf dem Stadtfriedhof zu errichten. Für die zugehörige Skulptur wurde das Rothrister Unternehmen «Steinkunst» (sk-steinkunst.ch) beauftragt.

Dessen Eigentümer ist seit über 20 Jahren Fritz Scheidegger. Steinmetz / Bildhauer wurde er als Quereinsteiger. Sein Herz hat ausgelöst, was seit über zwei Jahrzehnten eine Herzensangelegenheit ist. Mit 28 Jahren erlitt er einen Herzinfarkt. Er, der doch mitten im Leben stand, wurde mit voller Wucht ausgebremst. Er wanderte aus. In die Ukraine. Hier lernte er Elena kennen und lieben.

Lernen beim Machen
Zudem bildete er sich zum Steinbildhauer aus. Mit seiner Familie kam er zurück in die Schweiz und griff zu, als der Zufall es wollte, dass in Rothrist eine Bildhauerei zum Verkauf stand. Das steinharte Metier erfüllt Fritz Scheidegger bis heute mit grosser Freude. Dazu trägt auch das kreative Team, mit dem er zusammenarbeitet, viel bei. Wie die Steine, die unter ihren Händen zu unikaten Grabmälern werden, sind auch sie alle eigenwillige Persönlichkeiten. Über 5500 individuelle Grabsteine haben sie in Absprachen mit den Hinterbliebenen bisher miteinander entworfen und umgesetzt. Die Leidenschaft für diess Kunstschaffen ist ungebrochen. Bei Fritz Scheidegger wie auch bei seinen Mitarbeitenden .

Laut, herzlich und einfühlsam
Fritz Scheidegger zu beschreiben, ist eine schiere Unmöglichkeit. Familienmensch trifft es auf jeden Fall. Einfühlsamkeit, Ehrlichkeit, Offenheit und Tierfreund passen ebenfalls. Und auch direkt, laut, auffallend herzlich und hilfsbereit treffen auf ihn zu. Er liebt es, sich und das kreative Schaffen in seinem Betrieb auf den sozialen Medien zu zeigen. Der Ittenthaler scheut sich auch nicht, aktuelles Geschehen zu hinterfragen, wenn nötig auch, anzuprangern. «Ich bin einfach so», grinst der grosse Mann mit der auffälligen Brille und dem stets perfekten, frechen Haarschnitt.

Leise wird er, als das Gespräch wieder auf die Sternenkinder-Skulptur kommt. Den verstorbenen Kindern ein Ort zu geben, an welchem ihre Namen eingraviert werden und die Eltern eine Zuflucht finden, ist ihm persönlich sehr wichtig. «Insgesamt vier Monate haben wir an der Skulptur gearbeitet. Unser Lehrling Sam hat den Entwurf gezeichnet.»

Den geeigneten Stein, einen weissen Marmor, haben Fritz Scheidegger und zwei seiner Mitarbeiter vor Ort im italienischen Crevoladossola ausgesucht und in die Schweiz gebracht. In der Steinhauerwerkstatt in Rothrist machte sich dann Bildhauerin Stefi an die Arbeit. Unter ihren geübten Händen verwandelte sich der anfänglich 1000 Kilogramm schwere Gesteinsbrocken in eine 420 Kilogramm schwere, geflügelte Herzform. «Herz und Sterne stehen für die verstorbenen Kinder. Der Flügel schafft die Verbindung zum Himmel», zeichnet Fritz Scheidegger die schimmernde Plastik mit Worten nach. Eingeweiht wurde sie am vergangenen Donnerstag.


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