Ohne jede Hemmung

  20.03.2025 Möhlin

Über ein gefundenes Fressen und seine Auswirkungen

Die mediale Lawine über eine geschlossene Dönerbude in Möhlin wird zur Hypothek für Mitbewerber: Ihnen bleibt die Kundschaft fern. Und im Netz wird draufgehauen.

Ronny Wittenwiler

«Döner-Drama», und «Opfer», die von ihren «Qualen» erzählen. Es wird ordentlich nachgeladen im Blätterwald, ebenso in den sozialen Medien. Und was ursprünglich mit der vom Kanton angeordneten Schliessung eines Döner-Imbisswagens begann, hat eine Dynamik angenommen, die sich mit Wucht auf andere Döner-Geschäfte im Fricktal auswirkt. Es harzt in Rheinfelden, es harzt in Frick, dieser Redaktion sind die entsprechenden Betriebe bekannt, und ja: es harzt in Möhlin. Dort, wo die Geschichte ihren Anfang nahm. Murat Köken hatte mit dieser Geschichte eigentlich nichts zu tun. Jetzt ist er mittendrin.

Immer wieder Verwechslungen
«Normalerweise verkaufen wir im Schnitt etwa fünfzig Döner pro Tag, mittlerweile ist es noch die Hälfte», sagt Köken. «Die Leute sind verunsichert und zurückhaltend, viele fragen sich, ob all das bei uns passiert ist.» Ist es nicht. Köken führt den Familienbetrieb «Nail’s Kebab», einen Imbisskiosk, den sein Vater 2003 gründete. Der aktuell fehlende Umsatz ist das eine. Eine noch grössere Belastung kommt direkt aus dem Netz. Köken holt einen Ausdruck mit Google-Rezensionen von letzter Woche hervor. Einige Bewertungen sind näher am Rufmord als an einer Kritik. Patrick E. schreibt: «Wenn Ihnen Ihr Leben am Herzen liegt, essen Sie hier nicht. Der Ort ist ekelhaft (…), wirklich gesundheitsschädigend.» Jemand anderes ruft anonym dazu auf: «Das Fleisch richt wie vergammelt (…) Wen ihr keine Erkrankung haben möchtet, meidet diesen Laden.» Und bei einem weiteren Kommentar steht: «Man bekommt eine Lebensmittelvergiftung.» Auffallend ist die Kadenz solch hemmungslos abgesetzter Bewertungen in den letzten zwei Wochen. Die jüngste Bewertung davor hingegen liegt drei Monate zurück und ist, wie viele andere vorangegangene auch, weit entfernt von der aktuell vernichtenden Kritik und der üblen Tonlage.

«Ich hoffe, es beruhigt sich bald»
Google-Rezensionen lassen sich nicht einfach mal so wegwischen. Sie bleiben im Netz. «Gerade die junge Generation orientiert sich heutzutage an solchen Bewertungen.» Für Murat Köken ist klar: Im Moment gibt es in dieser Geschichte nur Verlierer. «Ich hoffe, diese Sache beruhigt sich bald.» Damit bezieht er sich nicht allein auf das eigene Geschäft, sondern ausgerechnet auch auf den Mitbewerber, der seinen Döner-Imbisswagen ganz in der Nähe betreibt. «Auch er hat seine Arbeit gut gemacht. Er wollte mit Sicherheit niemandem absichtlich schaden.»


Das war geschehen

Der Kanton liess vor über zwei Wochen einen Döner-Imbisswagen in Möhlin schliessen, nachdem beim Amt für Verbraucherschutz (AVS) zahlreiche Beschwerden eingegangen waren, wonach der Konsum der Speisen zu Magen-Darm-Erkrankungen geführt haben soll (letztlich über sechzig Meldungen). Letzte Woche dann die Klarheit: Die Laboranalyse wies Noroviren in der selbst hergestellten Cocktailsauce nach. «Noroviren sind sehr infektiös», hält das AVS fest. Die Übertragung erfolge über den Mund, durch die Haut beziehungsweise mit Objekten (kontaminierte Oberflächen), durch Inhalation der in der Luft schwebenden Tröpfchen oder durch Konsum verunreinigter Lebensmittel. Unter Auflagen – wie etwa gründliche Reinigung und Desinfektion des Imbisses – und der anschliessenden Überprüfung durch das AVS sei eine Betriebsöffnung möglich, hält das Amt fest. (rw)


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