Kalberei aus tiefstem Herzen

  27.02.2025 Persönlich, Möhlin

Er ist wie Radio zur besten Sendezeit: Christian Fritschin geht ins Ohr und bleibt drin. Wie macht er das?

Ronny Wittenwiler

Das wolle sie wohl lieber nicht so genau wissen, sagte er zur Badmeisterin vom Strandbad Moosseedorf. Fünfzig Franken, was für ein Schnäppchen: Christian Fritschin hatte gerade auf Ricardo einen Badmeisterstuhl ersteigert.

Der Holdrio kann warten
Seit zwei Jahren ist Christian Fritschin Zunftmeister der Fasnachtzunft Ryburg. Das ist eine ernste Sache. Gehören doch zum Jobprof il Zunftversammlungen streng nach Protokoll. Oder Eröffnungsreden draussen in der Kälte, wo jeder Zweite bereits vom Holdrio drinnen in der Wärme träumt. Und was macht Fritschin in solchen Momenten? Er lässt einen Badmeisterstuhl auf dem Ryburger Freiheitsplatz aufstellen und ergreift das Wort. Das wirkt wie Schiesspulver in einer Konfettikanone: geht ins Ohr, bleibt drin.

Egal, ob im Gewand des Zunftmeisters oder als Schnitzelbank-Kunstfigur «Schaggi vo Millhüüsa», einem Elsässer in der Möhliner Spinatverarbeitung: Fritschin trägt den Humor auf der Zunge und die Kalberei tief im Herzen. Das war schon immer so, und war die Bühne auch noch so klein. «Fragen Sie mal meine Mutter.» Fritschin ist heute 38 und seine Mutter dankt dem Herrgott auf Knien, sind die Elternbesuchstage in der Schule längst verjährt.

Die seriösen Töne
Zuerst eine Lehre als Logistiker, eine zusätzliche als Gärtner. Noch immer arbeitet Fritschin auf diesem Beruf, und vielleicht dient dieser als Metapher für sein Credo, was eine Gesellschaft zusammenhält. Es ist ein Hegen und Pflegen. Fritschin ist Vater von drei Jungs, verheiratet, und ja, er sagt dann auch mal Sätze wie diese: «Wir werden nie so viel geben können, wie wir bekamen. Aber probieren wir unser Bestes, dass auch kommende Generationen ihre Geschichtchen über ihr Dorf werden erzählen können. Nirgends auf der Welt fühle ich mich so wohl und daheim wie hier.» Das sagte der Ryburger Zunftmeister als Festredner vor einem halben Jahr an der Möhliner Bundesfeier. Haargenau wussten die Verantwortlichen, wen sie da bestellten. Sein Publikum hatte er vom ersten Satz an im Sack. Das Streuen einer Pointe im richtigen, weil komplett überraschenden Moment, kommt nicht von ungefähr. Die Sache mit dem Spass nimmt Fritschin richtig ernst. Schon damals als Kind, mit Spange «i de Gosche» und Stirnfransen, die aussahen wie ein Theatervorhang. Halleluja, denkt man da, und wischt sich beim Gedanken an seine Mutter auf Schulbesuch die eine oder andere Schweissperle von der Stirn. Dabei hätte sie es wissen müssen. Christian Fritschins Grossvater Werner war aus demselben Holz geschnitzt. Auch er: ein begnadeter Unterhalter, so erzählen es sich heute noch ältere Jahrgänge im Dorf.

«Sie stellen die gleichen Fragen wie meine Frau»
Fritschin fiebert der Fasnacht entgegen. Letzten Samstag, etwas angeschlagen, fährt er mit erhöhter Körpertemperatur nach Basel und holt einen Teppich ab, den die Ryburger in ihrer Zunftstube auslegen. Jetzt mal im Ernst: Ist das wirklich die Aufgabe eines Zunftmeisters? «Interessant, Sie stellen ja die gleichen Fragen wie meine Frau», sagt er, lacht – und vor dem inneren Auge baut sich jetzt auch noch dieses Bild auf: Wie er mit einem in sämtliche Einzelteile zerlegten Badmeisterstuhl im Kofferraum in die Autobahneinfahrt Schönbühl einbiegt. «Ich zelebriere solche Dinge halt einfach», sagt er. «Das Organisieren, das Vorbereiten, der Aufbau – das alles ist Vorfasnacht und eine wunderbare Zeit.» Spätestens heute am 3. Faisse ist dieses Warmlaufen vorbei, wir aber gehen nochmals zurück auf Feld 1.

Als die Ryburger am 13. Februar um den Narrenbrunnen beim Freiheitsplatz stehen und die Fasnacht 2025 eröffnen, überwacht eine junge Frau der Fasnachtzunft den öffentlichen Verkehr und erteilt jeweils das Signal, die Haltestelle für das herannahende Postauto freizugeben. «Dü-Da-Do» dröhnt es aus dem Sousaphon. Sie sitzt hoch oben überm Publikum – in einem Badmeisterstuhl, Strandbad Moosseedorf.

Als Fritschin der verwunderten Badmeisterin dann doch erzählt, wofür die fünfzig Franken-Investition eigentlich gedacht ist, kriegt sich diese kaum mehr ein. Und so sagt der Zunftmeister an diesem 1. Faisse vor versammelter Runde ins Mikrofon: «Vielen Dank dem Strandbad Moosseedorf. Man hat uns den Stuhl geschenkt unter der Bedingung, dass ich etwas Werbung mache. Wer also im Sommer da mal vorbeifährt: bitte einkehren und einmal das Füdle schwenken. Ich kann dieses Strandbad nur empfehlen.» Es wird nicht die letzte Kalberei gewesen sein.

Dieselbe Frequenz
Mit seinem Engagement für die Fasnacht wolle er diesem Dorf etwas zurückgeben, wie es viele Leute in anderen Vereinen genauso tun würden, sagte Fritschin bei seiner Rede an der Bundesfeier. Im Publikum sass seine Familie. Dabei, das muss man an dieser Stelle vielleicht festhalten: Auch seine Frau ist bei der Fasnachtzunft Ryburg. Dort haben sie sich kennen und lieben gelernt, als Radio Fritschin schon lange auf Sendung war.

Die Wellenlänge stimmt.


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