«Digitaler Lifestyle» spart Energie

  07.08.2024 Aargau

Forschende des Paul Scherrer Instituts PSI haben eines der umfangreichsten Energiesystemmodelle Europas verwendet, um zu berechnen, wie sich die Digitalisierung auf den Energieverbrauch auswirken wird. Bis ins Jahr 2050 können 10 bis 20 Prozent Energie gespart werden.

Viele Menschen arbeiten heute teilweise oder dauerhaft im Homeoffice. Damit sparen sie Sprit, weil sie nicht mehr mit dem Auto ins Büro fahren müssen – gut also für die Energiewende. Oder auch nicht? Denn zu Hause verbrauchen sie umso mehr Energie fürs Heizen, fürs Kochen, auch Videocalls schlucken Extraenergie in den Rechenzentren von Microsoft, Zoom und Co. Spart die Digitalisierung nun Energie oder blasen wir damit nur noch mehr Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre?

Die Antwort von Evangelos Panos macht Hoffnung. Der Forscher aus der Gruppe Energiewirtschaft am PSI hat gemeinsam mit der ehemaligen PSI-Doktorandin Lidia Stermieri und Forschenden der ETH Zürich in einem aufwendigen Rechenmodell gezeigt, dass «digitale Lifestyles» im Jahr 2050 gegenüber 2020 tatsächlich zehn bis zwanzig Prozent Energie einsparen. Rebound-Effekte – Einsparungen an einer Stelle, welche zu mehr Verbrauch an anderer Stelle führen – werden dabei durch effizientere Technologien und Verhaltensänderungen mehr als kompensiert. «Digitalisierung löst nicht alle Probleme», sagt Panos, «aber sie unterstützt die Transformation des Energiesystems auf dem Weg zu Netto-Null-Emissionen.» Über ihre Ergebnisse berichten die Forschenden im Fachjournal Energy Policy.

Für ihre Berechnungen hat Lidia Stemieri das STEM-Energiesystemmodell (Swiss Times Energy Systems Model) herangezogen, das von der Gruppe Energiewirtschaft am PSI in Jahren akribischer Arbeit zu einem leistungsstarken Modell für die Simulation von Energiesystemen entwickelt wurde. So lassen sich verschiedene Szenarien bis 2050 berechnen, also bis zu dem Jahr, wo die Schweiz energieneutral sein möchte, oder sogar darüber hinaus. Dieses Modell gibt jedoch keine Auskunft über sozio-ökonomische Faktoren. Zum Beispiel über die Frage, wie Menschen Entscheidungen zu ihrem Energiekonsum treffen. Wer nur noch im Homeoffice arbeitet, kauft sich vielleicht kein neues Auto mehr. Aber vielleicht schafft er sich zu Hause eine Wärmepumpe an, aber auch nur, wenn er Eigentümer der Immobilie ist und nicht Mieter. Viele verwobene Überlegungen spielen hier eine Rolle, die in Summe und langfristig erhebliche Auswirkungen auf das Energiesystem haben können.

Deshalb hat Lidia Stermieri ein weiteres Modell angedockt, welches die Heterogenität der Entscheidungsprozesse der Akteure in Haushalten, Teilen des Dienstleistungssektors und der Industrie abbildet, um Synergien und Wechselwirkungen bei der Einführung energiesparender digitaler Dienstleistungen und Praktiken zu analysieren. In der Kombination entstand so eines der umfangreichsten Modelle für Energiesysteme mit nationaler Abdeckung in Europa.

Die Ergebnisse dieses aufwendigen Rechenmodells haben ergeben, dass dank Digitalsierung und dem «digitalen Lifestyles» im Jahr 2050 gegenüber 2020 zehn bis zwanzig Prozent Energie eingespart werden können. (mgt/nfz)


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