Dann legt sie einen Schalter um

  23.06.2024 Persönlich

Im Judo ist Eileen Probst (16) eine Wucht, jetzt reist sie an die U18-EM in Bulgarien

Als siebenjähriges Mädchen beginnt Eileen Probst aus Schupfart mit Judo. Jetzt gehört sie in ihrer Altersklasse zur Weltspitze. Die NFZ wagt einen Besuch.

Ronny Wittenwiler

NFZ: Eileen Probst, Sie sehen gar nicht so gefährlich aus.
Eileen Probst:
Ja, das sagen viele. (lacht)

Aber auf der Matte lehren Sie Ihre Gegnerinnen reihenweise das Fürchten. Haben Sie einen Schalter, den Sie umlegen?
Ich bin normalerweise eher scheu und zurückhaltend. Aber auf der Matte überhaupt nicht, dann bin ich eine völlig andere Person. Trage ich den Judo-Anzug, lege ich meine Scheu ab. Das geschieht automatisch.

In der U18-Weltrangliste auf Platz 12, sind Sie jetzt selektioniert für die Europameisterschaften in Sofia. Wie sieht Ihre Gefühlswelt gerade aus?
Als vor rund einem Monat klar wurde, dass ich qualifiziert bin, war ich «mega» aufgeregt. Mit mentalem Training kann ich meine Nervosität allerdings gut bündeln. Die Vorfreude ist riesig.

«Herzliche Gratulation zu diesem tollen Erfolg, weiter so. We’re proud!» Von wem stammt dieses Kompliment?
(überlegt) Ich weiss es nicht.

Vom Gemeindeammann von Schupfart auf unserem NFZ-Facebook-Account. Ohnehin, ein ganzes Dorf ist gerade stolz auf Sie.
Ich war kürzlich am «Buurezmorge», dort haben mich ganz viele Leute angesprochen und mir gratuliert.

Sie sind vielleicht gerade berühmter als der Gemeindeammann.
Nein, nein, das glaube ich nicht. (lacht)

«Ich bin dann mal ins Judo gegangen», sagt Eileen Probst unaufgeregt. Sieben Jahre alt war sie da und wer hätte schon ahnen können, was daraus werden würde; wie auch! Gesucht hatte sie damals, zusammen mit ihren Eltern, doch bloss einen Sport als Unterstützung. «Ich hatte ein schlechtes Selbstvertrauen.» Jetzt, neun Jahre später, gehört Eileen Probst zur Weltspitze in ihrer Alterskategorie,
Gewichtsklasse bis 57 Kilogramm. Die Kanti-Schülerin trainiert rund zwanzig Stunden pro Woche,
und ihre Leidenschaft für diesen Sport, sie ist förmlich zu spüren. «Im Wettkampf musst du im richtigen Moment den Wurf machen, im richtigen Moment kontern. Dieses Spüren, das Körpergefühl, das Timing – ich mag das sehr.» Und noch was: «Vieles wird im Kopf entschieden. Seit ich mentales Training betreibe, habe ich mich deutlich verbessert.»

Sie tragen den schwarzen Gurt.
Nein, noch nicht.

Auf dem Foto in der Zeitung sieht er schwarz aus.
Er ist aber braun. Oft auf dem Podest bin ich die Einzige, die den braunen Gurt trägt. Viele haben bereits den schwarzen. Ich weiss: Auf den Bildern sieht mein brauner Gurt immer wie ein schwarzer aus. (lacht)

Wie viel fehlt denn noch für den schwarzen Gurt?
Meine nächste Gurtprüfung wäre die schwarze. Vielleicht mache ich sie im Dezember.

Als Trägerin des braunen Gurts mischen Sie also die vorderen Plätze inmitten von Schwarzgurt-Trägerinnen auf?
Viele denken immer: «Da hat jemand den schwarzen Gurt – wow, der ist super.»

Oh, ja: und richtig gefährlich!
Genau. Das lässt sich so aber nicht miteinander vergleichen. Viele machen Judo als Hobby ohne Wettkämpfe zu betreiben, auch diese Judokas legen Gurtprüfungen ab. Für den Erhalt des schwarzen Gurts gilt es zum Beispiel, auch die Geschichte des Judo zu kennen. Es gibt sogar eine Theorieprüfung. Schwarzgurt-Träger zu sein, ist eine grosse Ehre.

Dann kehren wir in die Praxis zurück. Worauf legen Sie den Fokus bis zur Europameisterschaft?
Ich bin gerade vom Trainingslager mit dem Nationalkader aus Italien zurückgekommen. Nun geht es darum, im Training an den Feinheiten zu schleifen und Körper und Geist viel Erholung zu gönnen.

Was ist das Ziel an der EM?
Ich will diesen Tag geniessen, meine Bestleistung abrufen und eine Medaille gewinnen.

Wie realistisch ist dieses Ziel?
In sämtlichen Qualifikationsturnieren habe ich bisher eine Medaille geholt. Zeige ich mein Judo, das ich kann, ist das Ziel realistisch.

Und über diese EM hinaus: Wie sehen Ihre Karriereträume aus?
Ich möchte nächste Saison in die U21-Nationalmannschaft aufgenommen werden und in der Saison darauf auch dort die Europameisterschaften bestreiten.

Sagt Ihnen der Name Jürg Röthlisberger etwas?
Ja. Der bisher einzige Goldmedaillengewinner im Judo für die Schweiz an Olympischen Spielen (Moskau, 1980, die Redaktion). Sergei Aschwanden holte für die Schweiz aber auch schon eine Medaille (Bronze, in Peking 2008). Nils Stump wurde 2023 Weltmeister.

Also sind diese jüngeren Generationen vor allem Ihre Vorbilder?
Ich trainiere in einem Nationalen Leistungszentrum in Brugg mit den Topathleten, davon kann ich enorm profitieren. Und ja: Olympische Spiele sind ein langfristiges Ziel von mir.

In vier oder in acht Jahren?
Da möchte ich mich noch nicht zu sehr festlegen. Ich will jetzt zuerst Schritt für Schritt machen.

Dann sind wir gespannt, was der Gemeindeammann von Schupfart sagt nach Ihrem Wettkampf in Bulgarien.
Ja, wir werden sehen. (lächelt)

Eileen Probst reist mit dem Nationalkader am 25. Juni nach Sofia, Bulgarien. Die U18-Europameisterschaft dauert vom 27. bis 30. Juni. Sie bestreitet ihren Wettkampf, Kategorie bis 57 Kilogramm, am 28. Juni. Die Nachwuchs-Judoka aus Schupfart gehört dem Ju-Jitsu & Judo Club Brugg an.


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