«Brigitt, ich muss heiraten»

  22.08.2024 Persönlich, Frick

Vor 65 Jahren sagten Franz Binkert und Brigitt Herzog Ja zueinander

Wenn das Eheleben mit einer Panne beginnt, die Braut auf der Fahrt ins Glück freigekauft werden muss und am Ende des schönsten Tages die ganze Hochzeitsgesellschaft im Regen steht – dann ist die Eiserne Hochzeit der ideale Zeitpunkt, zusammen mit Franz Binkert einen Blick zurück ins Jahr 1959 zu werfen.

Simone Rufli

Franz Binkert (bald 92) hilft seiner Frau (86) nach draussen, stützt sie, bis sie sicher auf der Bank sitzt. Dann setzt er sich daneben, legt den Arm um sie und hält ihre Hand. Die beiden lächeln in die Kamera. Die Bank steht im Garten des Pf legewohnheims Föhrengarten in Eiken. Dort lebt Brigitt Binkert – fürsorglich betreut – seit ihre Gesundheit ein Leben in der gemeinsamen Wohnung in Frick nicht mehr zulässt. Wenig später, am Küchentisch in ebendieser Wohnung an der Hauptstrasse in Frick: Franz Binkert schlägt ein Fotoalbum auf, heraus fallen lose Blätter. Das eine, handgeschriebene Glückwünsche des Göttibuben, das andere eine Warnung. Franz Binkert lacht und reicht das vergilbte Papier über den Tisch: «Warnung an einen Heiratskandidaten», so der Titel, darunter in Versform ein Gedicht, verfasst von seinem Freund Walter Marbot Senior. Genützt hat es nichts. Geheiratet hat Franz Binkert trotzdem – am 19. und am 21. August 1959, zuerst auf dem Standesamt und dann kirchlich. 65 Jahre ist das jetzt her. Eiserne Hochzeit.

Als wäre es gestern gewesen
Franz Binkert hat so manches rund um diesen Festtag aufbewahrt: den Verlobungsvertrag zum Beispiel, geschlossen «im Beisein von Zeugen und in Gegenwart von Pfarrer Petrini» – die Einladung zur Hochzeit, die Menükarte vom Mittagessen im Hotel Schönegg in Mumpf. Alles fein säuberlich gefaltet und abgelegt im Fotoalbum, das er nun Seite für Seite durchblättert. Bild für Bild kehren die Erinnerungen zurück, so als wäre es gestern gewesen: Franz Binkert 27 Jahre alt, Brigitt Herzog 21. Zwei junge Menschen, aufgewachsen im Fricktal, er in Stein, sie in Ittenthal.

Er erinnere sich noch gut, wie er seiner Brigitt mitgeteilt habe, dass es an der Zeit sei zu heiraten. «Ich fuhr zu ihr und bat sie um ein Gespräch unter vier Augen. Dann sagte ich zu ihr: Brigitt, ich muss heiraten.» Erschrocken sei sie, sagt er und lacht – wie so oft an diesem Morgen – herzhaft. «Sie hat gemeint, ich hätte etwas mit einer Anderen und müsse deshalb heiraten.» Nun gab es da tatsächlich eine, deretwegen er heiraten wollte. Nur war das keine Frau, sondern eine Wohnung. «Mein ehemaliger Chef hat mir an der Baslerstrasse in Laufenburg, direkt über meiner Werkstatt, eine Zweizimmer-Wohnung zur Miete angeboten.» Ein Glücksfall sei das gewesen und er habe vor der Wahl gestanden: Zugreifen oder leer ausgehen. «Es war damals nicht einfach, eine freie Wohnung zu finden.»

Weit und breit kein Car
Bald sollte sich herausstellen, dass die Wohnungssuche nur eines von diversen Problemen war in diesem Sommer 1959. Denn als das Paar am 21. August, frisch getraut von Pfarrer Petrini, zusammen mit den Trauzeugen Paul Schmid und Leonie Schnetzler in Ittenthal aus der Kirche trat – im Schlepptau die gesamte Gästeschar – war vom bestellten Car weit und breit nichts zu sehen. «Ich lief zur Post und telefonierte mit der Car-Firma Schmid in Frick. Dort hiess es, wir sollten warten, der Car habe eine Panne. Als eine Stunde später ein Ersatz aus Möhlin kam, hatte der zu wenige Plätze. Zwischen den Sitzreihen wurden Notsitze eingehängt und so fuhren wir los.» Weit seien sie nicht gekommen, erzählt Franz Binkert und schmunzelt: «Oberhalb des Dorfes war die Strasse mit einem Seil abgesperrt. Man hat mich mit einer Ittenthalerin doch nicht einfach so aus dem Dorf gehen lassen.» Er lacht: «Ich habe mir das Durchfahrtsrecht dann mit Rotwein erkauft.»

Auch Fotograf Wicht in Aarau musste sich an jenem Tag lange gedulden. «Während Brigitt und ich dann endlich fotografiert werden konnten, sassen unsere Gäste im ‹Affenkasten› beim Apéro.» Mit grosser Verspätung ging es von Aarau aus weiter über den oberen Hauenstein ins Hotel Schönegg nach Mumpf zum Mittagessen mit dem Tanz-Orchester Rex, bis man sich am Abend wieder in Ittenthal bei Familie Lütold in der «Sonne» niederliess. Apropos Sonne: «Nach Mitternacht ging ein heftiges Gewitter los und ich musste die Gäste zum Übernachten in mehreren Fahrten mit dem VW-Bus nach Stein und Laufenburg bringen.»

Am 1. September kehren Franz und Brigitt Binkert nach Ittenthal zurück. Dort in der «Sonne» wollen sie zusammen mit Familie und Freunden feiern, was am 21. August vor 65 Jahren mit einem Ja seinen Anfang nahm.


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