Braucht es einen Halbstundentakt Laufenburg – Stein?

  05.06.2023 Abstimmungen

Das Aargauer Stimmvolk entscheidet über diese Vorlage am 18. Juni

Pro

Ein Stundentakt entspricht nicht mehr der heutigen Zeit!

Herbert Weiss, Stadtammann, Laufenburg

Niemand geht in eine Bäckerei, einen Fachhandel, einen Dorfladen oder zu einem sonstigen Anbieter, ohne ein qualitativ gutes Angebot präsentiert zu bekommen. So ist es auch beim öffentlichen Verkehr: Nur ein gutes und effizientes ÖV-Angebot wird die Menschen dazu bewegen, auf die Bahn umzusteigen, die Strassen zu entlasten und damit einen Beitrag zum Energiewandel und zur CO2-Einsparung beizutragen. Ein Stundentakt entspricht nicht mehr der heutigen Zeit und ist unabhängig von der Region und der aktuellen Kundenfrequenz zu beurteilen. Es sind vernünftige ÖV-Angebote gefragt, die eine tragbare und verlässliche Verbindung nach Stein – mit Anschlüssen nach Basel, Zürich usw. – sicherstellen. Dazu gehört ein Halbstundentakt, welcher den heutigen und zukünftigen Ansprüchen der Gesellschaft entspricht. Nicht per Bus, welcher schon jetzt zu den wichtigsten Zeiten erhebliche Anschlussprobleme hat, sondern per Bahn, die Anschlüsse in vernünftiger Zeit sicherstellen kann und auch den Nutzniessern entsprechenden Komfort bietet.

Heute schon verkehren täglich mehr als 20 000 Fahrzeuge durch Laufenburg. Viele davon Richtung Stein/Basel. Schon bald, gemäss neuester BAK-Studie, werden es noch viel mehr sein. Bis zu 15 000 neue Arbeitsplätze plus 7000 Arbeitsplätze aus Nebenbetrieben werden prognostiziert. Diese zusätzliche Belastung wird unser Stassennetz in der heutigen Form nicht mehr verkraften können. Jene Fahrzeuglenker, die heute schon vom Stau bis nach Basel betroffen sind, werden morgen durch die prognostizierten zusätzlichen Arbeitsplätze kaum noch in zumutbaren Zeitverhältnissen zu ihren Arbeitsplätzen kommen. Die Unternehmungen sind auf die Arbeitnehmende angewiesen. Es kann doch nicht sein, dass die Arbeitskräfte wertvolle Arbeitsstunden auf den regionalen Verkehrsachsen verbringen, anstatt zeitnah in ihren Firmen anzukommen.

Es muss deshalb das Ziel sein, möglichst viele Arbeitnehmende, Studierende, Mittelschülerinnen und Mittelschüler, Touristinnen und Touristen sowie Reisende auf die Bahn zu bringen. Die Region um Laufenburg wird mit zirka 12 000 bis 13 000 Einwohnern deutlich unterschätzt. Werden unsere deutschen Nachbarn dazugerechnet (Laufenburg Baden mit rund 9500 Einwohnerinnen und Einwohnern), sind wir bereits bei zirka 22 000 Einwohnerinnen und Einwohnern. In den nächsten Jahren werden in praktisch allen Gemeinden Bevölkerungszuwachse erwartet.

Berechnungen zeigen, dass mit dem Sisslerfeld eine zusätzliche Wertschöpfung von jährlich 4,2 Milliarden Franken erwirtschaftet werden soll. Demgegenüber sind die projektierten Kosten von 61 Mio. für den Halbstundentakt fast verschwindend gering. Wichtig zu wissen ist dabei aber vor allem, dass davon 28 Mio. als Investitionsfolgekosten über 40 Jahre anfallen und 7 Mio. als Kostenungenauigkeit ausgewiesen werden. Diese finanzielle Aufteilung wird von der Gegnerschaft nicht oder nur selten am Rande erwähnt.

Finanzpolitisch möchte und wird der Kanton Aargau einiges von den Steuereinnahmen aus unserer prosperierenden Region profitieren. Diese Erkenntnisse hat auch der Kanton, andernfalls ist die aktive Beteiligung durch den Kanton am Kauf vom Sisslerfeld wohl kaum zu erklären. Steuereinnahmen sind willkommen, aber bei den Ausgaben stellt man sich knausrig; nehmen ist seliger als geben. Unverständlich ist, dass Bund und Kanton von der Bahnentwicklung Stein-Laufenburg und auch der Rheintallinie Richtung Winterthur nichts wissen möchten. Im Ausbauschritt 2035 der Bahninfrastruktur wird unsere Region einmal mehr vernachlässigt und die grossen Regionen einmal mehr bevorzugt. Vorzugsweise mit einem 10-Minuten-Takt. So werden wir um Jahrzehnte vertröstet und nebenbei wird um Zustimmung für das Klima- und Innovationsgesetz geworben. Welch ein Widerspruch!

Der Regierungsrat und der Kanton widersprechen mit der negativen Haltung zum Halbstundentakt zudem ihrer eigenen Mobilitätstrategie. Darin ist das Ziel formuliert, dass ländliche Zentren wie Laufenburg und Umgebung künftig vermehrt mit dem öffentlichen Verkehr erreicht werden sollen. Vergessen wurde wohl auch die neu entstehende Mittelsschule in Stein, welche ab 2029 zusätzliche Frequenzen mit sich führen wird. Zahlreiche Schülerinnen und Schüler aus der Teilregion 5 müssen die Mittelschule in Stein mit öffentlichen Verkehrsmitteln adäquat erreichen können.

Wir appellieren an alle Aargauerinnen und Aargauer, den vorstehenden Ausführungen das notwendige Gewicht zu verleihen, die Kosten im Gesamtverhältnis zu betrachten, im Sinne unserer Zukunft zu handeln, dem Energiewandel Rechnung zu tragen und die riesige Entwicklung im Sisslerfeld mitzuberücksichtigen. Ich bin mir sicher, dass dann auch Sie zum Entschluss kommen, dass an der Abstimmung vom 18. Juni 2023 nur ein Ja in die Urne gelegt werden kann. Ich danke Ihnen für Ihr Bekenntnis zugunsten eines florierenden Kantons und fortentwickelnden Wirtschaftsstandorts.

Contra

Nein zu diesem teuren und isolierten Bahnausbauprojekt

Gertrud Häseli, Grüne, Grossrätin

Keine nachhaltige Planung
Mobilität funktioniert als Gesamtsystem. Der Regierungsrat hat in seiner Botschaft an den Grossen Rat aufgezeigt, dass kurzfristig eine Erschliessung der Region Stein-Säckingen – Laufenburg mit Busverbindungen die griffigste und kostengünstigste Lösung ist. Der Grosse Rat hat diesem Ansatz einstimmig zugestimmt. Auch hat das Parlament den Regierungsrat beauftragt, sich beim Bund weiterhin für die Einführung einer Taktverdichtung der S-Bahn einzusetzen, im Rahmen der entsprechenden übergeordneten Planung. Die umgehende Umsetzung ohne Einbezug eines gesamtheitlichen, überregionalen Mobilitätskonzeptes ist nicht sinnvoll und verhindert im schlimmsten Fall sogar bessere, wirklich nachhaltige Lösungen. Mobilitätsplanung kann und darf nicht isoliert in einer Region erfolgen.

Finanzpolitisch nicht zu verantworten
Die Realisierung der asymmetrischen Taktverdichtung kostet den Kanton Aargau insgesamt 61 Millionen Franken Investitionssumme und 2 Millionen Franken jährlich für den Betrieb. Eine Beteiligung des Bundes ist aufgrund der fehlenden Einbindung in ein übergeordnetes Konzept ausgeschlossen.

Das vom Grossen Rat einstimmig beschlossene Bus-Konzept ist der richtige Ansatz für die Erschliessung des oberen Fricktals. Auf den Fahrplanwechsel treten bereits die ersten Verbesserungen in Kraft.

Der Grosse Rat hat dem Regierungsrat den Auftrag erteilt, sich beim Bund weiterhin für bessere ÖV-Verbindungen im Fricktal einzusetzen. Das wird er tun. Ein Nein zum sofortigen und konzeptionslosen S-Bahn-Ausbau ist zugleich ein Ja zur Mitentwicklung eines nachhaltigen, übergeordneten und griffigen Mobilitätskonzeptes für das Fricktal und darüber hinaus.

Verbindung mit dem deutschen Bahnnetz fehlt
Der Ausbau mit einer Gesamtinvestitionssumme von 61 Millionen Franken und fast 2 Millionen Franken für den Betrieb ist für eine nachweislich schlecht frequentiert Bahnverbindung absolut unverhältnismässig. Eine wirkliche Verbesserung der Stausituation könnte nur eine Verbindung zwischen dem Schweizer und dem deutschen Bahnnetz bringen. Zwischen Basel und Koblenz gibt es keinen vernünftigen Zusammenschluss der beiden Bahnlinien.

Isoliertes Projekt
Die Mehrheit des Grossen Rates ignorierte beim Entscheid für ein Ja zur S-Bahn-Taktverdichtung die Expertise der Verkehrsfachplaner und den Antrag des Regierungsrats sowie der eigenen Verkehrskommission. Diese kamen einhellig zum Schluss, dass das vorliegende Projekt unverhältnismässig und isoliert ist.

Mobilität ist für die jüngeren Generationen sehr wichtig. Ebenso entscheidend ist, dass diese Mobilität weitsichtig und umfassend geplant wird. Die vorhandenen Ressourcen müssen dabei optimal genutzt werden. Erzwungene teure Projekte ohne angemessenen Nutzen haben die kommenden Generationen zu tragen, indem andere Projekte später oder gar nicht realisiert werden können. Dieses Vorhaben ist keine Vorinvestition, sondern eine Fehlinvestition. Deshalb klar Nein zum Bahnausbau zwischen Stein und Laufenburg.


Verdichtung des Bahnangebots

Die Bahnlinie S1 ist das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs im Fricktal. Sie verkehrt von Basel über Rheinfelden bis Stein-Säckingen im Halbstundentakt. Beim Bahnhof Stein-Säckingen (Bahnhof der Gemeinde Stein) verzweigt sich die Bahnlinie. Die eine Linie führt nach Frick und die andere Linie führt nach Laufenburg. Die S-Bahn verkehrt auf diesen beiden Linien je im Stundentakt. Der Regierungsrat hat dem Grossen Rat kurzfristig einen Ausbau des Busnetzes und längerfristig den Ausbau der Bahn innerhalb der Ausbauprogramme des Bundes vorgeschlagen. Der Grosse Rat hat sich an seiner Sitzung vom 17. Januar 2023 sowohl für den Ausbau des Busnetzes als auch für einen Bahnausbau ausserhalb des Ausbauprogramms des Bundes ausgesprochen. Er genehmigte einen Verpflichtungskredit von 61 Millionen Franken für die dazu notwendigen Infrastrukturausbauten. Gegen diesen Verpflichtungskredit wurde im Grossen Rat mit 47 Stimmen das Behördenreferendum ergriffen. Die Vorlage untersteht deshalb der Volksabstimmung. (NFZ)


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