Als Säckingen noch Kreisstadt war
03.01.2024Vor 50 Jahren wurde der Landkreis Säckingen aufgelöst
1973 war die erste Verwaltungsreform in Baden-Württemberg abgeschlossen. Wie viele andere wurde der kleine Landkreis Säckingen aufgelöst: Bad Säckingen, Badisch Laufenburg und Wehr kamen zum Landkreis Waldshut, Badisch Rheinfelden und Schwörstadt zum Landkreis Lörrach.
Boris Burkhardt
BADEN-WÜRTTEMBERG. Auch den Fricktalern dürfte das neue Ken nzeichen beim deutschen Nachbarn aufgefallen sein: Neben WT und LÖ tragen seit März 2021 immer mehr Autos das Kennzeichen SÄK. Das ist nicht nur das einzige unter den rund 400 deutschen Kennzeichen mit dem Buchstaben Ä, sondern auch eines, das für 48 Jahre höchstens noch auf einigen wen igen entsprechend a lten Traktoren und Anhängern zu sehen war. Es gehörte nämlich zum Landkreis Säckingen (damals noch ohne «Bad»), der 1973 zusammen mit anderen Landkreisen durch die Verwaltungsreform in Baden-Württemberg aufgelöst wurde.
Strassenbauamt als Trost
Seit einigen Jahren erlaubt ein Gesetz, alte Kennzeichen in ganz Deutschland wieder einzuführen – ohne rechtliche Konsequenzen aus reiner Nostalgie. Entschieden wird das in den Landkreisen, die die Rechtsnachfolge angetreten haben, in diesem Fall der Landkreis Waldshut. Der 50. Jahrestag der Auflösung ist aber eine Gelegenheit, über diese Nostalgie hinaus einen Blick auf den Landkreis Säckingen zurückzuwerfen. Der Landkreis Säckingen war einer der kleinsten in Baden-Württemberg und umfasste mit zuletzt 75 000 Einwohnern den Raum zwischen Badisch Rheinfelden, Todtmoos und Badisch Laufenburg. In (Bad) Säckingen fiel der Abschied vom «eigenen» Landkreis erwartungsgemäss am schwersten. Die Kreisstadt, wie der Verwaltungssitz eines Landkreises genannt wird, verlor wichtige Zentrumsbehörden in den Bereichen Finanzen, Liegenschaften, Landwirtschaft und Vermessung. A ls «Trost» w urde das Zentrale Strassenbauamt für Südbaden in der Stadt angesiedelt, erinnert sich Altbürgermeister Günter Nufer. Mit der Verwaltungsreform 2005 ging aber auch dieses Amt verloren.
Nufer war von 1971 bis 2003 Bürgermeister von Säckingen; er kam also ins Amt, als die Auf lösung schon beschlossene Sache war. In der Tat war Nufer als Verwaltungsjurist sogar Teil der Reformkommission, die im ganzen Bundesland den Menschen die Konsequenzen erklären musste. Wäre er früher in Säckingen politisch aktiv gewesen, sagt er, hätte er das «Schwergewicht der Produktion» Säckingen–Wehr– Rheinfelden nicht ausein-andergerissen – Badisch Rheinfelden kam nämlich zum Landkreis Lörrach, nicht zum Landkreis Waldshut.
Doch die Textilindustrie in Säckingen und Wehr, die über ein Jahrhundert lang vielen Fricktalern Lohn und Brot gab, war in den 1970ern bereits im Niedergang begriffen. Nufer ist stolz darauf, dass es Säckingen unter seiner Leitung gelang, sich mit dem Kurbetrieb inklusive Krankenhaus ein neues Wirtschaftsstandbein aufzubauen, um den Verlust «von 1000 bis 2000 Arbeitsplätzen auf einen Schlag» zu kompensieren. Seit 1978 darf sich Säckingen deshalb auch «Bad» nennen. Nufer betont, dass der Gesundheitssektor in Bad Säckingen auch immer in engem Kontakt mit der Schweizer Seite entwickelt wurde.
Insgesamt findet Nufer, dass Bad Säckingen sogar gestärkt aus der Verwaltungsreform hervorging: «Wir hatten damals dank des Kurbetriebs eine solche Auf bruchsstimmung, dass wir keine Zeit hatten, traurig zu sein.» Im Städtchen Laufenburg auf deutscher Seite trauerte man dem Landkreis Säckingen noch etwas mehrnach, wie sich Egon Gerteis, als Postbeamter immer über das Stadtgeschehen informiert, erinnert. Obwohl am östlichen Rand des Landkreises gelegen, war die Identifikation der Badisch-Laufenburger mit Bad Säckingen sehr hoch.
«Bessere Historie»
«Säckingen ist von Laufenburg zehn Kilometer entfernt, Waldshut 15», sagt Gerteis. Das mache einen Unterschied. Bad Säckingen habe ausserdem «eine bessere Historie zu bieten: Wir gingen nicht gern aufs Landratsamt nach Waldshut.» Die Einführung des SÄK-Kennzeichens unterstützt Gerteis, hat aber selbst sein WT-Kennzeichen behalten. Dazu kann er sich eine Anekdote nicht verkneifen: «Als wir auf Rügen Bekannte besuchten, waren die ganz erstaunt über unser Kennzeichen. Warum wir nicht SÄK hätten; von WT hätten sie noch nie gehört. Den ‹Trompeter von Säckingen› kennen sie alle; der sei in der DDR Pflichtlektüre in der Schule gewesen.»
Anders waren die Reaktionen in der Stadt Badisch Rheinfelden und den heutigen Stadtteilen Minseln, Nordschwaben und Karsau, die im Gegensatz zu allen anderen heutigen Stadtteilen als eigenständige Gemeinden zum Landkreis Säckingen gehört hatten. Historikerin Eveline Klein, Ortsvorsteherin von Minseln, hat festgestellt, dass die Minsler froh waren, nach Lörrach zu kommen, «weil Lörrach viel näher ist als Waldshut». Auch in Karsau ist Ortsvorsteher Jürgen Räuber nichts von einer Säckinger Sentimentalität bekannt. Die Auflösung des Landkreises sei «von der Bevölkerung weitestgehend akzeptiert» worden. Der Badisch Rheinfelder Gemeinderat Paul Renz erinnert sich, dass der Landkreis Säckingen das Krankenhaus in Rheinfelden noch geplant habe, das dann der Landkreis Lörrach gebaut habe.
Politisch definitiv aufgelöst, ist der Landkreis Säckingen in einigen zivilgesellschaftlichen Bereichen heute noch präsent, so in den Kreisverbänden des Deutschen Roten Kreuzes und des Wirteverbands Dehoga. Die sechs Mitglieder der Vereinigung der Hochrhein ischen Narrenzü n fte ( V HN) gehörten mit Ausnahme Möhlins alle zum Westen des Landkreises Säckingen inklusive Schwörstadt und Karsau. Kurios ist die Geschichte des Badisch Rheinfelder Stadtteils Degerfelden: Die selbstständige Gemeinde gehörte zum Landkreis Lörrach, wurde aber schon 1972 nach Badisch Rheinfelden eingemeindet, während dieses noch zum Landkreis Säckingen gehörte. Das Dorf wechselte also für ein Jahr seine Kreiszugehörigkeit, bevor es 1973 mit der Stadt Badisch Rheinfelden wieder nach Lörrach zurückkehrte.