Als Ittenthal für nationale Schlagzeilen sorgte

  25.05.2023 Ittenthal

Der grosse Erdrutsch am Schinberg von 1924 bis 1926

Vor 99 Jahren begann sich am Schinberg eine grössere Menge an Erde zu lösen. Rund eine Million Tonnen Material rutschten in drei Hauptschüben bis 1926 in Richtung des kleinen Dörfchens Ittenthal. Für die Bevölkerung waren die Rutschungen eine Bedrohung, für viele Schaulustige eine Attraktion.

Susanne Hörth

Wenn die Natur in Bewegung gerät, ist der Mensch oft machtlos. Das zeigt sich aktuell im kleinen Bündner Dörfchen Brienz. Dort droht ein Felssturz mit bis zu 2 Millionen Kubikmeter Stein- und Geröllmaterial. Weil sich das Material immer schneller talabwärts bewegt, mussten vor knapp zwei Wochen die rund 80 Einwohnerinnen und Einwohner evakuiert werden. Wenn auch nicht im Ausmass wie Brienz, so sind auch bei uns im Fricktal aufgrund der geologischen Gegebenheiten im Jura manche Hügel ständig in Bewegung. Das Beispiel Schinberg verdeutlicht das schon seit vielen Jahren.

Ein Blick zurück
«Im aargauischen Bezirk Laufenburg im Fricktal liegt am Südwesthang des 730 Meter hohen Schinberges das etwa aus 45 Häusern bestehende und etwas über 200 Einwohner zählende Dorf Ittenthal. Schon im Jahre 1924 wurden die Bewohner durch einen Erdrutsch vom Schinberg herunter in Schrecken versetzt. Durch den anhaltenden Regen der letzten Zeit ist das Gelände am Schinberg neuerdings völlig aufgeweicht und ins Rutschen geraten. Immer näher rückt die Schuttmasse dem oberen Ende des Dorfes und droht die dort stehenden Häuser zu begraben.» Das berichtete im Jahre 1926 die «Schweizer Illustrierte Zeitung» unter dem Titel «Der Erdrutsch am Schinberg bei Ittenthal». Das Ereignis sorgte vor fast 100 Jahren für viel Aufsehen in der regionalen wie auch nationalen Presse.

Einsatz von Fliegerbomben verworfen
Der Schinberg gehört zu jenen Gebieten im Jura, deren Bodenbeschaffenheit bei anhaltenden Regen anfällig für Erdbewegungen sind. Solche Hangrutsche seien meist von geringem Masse, heisst es in einem Bericht der Aargauischen Naturforschenden Gesellschaft aus dem Jahre 1926. Der Autor räumte dem zwei Jahre dauernden Hangrutsch beim Schinberg in Ittenthal viel Platz ein, weil hier doch zirka 500 000 Kubikmeter Erdmaterial mit einem Gewicht von rund einer Million Tonnen in Bewegung geraten waren und das Dörfchen Ittenthal, heute Ortsteil von Kaisten, bedrängten. Es musste die Regierung um Rat und Hilfe gebeten werden. Laut Bericht zeigte sich, dass weder eingerammte Pfahlreihen – sie wurden, wie zuvor die Wald- und Obstbäume geknickt
– noch Steinwehren den gewünschten Erfolg gegen die sich bewegende Erde bringen würden. Auch ein weiterer Vorschlag, «das bewegte Gelände mit grossen Fliegerbomben» zu bearbeiten, um trichterförmige Löcher zu bekommen, wurde verworfen. Die Löcher würden sich sofort wieder mit Schlamm füllen. Zudem könnten aus grosser Höhe abgeworfene Riesenbomben das Dorf noch mehr als der Rutsch gefährden, hält der Autor in seinem Artikel in der Aargauischen Naturforschenden Gesellschaft fest. Vielmehr mussten die vielen Wasseraustritte und Wassertümpel schnellstmöglich abgeleitet werden.

In der «Gemeindechronik Ittenthal» wird ebenfalls über den Schinberg und seine Rutschungen berichtet. Um jenen bis 1926 dauernden Erdbewegungen Einhalt zu gebieten, wurden unter anderem im durchnässten Gebiet 1500 Meter «Holzkänel» und 1775 Meter Drainagen erstellt. So manch einer der vielen Schaulustigen, die von nah und fern angereist kamen, blieben mit den Schuhen im morastigen Boden stecken. Um diesen wieder etwas zu verfestigen, wurden damals einige Tausend Erlen gesetzt. Dass der Boden nach wie vor in Bewegung bleibt, zeigt sich an späteren, kleineren und auch grösseren Hangrutschen am Schinberg.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote