Gemeinsamkeiten eines Bischofs, einer Ärztin und flüchtenden Schelmen

  15.02.2018 Gemeinden

Historische Persönlichkeiten prägen die Fricktaler Strassenlandschaft

Was ein Bischof, eine Ärztin und flüchtende Schelme gemeinsam haben? – Genau, nach ihnen und weiteren historischen Persönlichkeiten wurden im Fricktal Strassen und Plätze benannt. Alles weitere im dritten Teil der fünfteiligen Serie zu auffälligen Strassennamen im Fricktal im heutigen NFZ-Fokus.

Daniela Leimgruber

Nachdem die NFZ in den vergangen beiden Ausgaben zu auffälligen Strassennamen im Fricktal Strassen der Pflanzenwelt und im Bereich der Kulinarik genauer beleuchtet hat, richtet die dritte Ausgabe der fünfteiligen Serie das Augenmerk nun auf historische Persönlichkeiten, welche das Fricktal dermassen geprägt und/oder beeinflusst haben, dass nach ihnen sogar Strassen und Plätze benannt wurden.

Erste Schweizer Ärztin stammt aus Bözen
Kennern der Fricktaler Geschichte und insbesondere Frauenrechtlern ist es wohl nicht untergegangen, dass im Jahr 1845 im unscheinbaren Ort Bözen eine historische Persönlichkeit der Medizin geboren wurde: Marie Heim-Vögtlin, die erste Schweizer Ärztin. Als erste Schweizerin absolvierte sie an der Universität Zürich den Studiengang der Medizin und war später Mitbegründerin des ersten Frauenspitals in der Schweiz. Als Tochter des Dorfpfarrers Daniel Vögtlin und dessen Ehefrau Henriette geboren, äusserte Marie Vögtlin im Alter von 23 Jahren den Wunsch, Medizin zu studieren und löste damit einen schweizweiten Skandal aus. Bisher hatten sich nämlich nur ausländische Frauen an der Uni Zürich, der ersten Universität in Europa, die Frauen zuliess, immatrikuliert. Damit Marie Vögtlin zum Examen zugelassen wurde, musste ihr Vater extra eine Bewilligung einholen.

Nach ihrem Abschluss bildete sich die Fricktalerin in Leipzig zur Gynäkologin weiter und etablierte sich in den 1870er Jahren als eine beliebte und anerkannte Ärztin mit eigener Praxis in Zürich. 1875 heiratete sie den Geologieprofessor Albert Heim und nannte sich in der Folge Marie Heim-Vögtlin. Neben ihrer Arbeit als Gynäkologin war Frau Heim-Vögtlin auch zweifache Mutter und kämpfte für das Frauenstimmrecht in der Schweiz.

Nicht verwunderlich also, dass die Gemeinde Bözen der mutigen Frau einen eigenen Weg, den Marie Heim-Vögtlin-Weg, gewidmet hat.

Schutzpatronin erhält auch einen Weg
Ebenfalls eine besondere Persönlichkeit muss jene Verena gewesen sein, welche der Legende nach in einer Höhle in der nach ihr benannten Verenaschlucht bei Solothurn gelebt und dort Blinde und «Besessene» geheilt haben soll. Dank ihren Wundern wurde sie später zur Heiligen ernannt. Dass sich die Herznacher nicht aus Zufall für die Heilige Verena als Patronin ihrer in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts erbauten Kapelle entschieden haben, liegt auf der Hand: Gilt doch die Heilige Verena, wie die anderen im Innern der Kapelle abgebildeten Heiligen, als Schutzpatronin für das im Eisenerzabbau tätige Gewerbe, welches insbesondere im 16. Jahrhundert in Herznach seine Blütezeit erlebte. Naheliegend also, dass der Weg, welcher von der Hauptstrasse weg zur Verenakapelle führt, mit dem Namen «Verenaweg» ins Strassenverzeichnis aufgenommen wurde.

Ein Steiner war Bischof von Basel
Dass sich auch hinter dem unscheinbaren Steiner Strassennamen «J.C. Hausstrasse» eine historische Persönlichkeit der katholischen Kirche verbirgt, ist hingegen womöglich nur wenigen bekannt. Die Strasse wurde dem Basler Bischof und Steiner Bürger, Johann Christoph Haus, welcher im Jahr 1652 in Stein als Sohn des Löwenwirtes Johann Jakob und seiner Frau Margaretha geboren wurde, gewidmet. Dank einer steilen Karriere – 1676 Priesterweihe, ab 1703 während 13 Jahren Generalvikar des Bistums Basel, 1704 Ernennung zum Weihbischof und schliesslich 1705 Weihung zum Bischof von Basel – setzte er sich einerseits für den Frieden von Baden, aber wohl nicht mit weniger Geschick, auch für den Aufstieg seiner Familie ein.

Fluchtweg führte durch das «Schelmengässli»
Nach keiner ausdrücklichen, aber daher wohl nicht minder interessanten Persönlichkeit ist wohl das Rheinfelder «Schelmengässli» benannt. Wobei hier wohl eher von Persönlichkeiten, also in der Mehrzahl geschrieben werden sollte. Das «Schelmengässli» in der Rheinfelder Altstadt entstand nach dem Stadtmauer-Bau und war ursprünglich der Hauptkanal des Stadtbaches. Die ehemaligen Wasser-Kanälen wurden zu Gassen umfunktioniert. So auch besagte Gasse, welche ihren besonderen Namen daher erhielt, weil sie den kürzesten (Flucht-)Weg vom Untersuchungs-Gefängnisses im Rathaus (heutiges Stadtbüro) zum Obertor (dem Stadttor im Südosten) bildete. «Wenn es also jemandem gelang, aus dem Gefängnis auszubrechen, war das der beste Fluchtweg», weiss Robi Conrad, Stadtführer in Rheinfelden zu berichten.

«Schelmenbänkli» ermöglichte Ruhe auf der Flucht vor Polizei
Im besagten Schelmengässli befindet sich auch ein «Schelmenbänkli». Dort soll der Legende nach Maria Theresia den Flüchtenden per Gesetz ein kleines Asyl gewährt haben. Wenn es also einer der Flüchtenden bis dorthin geschafft hatte, ohne vorher von den Polizisten geschnappt zu werden, durfte er sich 24 Stunden lang auf diesem Bänkli ausruhen, ohne verhaftet zu werden. Neben dem Schelmenbänkli erhielt so auch der Schwibbogen, unter welchem das Bänkli liegt, einen besonderen Namen – den Asylbogen.

Auch neuzeitliche Namensgebungen sind im Fricktal bekannt
Nicht ganz so tief in den Geschichtsbüchern des Fricktals muss jener graben, der sich für die Namensgebung des Oberfricker «Gumper-Werner-Platzes» interessiert. Die Gemeinde Gipf-Oberfrick errichtete im April 1998 zu Ehren von Werner Schmid-Benz als Anerkennung und Würdigung seiner Leistungen für die Gemeinde den besagten Platz in der Nähe des Schulhauses und unweit des Wohnsitzes des tüchtigen Bürgers, welcher sich nach über 30 Jahren im Gemeinderat, 19 Jahre davon als Gemeindeammann, im Jahr 1997 von der politischen Bühne verabschiedete.

Aufmerksame Spaziergänger und historisch interessierte NFZ-Leser dürfen nach dem Beispiel von Gipf-Oberfrick also gespannt sein, welche historischen Persönlichkeiten und Legenden, egal ob von nationaler oder regionaler Bedeutung, in Zukunft Platz im Strassenverzeichnis der Gemeinden finden werden. Wie die Recherche der NFZ ergeben hat, sind Gemeindeschreiber auch immer für Vorschläge und Ideen dankbar.


Kennen Sie historische Hintergründe zu einer Strasse in ihrem Dorf? Ist ihnen beim letzten Spaziergang ein kurioser Name in einem Fricktaler Quartier aufgefallen? Oder haben Sie einen Vorschlag, welchem Namen die NFZ unbedingt auf den Grund gehen sollte? Melden Sie sich bei redaktion@nfz.ch oder unter 061 835 00 35. Wir sind für jeden Hinweis dankbar!


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