Im Wald liegen die Baumriesen
18.01.2018 MöhlinSturm Burglind warf in Möhlin die Fichten samt Wurzeln um
Eine halbe bis eine ganze Jahresernte hat der Sturm Burglind im Möhliner Wald beschädigt. Förster Urs Steck rechnet mit einem Hektar betroffener Fläche. Mit etwas Solidarität der Nachbarn dürfte der Holzpreis allerdings stabil bleiben.
Boris Burkhardt
In Möhlin war Burglind am 2. und 3. Januar der schlimmste Sturm seit Lothar vor 18 Jahren. Urs Steck, Abteilungsleiter Wald und Landschaft der Gemeinde Möhlin, rechnet mit einem Schaden von 50 bis 100 Prozent der Jahresnutzung, das heisst, dass die Gemeinde nach dem Verkauf des beschädigten Holzes nur noch die Hälfte bis gar nichts mehr von der üblichen Jahresnutzung von 6000 Kubikmetern schlagen darf. Betroffen sind laut Steck vor allem Nadelbäume: 90 Prozent der Sturmschäden betrifft sie, obwohl sie nur 40 Prozent des Bestands der Wälder in Möhlin und Wallbach ausmachen, für die Steck mit seinem Team von vier Mitarbeitern und zwei Lehrlingen zuständig ist.
Meist sind es einzelne Bäume, die Burglind umwarf, wie Steck berichtet; an einigen Stellen habe es aber auch Flächenschäden gegeben. Eine eindrückliche Stelle befindet sich am Fusse des Sonnenbergs am Mittleren Talmattweg: Auf einer Fläche von etwa 40 Aren liegen hier 50 Bäume auf dem Boden. Das herausgerissene Wurzelwerk und das daran hängende Erdreich wirken mit über drei Metern Durchmesser gigantisch. Fast wie auf einem Elefantenfriedhof kommt sich der Betrachter inmitten dieser Baumriesen vor. Wenn Steck vor einem solchen Wurzelstock steht, der ihn um doppelte Länge überragt, wird einem bewusst, welche Kraft Burglind hatte.
Enorme Kraft
Ein solch grosser Wurzelstock bedeutet aber auch, dass der Baum seine Wurzeln nur flach in die Erde gräbt; mehr lasse der lehmige Boden am Sonnenberg nicht zu, erklärt Steck. Zusätzlich sei das Erdreich durch den Regen der letzten Wochen sehr nass und biete kaum Halt. Deshalb seien vor allem Fichten als Flachwurzler vom Sturm betroffen: Der Wind kippte sie, wie am Talmattweg, samt Wurzeln am Stück um. Generell böten Nadelbäume im Winter mehr Angriffsfläche als die blätterlosen Laubbäume, erklärt Steck weiter. Das gelte besonders für die Steilränder im Wald, wo der Sturm direkt auf hohe Bäume pralle.
Dies wird besonders deutlich an einem weiteren Schadensort am Chuelespizweg in Richtung Wallbach: Hier hatten Steck und seine Mitarbeiter erst im vergangenen Jahr eine grosse Fläche, die vom Borkenkäfer befallen war, abgeholzt und aufgeräumt. Die so entstandene Lichtung bot Burglind eine grosse Angriffsfläche auf die nebenstehenden Bäume. Hier wurzeln einige Bäume offensichtlich tiefer, denn viele Stämme sind im unteren Bereich zersplittert und abgebrochen. Auch dieser Anblick bezeugt die Naturgewalt Burglinds. Der Besitzer eines kleinen Bauwagens, der hier auf einem Waldweg abgestellt ist, hatte Glück, wie Steck bemerkt: Der Wagen steht nun inmitten von umgestürzten Bäumen, hat aber selbst keinen Kratzer abbekommen.
Steck und sein Team werden auf der sturmgeschädigten Fläche am Chuelespizweg nicht nur die umgestürzten Bäume entfernen, sondern auch jene fällen, die der Sturm verschont hat. «Es ist zu gefährlich, so nahe an der Strasse einzelne Bäume stehen zu lassen», sagt Steck. Sie wären dem nächsten Sturm schutzlos ausgeliefert. Die von Käfern und Sturm betroffene Fläche, die unplanmässig abgeholzt werden muss, ist insgesamt zwei Hektaren gross: «Das ist schon eindrücklich.»
Sicherheit geht vor
Insgesamt schätzt Steck, dass ein Hektar des Waldes in Möhlin und Wallbach vom Sturm beschädigt wurde. Genau wisse er das aber erst, wenn die Räumarbeiten erledigt seien. Das werde vermutlich noch zwei Monate dauern: «Es ist wichtig, dass man die Aufräumarbeiten ruhig und ohne Hektik plant.» Denn ohne die nötigen Vorsichtsmassnahmen ist die Arbeit für seine Männer lebensgefährlich. Man könne nie mit Sicherheit sagen, welche Spannungen in einem umgestürzten Stamm steckten, erklärt Steck, erst recht nicht in einem Wurzelstock: «Er kann nach vorne oder hinten umstürzen, wenn der Stamm zertrennt wird.» Steck muss auf grosse Vollernte-Maschinen warten, die eine externe Firma stellt.
In den ersten Tagen nach Burglind war es die vorrangige Aufgabe der Möhliner Förster, die wichtigsten Waldstrassen und -wege freizuräumen, so der Schlossplatz und die Maispracher Strasse über den Sonnenberg. Nur zwei Waldwege sind derzeit noch gesperrt. Steck hat wenig Verständnis für Waldnutzer, die die Warnhinweise und Sperrungen missachten: «Die Leute können die Gefahr nicht einschätzen und meinen, sie müssten auch bei Sturm durch den Wald gassigehen, weil sie da immer gehen.» Für ihn und sein Team sei das sehr unangenehm, weil der Waldbesitzer immer eine Mithaftung trage.
Trotz der eindrücklichen Schäden will Steck Burglinds Wüten in Relation gesetzt wissen: «Lothar richtete Schaden in x-facher Höhe einer Jahresnutzung an.» Steck zählt nun auf die Solidarität der benachbarten Forstreviere und Privatbesitzer: «Wenn sich die nicht-betroffenen Gebiete mit ihrem Holzumsatz dieses Jahr etwas zurückhalten, sollten wir Burglind ohne Einbussen beim Holzpreis überstehen können.» Die Nachfrage bestimmt auch beim Holz den Preis: Gibt es durch Sturmschäden erzwungenermassen mehr Holz zu verkaufen, sinken die Preise, wie es mit extremen Folgen nach Lothar geschah. Laut Steck ist es üblich, dass im Falle lokaler Sturmschäden benachbarte Förster dem geschädigten Förster gegen Lohn bei den Aufräumarbeiten helfen und dafür im eigenen Wald weniger Holz schlagen. Ähnliche Schäden wie in Möhlin habe es im Fricktal sonst nur noch in Kaisten und Klingnau gegeben.