Zeit schenken
20.05.2022 MöhlinDie Pandemie hat den Besuchsdienst Möhlin hart getroffen. Ein Aufstecken allerdings liegt nicht drin und dafür stehen sie ein: Maria-Pia Scholl (von links), Marlise Meyer, Marlies Bucher, Hedi Soder, Hedy Mangold und Renate Odermatt. Mit Ausnahme von Marlies Bucher bilden diese Frauen den Vorstand. Bucher wurde für ihr jahrelanges Engagement geehrt. (rw)
Wie war nochmal sein Name?
Damit kein Mensch vergessen geht: Besuchsdienst Möhlin soll wieder wachsen
Die Pandemie hat den Besuchsdienst Möhlin und damit vor allem die Menschen, die ihn beanspruchen, hart getroffen. Nun geht es darum, die Solidarität neu keimen zu lassen.
Ronny Wittenwiler
Marlies Bucher lässt das Kämpfen nicht. «In einem Dorf mit über 11 000 Einwohnern müssen wir es doch zustande bringen, einsame Menschen zu besuchen.» Am Ende des Abends sollte Möhlins alt Gemeinderätin allerdings auch sagen: «Ich bin jetzt richtig erleichtert.» All das ereignete sich vergangenen Dienstag, die Runde war überschaubar, umso grösser die Bereitschaft der Beteiligten. Es ist die Bereitschaft, den vor sechzehn Jahren aus der Taufe gehobenen Besuchsdienst Möhlin weiter am Leben zu erhalten.
Unsichtbare Einsamkeit
Zuerst als Trägerschaft, ging die Institution vor fünf Jahren in einen Verein über. Bucher war seit jeher das Gesicht dieser Körperschaft, sie kümmerte sich um Finanzen, Vermittlung, war Geschäftsstelle in Personalunion und schon damals sagte sie Sätze wie diese: «Das ist halt ein wenig unsere verrückte Welt heute. So viele Dinge sind leider oft wichtiger als der direkte Kontakt zum Nachbarn.» Noch konnte damals keiner ahnen, dass diese Welt noch eine Spur verrückter werden sollte. Corona brachte die Aktivität des Besuchsdienstes praktisch komplett zum Erliegen. Die Türen blieben zu und gerade das führte das Ganze ad absurdum: Hinter verschlossenen Türen ist die Einsamkeit erst recht nicht sichtbar.
Der Besuchsdienst Möhlin aber möchte jetzt nicht nur den Fuss wieder in den Spalt halten, sondern wieder richtig Zeit haben, Zeit schenken. Deshalb kommt die Erkenntnis auch einem Aufruf gleich: Was jetzt gebraucht wird, sind Frauen und Männer, die sich bereit erklären, einsame und damit vorwiegend ältere Menschen zu besuchen. Der pandemiebedingte Stillstand die letzten zwei Jahre erfordert quasi einen Neuaufbau.
Von Marlies Bucher übernimmt Hedi Soder das Vereinspräsidium, Hedy Mangold zeichnet künftig für die Vermittlung verantwortlich und Renate Odermatt für die Finanzen; zusammen mit Maria-Pia Scholl und Marlise Meyer bilden sie den fünfköpfigen Vorstand und sie alle waren quasi für die grosse Erleichterung von Marlies Bucher verantwortlich, dass der Besuchsdienst Möhlin in die Zukunft geführt wird. Denn, da waren sich alle einig: Vereinsamung von Menschen ist eine Tatsache. Damit all diese Menschen nicht in Vergessenheit geraten, dafür will der Besuchsdienst Möhlin weiterhin kämpfen. Was es jetzt braucht, sind Freiwillige.
Interessierte Freiwillige (Besuchende) aber auch Personen, welche den Besuchsdienst selber in Anspruch nehmen wollen oder jemanden kennen, können sich bei der Vermittlungsstelle melden: Telefon 077 402 94 69
Mit offenen Armen
Symbolischer für den Wiederaufbau nach Corona hätte kaum ein Präsent sein können als jenes, das die neue Präsidentin Hedi Soder den Anwesenden nach der Generalversammlung mit auf den Heimweg gegeben hatte: eine Saatkugel mit Pflanzensamen. Genauso solle auch der Besuchsdienst wieder wachsen, erklärte Soder. Marion Wegner-Hänggi, Vorsitzende der Geschäftsleitung im Wohn- und Pflegezentrum Stadelbach, bedankte sich für das Engagement des Besuchsdienstes zum Wohl der Bewohnenden (auch hier wird der Besuchsdienst nach Corona wieder aktiviert). Hans Metzger, Gemeinderat, zeigte sich ebenfalls froh, dass der Besuchsdienst wieder seine Arbeit aufnimmt, sicherte seitens Gemeinde Unterstützung zu. Marlies Bucher, in Anerkennung ihrer jahrelangen Verdienste, wurde zum Ehrenmitglied ernannt. (rw)