Buchdrucker gegen Förster

  01.10.2015 Aargau, Natur, Möhlin, Wallbach, Wirtschaft, Brennpunkt, Oberes Fricktal, Gemeinden, Landwirtschaft, Unteres Fricktal

Von Ronny Wittenwiler

Ist der Sommer heiss und trocken, kommen bei den Borkenkäfern ganz besondere Frühlingsgefühle auf: Sie vermehren sich schlagartig. Doch Babyglück hin oder her, die explodierende Geburtenrate bei den Borkenkäfern treibt anderen den Schweiss auf die Stirn. Urs Steck zum Beispiel. Dem Möhliner Revierförster macht der Borkenkäfer derzeit im wahrsten Sinne des Wortes einen Strich durch die Bestandsrechnung. Denn statt dass viele der stattlichen Fichten im Möhliner Wald noch dreissig, vierzig oder noch mehr Jahre weiter wachsen können, müssen sie plötzlich gefällt werden. Der Borkenkäfer hat sie innert kürzester Zeit lahmgelegt, genauer gesagt: der Buchdrucker war es. Er ist eine von über hundert in der Schweiz vorkommenden Borkenkäferarten, er gehört zu den bekanntesten.

Ein Hochsommer, zwei Nachteile
Da hat es die Natur wohl gleich zweimal schlecht gemeint mit dem Förster beziehungsweise den Fichten. Die langanhaltende Trockenheit während des Hochsommers 2015 hat nämlich nicht bloss die Massenvermehrung des Buchdruckers begünstigt, sondern im gleichen Masse auch für eine Schwächung der Fichten geführt. Als sogenannter «Flachwurzler» sei die Fichte anfälliger auf die Trockenheit als andere Bäume, sagt Steck. Wahrlich eine Krux, die auch von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL bestätigt wird: Gerade durch Trockenheit geschwächte Fichten würden zum bevorzugten Brutmaterial des Buchdruckers gehören, heisst es dort. Das bedeutet also: Der Hitzesommer begünstigte die Vermehrung der Borkenkäfer einerseits, andererseits sorgte er zugleich mit einer Schwächung der Fichten dafür, dass Tierchen einen beliebten Tummelplatz finden.
«Immerhin», sagt Steck und begutachtet den eben erst notwendig gewordenen Kahlschlag auf einer Fläche direkt neben der stillgelegten Kläranlage in Wallbach: «immerhin war der Frühling genug feucht, sonst wäre die Borkenkäferdichte jetzt noch höher.» Hier auf dieser Waldrandfläche musste eine ganze Gruppe Fichten gefällt werden – innert kürzester Zeit hatte der Borkenkäfer die Bäume befallen und liess sie absterben.
«Das sind jeweils richtige Nester, die auf konzentriertem Raum zwanzig, dreissig Bäume befallen können», sagt Steck, entfernt die Rinde einer gefällten Fichte und zeigt, wie er das meint: zum Vorschein kommen Borkenkäferlarven. Nach der Eiablage des Borkenkäfers, fressen sich diese Larven unter der Rinde durch den Baum und lassen diesen dann absterben (siehe Box). Nicht bloss, dass durch den Befall die Bäume früher als geplant gefällt werden müssen: Für solch sogenanntes «Käferholz» werden, das versteht sich von selbst, auch entsprechend schlechtere Preise bezahlt; ausserdem verfärbt es sich blau.

Grenzenlos
Der Buchdrucker hat sich natürlich nicht bloss zwischen Möhlin und Wallbach gütlich getan, sondern überall dort in der Schweiz, wo die Voraussetzungen für das Tierchen gegeben waren: trockene Witterung also in Kombination mit Fichten. Nachdem sich die NFZ mit Förster Steck auf den kleinen Borkenkäfer-Exkurs begeben hatte, berichtete noch am selben Abend die SRF 1-Sendung «Schweiz Aktuell», wie im Zürcher Unterland seit letzten August mehrere hundert Fichten gefällt werden mussten. Und so bleibt genau wie Steck und den Mannen im Forstgebiet Möhlin und in Wallbach allen anderen Betroffenen nichts anderes übrig, als die kranken Bäume ausfindig zu machen und samt Borkenkäferlarven zu entfernen – bevor die Käfer im Frühling wieder ausfliegen und sich die nächsten Fichten auf ihrem Speiseplan vornehmen. Hinein in diese Arbeit spielt auch die Hoffnung vieler Förster, wie sie Steck gegenüber der NFZ zum Schluss äusserst: «Es wäre wichtig, wenn der nächste Frühling nicht zu trocken würde, sonst wird die Massenvermehrung der Borkenkäfer noch stärker.»

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Ein bisschen Biologie
Der erwachsene Buchdrucker ist rund 5 mm lang und dunkelbraun gefärbt. Er brütet in der Rinde. Er ist einer der wenigen Borkenkäfer, die bei günstigen Bedingungen ausgeprägt zu Massenvermehrung neigen und zu ausgedehnten Absterben von Bäumen führen können. Der Buchdrucker befällt praktisch ausschliesslich Fichten. Normalerweise besiedelt er kranke, gestresste oder frisch gefallene Bäume. Man spricht von attraktiven und bruttauglichen Fichten. Pioniermännchen suchen fliegend nach geeigneten Brutbäumen. Sie werden von Duftstoffen (Kairomone) der Bäume und Lockstoffen (Pheromone) von Artgenossen angelockt. Eine gesunde Fichte kann anfliegende Borkenkäfer durch Harzfluss abwehren. Sind aber Käferdichten sehr hoch, können die Tier auch anscheinend gesunde Bäume besiedeln. Der intensive Frass der Larven und Jungkäfer unter der Rinde unterbricht den Saftstrom in der Rinde und die befallenen Bäume sterben ab.            

Quelle: Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL


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