«Jetzt ist der richtige Zeitpunkt»

  17.06.2020 Mettau

Das Restaurant Linde in Mettau öffnet nicht mehr

Das noch einzige Restaurant in Mettau, die «Linde», bleibt für immer geschlossen. Eine «Austrinkete» wird es nicht geben. Schuld an Letzterem ist das Schutzkonzept im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.

Bernadette Zaniolo

«Das Coronavirus ist ein Graus, es entsteht der Ruhestand daraus. Wir haben uns entschlossen, die Türen bleiben geschlossen. Danke, Ihr lieben Gäste für die vielen grossartigen Feste.» Mit diesen Worten machen Gisela und Roland Schaller deutlich, dass die Türen des Restaurant Linde in Mettau für immer geschlossen bleiben. Den Gästen und der Bevölkerung war schon länger klar, dass diese Schliessung kommen würde, denn beide sind im Pensionsalter (Gisela feiert in diesem Jahr den 70. Geburtstag und Roland ist 72 Jahre alt).

«Ich habe immer gesagt, wenn der Kirchenchor aufhört, höre ich auch auf», sagt Gisela Schaller, geborene Zumsteg, mit einem Schmunzeln. Der Chor wird auf Ende Jahr aufgelöst (die NFZ berichtete). Die Mitglieder des Kirchenchores und der Musikgesellschaft gehörten zu jenen Gästen, die regelmässig nach der Probe im «letzte Chilebänkli» oder «de Pinte», unter welchen Begriffen das Restaurant auch bekannt ist, Platz nahmen. Über die Jahre kehrten auch viele Wandergruppen – aus dem Baselbiet oder auch aus der Innerschweiz – in der «Linde» ein. Im Sääli zeugen Fahnen und Pokale davon, dass es in Mettau auch einmal einen Turnverein und eine Jugi gab. Vor dem Wechsel in die Turnhalle führte der aufgelöste Kleintierzüchterverein jeweils die Ausstellungen im Sääli der «Linde» durch. Auch der Frauenturnverein und der Landfrauenverein, welchen Gisela Schaller angehörte, haben sich vor ein paar Jahren aufgelöst.

Geranien gekauft und es kam doch anders
«Wir haben immer gesagt, wir hören auf, solange wir noch mögen. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt», so Gisela Schaller zum Entscheid, einen Schlussstrich unter das Gastronomiekapitel zu ziehen. Dies obwohl es am 6. Mai – als sie im örtlichen Blumenladen viele rote («diese Farbe liebe ich») Geranien kaufte – noch danach aussah, dass es eine Wiedereröffnung geben würde. Mit einem Messband zeigt Roland Schaller der Journalistin, was das coronabedingte Schutzkonzept für das Restaurant Linde bedeutet. Für das Wirtepaar der entscheidende Grund, die Türen gar nicht mehr zu öffnen. «Eine Austrinkete in fünf oder sechs Monaten durchzuführen macht keinen Sinn», sind Gisela und Roland Schaller überzeugt. Die Vereine, der Gemeinderat und die ehemaligen Mitarbeiterinnen seien über die Schliessung persönlich informiert worden.

«Bis jetzt vermisse ich es nicht»
Während des Corona-Lockdowns genossen Gisela und Roland Schaller die Zeit mit ihren drei Töchtern (Nicole, Kathrin und Iris) und den mittlerweile fünf Enkeln und die täglichen Spaziergänge wurden immer länger. Diese positiven Erfahrungen dürften denn auch ein weiterer Grund gewesen sein, in Pension zu gehen. «Bis jetzt vermisse ich es nicht», verrät Gisela Schaller. Dennoch: «Wir hätten sonst wohl noch dieses und wahrscheinlich nächstes Jahr gemacht.» Bereits an der Metzgete im November 2019 hätten sie jedoch den Gästen gesagt, dass dies die «letzte Metzgete» sei.

Dieser lange auch als traditionelle «Bauernmetzgete» bekannte Gaumenschmaus lockte auch Gäste von weit über die Region hinaus in die «Linde». Aber auch die gut bürgerliche Küche, das gute Preis-/Leistungsverhältnis sowie das Geniessen des Feierabendbieres bei einem Stück Speck, Rauchwürsten oder Wurstsalat bleibt vielen Gästen in schöner Erinnerung.

Das Militär und die Tänze
Mit Freude erinnert sich Gisela Schaller an die «Militärzeit» zurück, an jene Zeit, in welcher das Militär während den Wiederholungskursen noch im Dorf einquartiert war. «Da lief etwas. Morgens um 6 Uhr wurde Kaffee ausgeschenkt», sagt Gisela Schaller und gerät fast in Fahrt, wie als sie und andere Frauen jeweils am 1. August zum Tanz «aufliefen».

Gisela Schaller wollte eigentlich gar nie wirten. In der fünften Klasse hat sie ihrem früh verstorbenen Vater (1972 im Alter von 50 Jahren) gesagt, dass sie Krankenpf legerin werden wolle. Doch daraus wurde nichts. Gisela bediente schon bald die Gäste, half im Betrieb ihrer Eltern Ferdinand und Laura mit, wo sie gebraucht wurde und absolvierte 1978 das Wirtepatent. Nebst dem Wirten wurde auch Landwirtschaft betrieben. «Sie mussten chrampfen. Das war wohl zu jener Zeit in vielen Familien so», siniert Gisela Schaller. Es ist ein Moment, wo die Gedanken ans «Grosi», wie ihre Mutter Laura von allen Familienmitgliedern liebevoll genannt wurde sowie an ihren Bruder Ferdinand, welcher im Alter von 25 Jahren (1977) tödlich verunglückte, Raum bekommen. Dies weckt auch bei Roland Schaller Erinnerungen. «Mein Bruder ist im selben Jahr an Krebs gestorben». Schnell sind an diesem Nachmittag die düsteren Gedanken jedoch wieder verzogen, als zwei der Töchter mit ihren Kindern zu Besuch kommen.

Vom Freileitungsmonteur zum Koch
Nicht zu Besuch, sondern zum Arbeiten kam Roland Schaller mit 19 Jahren von Olten nach Mettau. Und er blieb. Zuerst arbeitete er 19 Jahre als Freileitungs- und Telefonmonteur bei der R. Hegi AG. Nach der Heirat mit Gisela half er vorwiegend beim «Bauern» mit. «Das Buure habe ich gerne gemacht», verrät Roland Schaller der NFZ. Nebst Acker- und Obstbau hielt er auch 20 Schafe. Diese waren für ihn mehr als Tiere, die später als Nahrung verwertet wurden. Immer öfters zog es Roland in «Grosis» Küche, wo er auch das Koch-Handwerk erlernte. «S Grosi isch e gueti Chöchin gsi», betonen Roland und Gisela Schaller.

Am 1. April 1987 übernahmen Roland und Gisela Schaller das Restaurant von Giselas Eltern beziehungsweise ihrer Mutter. Nach 33 Jahren geht diese Ära zu Ende und auch das Wirtekapitel. Die Familie Zumsteg – eine Wiler Abstammung – verpflegt die Gäste schon seit 1892 in Mettau; ab 1957 bis 1987 waren es Giselas Eltern. Trotz diverser Schicksalsschläge und viel Arbeit sagt Gisela Schaller: «Wir hatten ein gutes Leben.» Froh ist sie, die Krankenpflegerin lernen wollte, dass sie ihre Mutter bis zu ihrem Tod im 92. Altersjahr zu Hause haben konnte. Das hiess in den letzten Lebensjahren, nebst langer Präsenzzeit und Arbeit in der Wirtschaft, auch Pflegearbeit. Angesprochen auf die Doppelbelastung Familie und Wirtschaft, verrät Gisela Schaller: «S Grosi isch so alt worde wäg de Grosschind». Ihre Mutter habe auch immer gesagt: «Ihr habt alle Tage ein Sonntagsessen»; am Dienstag (letzte Woche) war dies für die nun definitiv Pensionierten «Spaghetti Bolognese».

Auch Persönlichkeiten zu Gast
Im Restaurant Linde kehrten über die Jahre unzählige Gäste ein. Dazu gehören auch Persönlichkeiten wie etwa der frühere Tagesschausprecher Heiri Müller, der Restaurant-Experte Leo Egloff aus Baden, der frühere Skirennfahrer Pirmin Zurbriggen und weitere. Gisela und Roland Schaller bedanken sich an dieser Stelle bei ihren früheren Mitarbeiterinnen Melita Zumsteg, Marie-Therese Ley und Therese Erdin. Sie standen auf Abruf zur Verfügung, wenn grosse Gruppen kamen oder etwa bei der Metzgete und Wildessen. Das Wild lieferten jeweils die Jagdgesellschaften Stutz und Meiershalde. Die «Linde» war auch für die Mitglieder der Jagdgesellschaften ein beliebter Treffpunkt.

Roland Schaller war auch 20 Jahre Brunnenmeister in Mettau. 1970 hat er die Lastwagenund 1980 die Carprüfung gemacht und war als Aushilfe beim Bus- und Postautounternehmen Keller Hottwil tätig und hat auch unzählige Schüler transportiert.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote