Harte Schale, kostbarer Kern

  13.05.2020 Natur, Nordwestschweiz

In der Schweiz werden immer weniger Baumnüsse geerntet. Am Agroscope-Steinobstzentrum Breitenhof in Wintersingen wird nun erforscht, wie der Anbau modernisiert werden kann. Für Landwirte könnten Nüsse ein interessantes Nischenprodukt sein.

David Thommen – Volksstimme

WINTERSINGEN. Thomas Schwizer, der Leiter des Agroscope- Steinobstzentrums auf dem Breitehof in Wintersingen, führt den Journalisten beim Besuch auf ein etwas abseits gelegenes Feld, auf dem 140 kleine Bäume – eher noch gut daumendicke und rund 2,5 Meter hohe Ruten – zaghaft in den blauen Himmel wachsen. Es handelt sich um Nussbäume. Gepflanzt wurden die Bäumlein vor rund einem Jahr. Während zehn Jahren soll hier auf dem Versuchsbetrieb in Wintersingen erforscht werden, wie der Anbau von Baumnüssen in der Schweiz optimiert werden könnte. Die Kantone, die den Breitenhof finanziell unterstützen, haben den Versuch genehmigt. Das Interesse kam vor allem aus der Westschweiz und dem Kanton Bern. In der Nordwestschweiz hingegen fristet der Nussanbau bisher eher ein Schattendasein.

Maschinelles Schneiden
Sechs Meter Abstand liegt zwischen den einzelnen Bäumen in den langen Reihen. Anders als die mächtigen und landschaftsprägenden Nussbäume, wie wir sie kennen, werden die Bäume in der Versuchsanlage tief gehalten. Sie werden so «erzogen», dass sie keine eigentliche Krone ausbilden, sondern ausgeprägt in die Breite wachsen. Ziel ist es, dass die Bäume in einigen wenigen Jahren eine lange, geschlossene «Wand» bilden: «Es soll ausschauen wie eine grosse Thujahecke», verdeutlicht Schwizer.

«Wände» sind einfacher zu bearbeiten als Einzelbäume. Vor allem der sonst so aufwändige Schnitt der Bäume im Winter kann bei dieser Anbauart maschinell erfolgen. Und einen regelmässigen Schnitt braucht es: Denn bei den gewählten Nussbaumsorten Fernor und Lara handelt es sich um so genannt lateral tragende Sorten. Die Frucht, also die Nuss, wächst nicht nur am Ende des Triebes wie bei anderen Nussbaumsorten, sondern zusätzlich auch noch an den Seitenknospen. Durch häufiges Schneiden bilden die Bäume viele Triebe und damit auch Seitenknospen aus, wodurch sich der Ertrag steigern lässt.

Entdeckt hatte Schwizer diese noch junge Anbauform in Frankreich, in der Nähe von Grenoble, dem «Nusszentrum» Frankreichs. Die Produktion mit den «Baumnusshecken» funktioniere dort bereits gut. Dennoch sei Forschung hierzulande zwingend nötig, da Klima und Bodenbeschaffenheit in der Schweiz ganz anders seien. «Unser Weg zum Ziel wird ein anderer sein als in Frankreich», so Schwizer.

Die Baumnussproduktion in der Schweiz ist in den vergangenen Jahrzehnten stetig zurück gegangen. Nussbäume seien bei den Landwirten seit jeher nicht besonders beliebt, so Schwizer. Wo die mächtigen Bäume stehen, wächst kaum noch Gras. Einerseits wegen des Schattens, andererseits, weil die Nussbaumblätter beim Verrotten Gerbsäure freisetzen, was das Graswachstum hemmt.

Dem Rückgang bei der Schweizer Nussproduktion steht allerdings eine steigende Nachfrage nach einheimischen Nüssen gegenüber. Walnüsse könnten zwar zu konkurrenzlos günstigen Preisen aus China, Ungarn oder Frankreich importiert werden, sagt Schwizer, doch häufig sei die verarbeitende Nahrungsmittelindustrie mit der Qualität der Ware nicht glücklich: Sind die Nüsse bereits etwas älter, werden sie rasch ranzig.

Chance für Landwirte
Für die Schweizer Landwirte gebe es somit eine Nische: Frische «Premium»-Nüsse könnten eine Chance sein. Finanziell interessant wird es laut Schwizer vor allem dann, wenn die Nüsse in der Schweiz veredelt werden können – also hier geknackt und als frische Kerne verkauft werden. Auch einheimisches Baumnussöl sei gefragt. Um die Verarbeitung der Nüsse mache sich der Breitenhof allerdings keine grossen Gedanken, sagt Schwizer. Dies sei Sache der Landwirte, und diese hätten sich bereits zu Gruppen zusammengeschlossen. So ist derzeit beispielsweise ein leistungsfähiger maschineller Nussknacker in Entwicklung. Federführend sind vor allem Landwirte aus Graubünden: Sie forcieren derzeit nicht nur stark den Baumnussanbau, sondern auch die Weiterverarbeitung der Ernte. Die «Swissness»-Gesetzgebung lässt es nicht mehr zu, dass nur Importnüsse auf die berühmte Bündner Nusstorte kommen.

Allerdings hofft Schwizer, mit dem Wintersinger Versuch auch hiesige Bauern «anzustecken». Die Bedingungen für den Anbau seien hier vermutlich ausgezeichnet, und Abnehmer werde man in der Nordwestschweiz ebenfalls finden. Von Vorteil für die Bauern sei zudem, dass die Baumnussernte erst spät im Herbst erfolge; bis in den November hinein. Die Landwirte könnten somit ihre Erntesaison verlängern. Die Ernte stellt im Übrigen keine besondere Herausforderung dar: Man wartet in aller Regel, bis die Nüsse von selber auf die am Boden ausgelegten Netze fallen. Für Schwizer auf dem Breitenhof heisst es nun abwarten. Drei oder vier Jahre dauert es, bis die Bäume die ersten Früchte produzieren. Besonders anspruchsvoll ist der Anbau nicht. Spritzmittel müssten voraussichtlich nicht eingesetzt werden und eine intensive Düngung sei nicht nötig. Der Anbau von Baumnüssen könne auch nach biologischen Richtlinien erfolgen.

Wobei in einzelnen Jahren ein Schädling überhand nehmen und hin und wieder auch eine ganze Ernte zunichte machen kann: Die Walnussfruchtf liege. Die legt ihre Eier ins grüne Fruchtf leisch, das sich in der Folge schwarz verfärbt. Die Nuss werde dadurch unansehnlich, eine Weiterverwertung lohne sich dann nicht mehr. Die Fliege stammt – wie die Baumnuss selber – aus Kleinasien. Das Insekt wurde aber nicht wie beispielsweise die Kirschessigfliege erst kürzlich eingeschleppt, sondern hat sich natürlich verbreitet. Sie ist den Bäumen gefolgt, die einst von den Römern nach Europa und zu uns gebracht wurden. Die Römer haben den Anbau einst stark gefördert: Nüsse waren gut haltbarer und kalorienreicher Proviant für die Legionen.


Die Nuss, ein Steinobst?

Auf einer Anhöhe auf dem Breitenhof steht ein kleiner Wald mit mächtigen Nussbäumen verschiedenster Sorten. Seit Jahrzehnten wird hier am Steinobstzentrum in Wintersingen die Baumnuss erforscht. Doch warum eigentlich? Die Walnuss, ein Steinobst?

Ja und nein, sagt Forschungsleiter Thomas Schwizer. Die Walnuss sei zwar eine eigene Gattung, die Frucht selber sei aber sehr wohl beispielsweise mit einer Kirsche vergleichbar. Beim grünen Äusseren, das landläufig als Schale bezeichnet wird, handle es sich eigentlich um das Fruchtfleisch. Die Nuss selber ist mit dem Stein einer Kirsche zu vergleichen. Parallelen gebe es also, daher passe die Baumnuss gut ins Agroscope-Steinobstzentrum. Was freilich nichts daran ändert, dass auf dem Breitenhof im Auftrag von Bund und einigen Kantonen vor allem der Anbau von Kirschen und Zwetschgen erforscht wird. Auch Aprikosenbäume werden kultiviert. Viel zu ernten wird es bei den Aprikosen in diesem Jahr allerdings nicht geben: Die Bäume blühten ausgesprochen früh und der Frost von Ende März richtete grossen Schaden an.


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