Sein Einsatz für den Bio-Landbau geht weiter

  10.03.2020 Frick

30 Jahre lang hat Urs Niggli die Entwicklung des FiBL mitgeprägt

Im Interview mit der NFZ erzählt FiBL-Direktor Urs Niggli über die stete Entwicklung des Forschungsinstitutes zu einer weltweit anerkannten Unternehmung. Auch nach seiner Pensionierung Ende März wird der Fricker auf strategischer Ebene weiterhin für das FiBL unterwegs sein.

Susanne Hörth

Wenn Urs Niggli Ende März nach 30 Jahren als Direktor des Forschungsinstitutes für biologischen Landbau (FiBL) in Frick aufhört, so bedeutet das für den 66-Jährigen noch lange nicht Ruhestand. Er wird weiterhin für das Forschungsinstitut unterwegs sein und zudem in Frick die Beratungsfirma «agroecology. science AG» gründen. Der Agrarwissenschaftler, der in seinem Engagement für die Bio-Sache kaum Pausen kennt, lacht und sagt: «Ich werde wohl bald wieder komplett überfordert sein, und das liebe ich.»

NFZ: Herr Niggli, das FiBL, einst als kleines Institut mit 20 Mitarbeitenden gestartet, ist längst ein führendes Bio-Forschungsunternehmen weltweit. Der Mitarbeiterstab ist auf 200 Personen angewachsen. Was bringt die Zukunft?
Urs Niggli:
Das FiBL wächst in den nächsten drei Jahren weiter, dank einer Aufstockung der Bundesfinanzierung, Es wird wohl bald gegen 300 Leute gehen. Das haben wir auch so für den Ausbau des Standorts Frick geplant. Darüber hinaus arbeiten unter dem Namen FiBL noch weitere 100 Leute in den EU-Ländern.

Was gehört für Sie in der Erfolgsgeschichte des FiBLs zu den persönlichen Meilensteinen?
Meilensteine? Sicher der ungeheure Erfolg der Bioprodukte auf dem Markt. Dazu haben wir durch die verbesserte Produktionstechnik massiv beigetragen. Ein Bioprodukt muss schön aussehen, in genügender Menge verfügbar sein und zu Hause nicht verderben. Das alles ohne chemische Pflanzenschutzmittel und mit viel weniger Dünger. Die Forschung und Beratung dahinter machen mich stolz. Der Schritt in die Nachbarländer war für mich wichtig, dann erfolgreiche Projekte in Afrika, Asien und Lateinamerika. Auch der Aufbau eine der grössten Zertifizierungsfirmen weltweit, die EasyCert AG, die Muttergesellschaft der in Frick ansässigen bio.inspecta AG. Und natürlich die Begegnung mit unzähligen höchst interessanten Persönlichkeiten.

Was kommt für Urs Niggli nach dem FiBL? Endet mit dieser Ära auch Ihr Engagement für Bio?
Ich werde als Präsident von FiBL Österreich, Deutschland und Europa auf der strategischen Ebene weitermachen. Dazu werde ich sehr viel Zeit in Wien, Frankfurt, Berlin und Brüssel verbringen. Mein persönlicher Beitritt zur EU, für die ich viel Sympathie habe! Daneben gründe ich in Frick eine eigene Beratungsfirma mit dem Namen «agroecology. science AG».

Besteht dafür eine Nachfrage?
Es gibt einen grossen Bedarf nach wissenschaftsbasierter Beratung mit einem gewissen visionären Flair. Ich werde wohl bald wieder komplett überfordert sein, und das liebe ich. Ein weiser Bekannter, der über 70 ist und noch immer ein Unternehmen leitet, hat mir kürzlich gesagt: «Hör nicht auf, sonst wirst Du ein altes Pappeli, der in Frick zwischen dem Coop-Restaurant und dem Café Kunz hin und her pendelt». Nein, auf meinen Dienstreisen gehe ich abends in Wien in das Burgtheater, in Berlin in die Staatsoper, in Frankfurt in das Städel und in Brüssel in das Théâtre Royal de la Monnaie.


«Ich hätte es mir in meinen kühnsten  Träumen nicht vorstellen können»

Direktor Urs Niggli erinnert sich an die Anfänge des FiBL

Unter der Leitung von Urs Niggli hat sich das FiBL in Frick in den letzten Jahrzehnten zu einer weltweit anerkannten Institution für biologischen Landbau entwickelt. Nun geht der Agrarwissenschaftler und Vordenker des biologischen Landbaus Ende März in den Ruhestand. Dem Thema Bio hält er weiterhin die Treue.

Susanne Hörth

Als Urs Niggli vor 30 Jahren Direktor des FiBL wurde, arbeiteten gerade einmal 20 Leute hier. Nun, drei Jahrzehnte später, blickt der mittlerweile 66-Jährige voller Stolz auf ein nach wie vor wachsendes Unternehmen. Im Gespräch mit der NFZ blickt Urs Niggli in seine Anfangsjahre beim FiBL zurück. Er freut sich über den grossen Erfolg der Bioprodukte auf dem Markt. Er weist auch darauf hin, dass mit dem Ausbau am Standort Frick hier bald rund 300 Personen arbeiten werden.

NFZ: Herr Niggli, wenn Sie sich selbst beschreiben müssten, als Sie 1990 die FiBL-Direktion übernommen haben, wie würde dieser Beschrieb ausfallen? Urs Niggli: Ich war sehr engagiert für die Ökologie in der Landwirtschaft und war motiviert, aus einem kleinen Vordenker-Institut etwas Besonderes zu machen. Aber ich war auch etwas naiv und eher ein Provinz-Ei.

Hat sich diese Erwartung von damals, dem Gestalten von etwas Besonderem, erfüllt?
Ich war damals unsicher, ob ich im unsicheren Umfeld einer ideellen Organisation, die wenig sichere Gelder hatte, überhaupt überleben konnte. Ich war ja zuvor ein Staatsbediensteter. Ich habe aber schnell gelernt, mich wie ein Unternehmer zu verhalten und habe bei Stiftungen, beim Bund, bei den Kantonen, bei der Industrie und bei der EU Geld geholt. Ich wollte stets gute Forschungs- und Beratungsprojekte finanziert kriegen, dafür die besten Leute anstellen, aber auch eigene wirtschaftliche Entwicklungen angehen, wie zum Beispiel die Kontrolle und Zertifizierung von Biobetrieben. So wie das FiBL heute dasteht, hätte ich es mir in den kühnsten Plänen nicht vorstellen können.

Dazu haben Sie unbestritten einen grossen Teil beigetragen. Sie gehören längst zu den renommiertesten Biowissenschaftlern der Welt. Um das zu werden, verlangte es 100-prozentigen Einsatz und sicherlich auch Opfer von Ihnen. Was würden Sie mit dem heutigen Wissen um diese grosse Belastung anders machen, wenn überhaupt?
Eigentlich nichts. Ich habe sicher auch Fehler gemacht, aber dazu stehe ich. Als Gesamtkunstwerk kann sich das FiBL sehen lassen und ich bin stolz darauf. Die Arbeit und mein eigener Ehrgeiz haben sich vor allem in den ersten zehn Jahren belastend auf mich ausgewirkt. Oft wusste ich nicht, wie man im nächsten Jahr finanziell über die Runden kommt. Die zweite Hälfte meiner Zeit durfte ich erleben, dass Kompetenz und Engagement geschätzt wurden. Heute ernte ich fast nur noch und die Türen, an die ich klopfe, gehen automatisch auf. Im März 1990, als ich damals noch in Oberwil, Baselland, den ersten Arbeitstag hatte, war der Landwirtschaftsminister von Togo angekündigt. Er wollte etwas über den Biolandbau hören. Ich war überglücklich, dass er kurzfristig absagte.

Das ist ja längst nicht mehr so …
Heute weiss ich, dass Prominenz, ob gekrönt oder ungekrönt, normale Menschen sind, denen man auch telefonieren oder ein SMS schreiben kann. Wenn ich das schon als junger Direktor gewusst hätte, wäre der Start wohl weniger holprig gewesen.

Im Dorf Frick daheim, weltweit in Sachen Bio unterwegs. Das gilt für das Forschungsinstitut wie auch für Sie persönlich. Warum ist die internationale Zusammenarbeit im biologischen Landbau so wichtig?
Die Biorichtlinien werden heute ja von der EU und den USA diktiert. Beide haben ein umfangreiches Gesetzeswerk geschaffen. Damit die Schweiz einen freien Handel mit Bioprodukten betreiben kann – Import und Export, sind die internationalen Kontakte und Harmonisierungen sehr wichtig. Diese Regelwerke haben ganz klein angefangen, als FiBL Ende der 1970er-Jahre die ersten Schweizer Biorichtlinien und die ersten internationalen Richtlinien schrieb. Heute ist das nicht mehr unsere Aufgabe, aber die Vernetzung ist geblieben. Und viele Organisationen holen bei uns Wissen ab. Und nicht zuletzt sehen wir, dass für viele Länder der Biolandbau eine ausgezeichnete Lösung ist, um die Bevölkerung nachhaltig und umweltschonenden zu ernähren. Diese Zusammenarbeit ist uns sehr wichtig, es geht ja nicht nur darum, um eine kleine Nische zu bedienen.

Wer früher an Biolandbau glaubte, galt oft als Idealist, wurde nicht selten belächelt. Heute ist Bio viel mehr zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Was hat die Forschung und Wissenschaft dazu beigetragen?
Vieles, wie ich schon oben sagte. Dass die Produktion heute so professionell daherkommt, ist den Forschern und Beratern des FiBL zu verdanken. Und noch stärker gilt, dass das FiBL vor 40 Jahren noch alles selber machte: Forschung, Beratung, Kontrolle, Zertifizierung, Ausbildung, ja, wir haben damals sogar unser Institutslogo, die grüne Knospe, den Biobauern geschenkt und daraus die heutige Bio-Suisse aufgebaut.


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