«Ich möchte der Zunft etwas zurückgeben»

  10.02.2020 Kaisten

Schon als Kind war Thomas Scherzinger stolz darauf, das Narro-Kleid zu tragen

Im vergangenen September wählte die Narro-Altfischerzunft im badischen Laufenburg Thomas Scherzinger aus Kaisten zu ihrem neuen Chef. Ein Schweizer Zunftmeister, der den Narronen der minderen Stadt vorsteht, das klingt auf den ersten Blick nach einer ungewöhnlichen Konstellation. Wäre Thomas Scherzinger nicht durch und durch ein badisches Gewächs.

Hildegard Siebold

Thomas Scherzinger schmunzelt, als er darauf angesprochen wird. Das ist vermutlich schon öfter vorgekommen. Und er schüttelt bedauerlich den Kopf. «Nein», lacht er, mit einer romantischen Geschichte könne er leider nicht aufwarten. Nicht etwa die Liebe oder ähnliches hat ihn nach Kaisten gelockt, vielmehr verbergen sich hinter dem Wohnortwechsel von der minderen in die mehrere Stadt ganz profane steuerliche Gründe. Thomas Scherzinger arbeitet seit zehn Jahren als IT-Fachmann in Basel. Dass er jedoch nach wie vor mit der Region und mit Laufenburg verbunden ist, zeigt sich daran, dass er den Gedanken, 2015 näher nach Basel zu ziehen, schnell verwarf. Das war ihm zu weit weg von seinem Laufenburg. Im Grunde, sagt er, lebe er heute grenzüberschreitend in einem grenzüberschreitenden Städtchen. Gross geworden ist er «äne am Rhy» auf dem Rappenstein. Und dort kam er schon früh in Berührung mit dem fasnächtlichen Brauchtum in Laufenburg. Vor allem die Tschättermusik hatte es dem kleinen Buben angetan, so dass die Eltern ihn irgendwann beim Trommelkurs der Narro-Altfischerzunft anmeldeten. Das war der Anfang seiner närrischen Laufbahn. Rund zehn Jahre war er Trommler und die Faszination Fasnacht nahm ihn gefangen. Beim Hauptbott im Februar 2004 wurde er in die Zunft aufgenommen und leistete vor dem traditionellen Totenkopf und den zwei brennenden Kerzen den feierlichen Eid, «der Narro-Altfischerzunft anzugehören und die Satzungen und Ordnungen der Zunft getreu zu bewahren, zu hegen und zu pflegen, bis an sein seliges Ende». Nach dem Eid darf jeder neue Zunftbruder seine Maske zum ersten Mal aufsetzen und sie bleiben Zunftbrüder, egal wohin ihr Weg sie im Leben auch führt. Für Thomas Scherzinger war früh klar, dass er der Narro-Altfischerzunft angehören möchte. Das generationenübergreifende Miteinander findet er unglaublich spannend. «Unsere Mitglieder spannen altersmässig einen Bogen von 18 bis 89 Jahren», erzählt er. Alle Altersgruppen sind vertreten.

«Du sitzt an einem Tisch mit völlig verschiedenen Menschen, das macht einfach Spass», beschreibt er und meint etwa die Geschichten der älteren Zunftbrüder von früher. Dass er einmal Zunftmeister werden würde, stand eigentlich nicht auf seiner Agenda. Aber als sein Vorgänger Claus Epting nach acht Jahren seinen Rücktritt ankündigte und sich kein Nachfolger fand, wolle Thomas Scherzinger der Zunft etwas zurückgeben. «Die Zunft hat mir viel gegeben und die Resonanz auf meine Bereitschaft war positiv», erzählt er. So stellte er sich mit 33 Jahren zur Wahl und stellte fest, dass er in der Vereinigung Schwäbisch Alemannischer Narrenzünfte (VSAN) längst nicht der jüngste Zunftmeister ist. «Die Verjüngung ist auch dort in vollem Gange», sagt er. Auch ihm selbst ist es ein Anliegen, als Zunftmeister mehr junge Leute für die Zunft zu begeistern und moderne Fasnacht mit dem Brauchtum in Einklang zu bringen. Die Antwort, wie das geht, hat er noch nicht abschliessend gefunden nach so wenigen Monaten im Amt. «Die Narro-Altfischerzunft ist sehr traditionsreich, das ist gut, aber wir müssen dennoch zukunftsträchtig sein», sagt er. Vieles hätte sich in der Gesellschaft gewandelt. Da mitzugehen, sei die grosse Kunst. Auch wenn sein neues Amt neue Verpflichtungen mit sich bringt, kann er auf viel Unterstützung in der Zunft bauen.

«Vieles ist ja auf dem Weg gebracht», sagt er in Hinsicht auf die klassischen Veranstaltungen der Laufenburger Fasnacht. So bleibt ihm neben dem Beruf genügend Zeit für seine weiteren Hobbys. Denn schon seit Kindesbeinen an hat er sich dem Fussball verschrieben. Kein Wunder, denn jeder Laufenburger Fussballfan kennt den Namen seines Vaters Herbert Scherzinger. Er war unter anderem langjähriger Jugendleiter beim SV 08 Laufenburg. Mit fünf Jahren begann Thomas Scherzinger dort zu kicken und schlug später die Trainerlaufbahn ein. Seit dem vergangenen Sommer ist er Co-Trainer beim badischen FC Wallbach. Bleibt dann noch Zeit, weitet er gerne seinen Blick für andere Länder. Seine Reiseleidenschaft führte ihn schon nach Hawaii, Mauritius, Indonesien und Vietnam. «Land und Leute kennenzulernen, das erdet mich immer wieder», sagt er. Da lerne man zu schätzen, wie gut es einem geht, man schätze was man hat, anstelle sich darüber zu ärgern, was man nicht hat. In Kaisten hat er ein vorübergehendes Zuhause mit seiner Freundin gefunden. Und obwohl er sich dort gut aufgenommen fühlt, befindet sich das junge Paar derzeit in der Planungsphase für das eigene Heim in Bad Säckingen. So wird er Kaisten über kurz oder lang wieder den Rücken kehren und zurückkehren ins badische Ländle. Der grenzüberschreitenden Laufenburger Fasnacht aber wird er als Zunftbruder der Narro-Altfischerzunft treu bleiben – ein Leben lang.


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