Oeschgen feiert ein feuriges Jubiläum
11.01.2018 Oeschgen50. «Schiibespränge» soll ein Fest für alle werden
In Oeschgen geht es heiss zu und her: Zum 50. Mal wird am 18. Februar das «Schiibespränge» durchgeführt. Die Tradition ist aber viel älter. Zum Jubiläum gibt es eine Feuershow – und viel Folklore.
Simone Rufli
Die Musikgesellschaft Oeschgen, die Alphorngruppe Kaisten und die Chlauschlöpfer Lenzburg werden für Unterhaltung sorgen, das Schiibespränger-Team für Speis und Trank, Landammann Alex Hürzeler und Gemeindeammann Christoph Koch für feierliche Worte. Und wenn dann am Abend das Schiibefeuer lodert, gibt es für einmal sogar noch eine Feuershow, bevor das riesige, fest montierte Holzrad angezündet wird, die handtellergrossen Scheiben entzündet und ins Dunkel der Nacht hinaus geschleudert werden. Zu sehen ist dieses Spektakel an der Alten Fasnacht, dem Sonntag nach dem Aschermittwoch, auf dem Boll ob Oeschgen.
Das halbe Kloster abgefackelt
«Schiibespränge» ist ein alter europäischer Brauch, von dem man sich die Vertreibung des Winters und die Fruchtbarkeit des Bodens erhofft. Die Scheiben werden aus 1 cm dicken und zirka 12 mal 12 cm grossen Rohlingen aus Hagebuche gefertigt, am Rand angespitzt und in der Mitte mit einem Loch versehen. In das Loch steckt man eine Haselrute und schleudert dann die achteckige Scheibe über eine Art Sprungschanze hinunter ins Tal. Im besten Fall zieht die Scheibe einen prächtigen Feuerschweif hinter sich her. Ein geübter Sprenger erreicht eine Weite von bis zu 200 Metern.
In Oeschgen gehen die Anfänge auf das Jahr 1725 zurück. Damals liess man im Dorf den Brauch von den Herren von Schönau verbriefen und sicherte sich damit die weitere Durchführung. Denn so schön das Ganze anzusehen ist, der Brauch birgt auch grosse Gefahren. Vielerorts wurde das Scheibensprengen im Verlauf der Zeit wegen Brandgefahr verboten. Die Häuser mit den Strohdächern waren zu stark gefährdet. «In Untervaz zum Beispiel wurde anno 1180 das halbe Kloster abgefackelt. Hier in Oeschgen haben wir das Glück, dass wir vom Boll aus in ein unbebautes Gebiet hinunter zum Sisslebach sprengen können», erklärt Obmann Josef Hauswirth. Der Schreiner fing anno 1972 Feuer und pflegt den Brauch seither mit Leidenschaft. Diese wiederum hat er an seine Söhne weitergegeben. Frauen finden sich traditionellerweise keine unter den gegenwärtig 18 Aktiven. Geschätzt wird ihre Mithilfe dennoch. Zum Beispiel beim Zubereiten des Essens, wenn die Männer jeweils am Samstag vor Weihnachten unten in der «Hopfeschüür» 800 bis 1000 handtellergrosse Holzscheiben anfertigen. Der Rohling wird heute maschinell hergestellt. Vom Rohling zur fertigen Scheibe ist alles Handarbeit. «Am Anfang arbeiteten wir mit einem Fleischerbeil. Das war richtig gefährlich.» Hauswirth schmunzelt. Seit 1977 gehört ein mit Stroh umwickeltes und mit Stoff überzogenes Speichenrad von vier Metern Durchmesser zum Fest dazu. Das Rad – ein uraltes Symbol der Sonne – brennt dann auf einer Metallkonstruktion. Das Scheibensprengen hat sich auch in einzelnen Gemeinden des Baselbiets, im solothurnischen Seewen, im Hotzenwald, im St. Galler Rheintal, in Graubünden und in Glarus erhalten können.
Von 1969 bis 2018
«Nach einem Unterbruch von vielen Jahren – so ganz genau weiss niemand mehr, wie lange der Unterbruch war – liessen die Oeschger den Brauch im Jahr 1969 wieder aufleben», erzählt der Obmann und er nennt drei Namen, ohne die es das Scheibensprengen heute vielleicht auch in Oeschgen nicht mehr geben würde. Hans Gerle, Heiri Lanz und Willi Ackermann. In den ersten Jahren nach dem Neubeginn schnitzte die Gruppe, die sich schnell erweiterte, 40 bis 50 Scheiben und schon bald wurden 300 bis 400 benötigt. Willi Kuprecht, Karl und Isidor Zundel sind weitere Namen, die mit dem «Schiibespränge» eng verbunden sind. 1978 zeigten die Oeschger ihren Brauch beim Fest «175 Jahre Kanton Aargau» in Lenzburg. «Und 1991 waren wir zur 700-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft in Bellinzona», erinnert sich Hauswirth und er erzählt, wie das grosse Speichenrad zerlegt in einem Lastwagen der Firma Balteschwiler ins Tessin gefahren und dort wieder zusammengebaut wurde.
Weil der Anlass Jahr für Jahr viele Schaulustige von nah und fern nach Oeschgen lockt, sind die Aktiven froh, dass sie seit 1988 die selbstgebaute «Schiibesprängerhütte» zur Verfügung haben. Sie bietet Platz für gut 100 Personen. «Wie viele kommen, wissen wir aber immer erst am Tag selber. Das ist jeweils stark vom Wetter abhängig», weiss der Obmann. Das macht die Planung für die Festwirtschaft nicht einfacher. Ein Verein sind die «Schiibespränger» übrigens nicht. «Das war uns immer zu umständlich. Wir sind einfach eine ehrenamtlich tätige Gruppe. Die anfallenden Aufgaben verteilen wir spontan untereinander», so der Obmann.
Das 50. «Schiibespränge» am 18. Februar kann schon heute fix im Kalender vermerkt werden. Denn verschoben wird der Anlass nie.
50. «Schiibespränge» auf dem Boll ob Oeschgen. 18. Februar 2018, 11 Uhr Begrüssung durch Obmann Josef Hauswirth; 11.30 Uhr Eröffnung des Festes durch die Musikgesellschaft Oeschgen. Begrüssung der Festbesucher durch Regierungsrat Alex Hürzeler und Gemeindeammann Christoph Koch; ab 12 Uhr Festwirtschaft, ab 14 Uhr Unterhaltung mit der Alphorngruppe Kaisten, Chlauschlöpfer Lenzburg, Schiibe fertigen mit Sepp; ab 17 Uhr Entfachen des Schiibefeuers, Feuershow, Schiibe sprengen für alle. – Aus Anlass des Jubiläums gibt es in diesem Jahr zum ersten Mal einen Festführer.