Wachsen, verarbeiten, lagern

  14.12.2017 Frick

Die «Biografie» kulinarischer Köstlichkeiten in der Fricktaler Strassenlandschaft

Egal ob Vieh, Reben oder Getreide, jede kulinarische Köstlichkeit hat eine gemeinsame «Biografie»: Wachsen, verarbeiten, lagern – diese spiegelt sich auch im Strassenverzeichnis der Fricktaler Gemeinden wieder. Der zweite Teil der fünfteiligen Serie «Auffällige Fricktaler Strassennamen» widmet sich ganz dieser Thematik und wagt einen Blick hinein in die Geschichtsbücher unserer Region.

Daniela Leimgruber

Im Gewusel und der Hektik des Alltags, ist die Bedeutung der Namen von Strassen und Wegen oft zweitrangig. In erster Linie dienen uns Strassennamen der Orientierung, sorgen für die korrekte Zustellung von Briefen und Paketen und lotsen den Besuch an den richtigen Ort. Insbesondere für Einheimische werden Strassenbezeichnungen im Verlauf der Zeit zur Normalität. Ein Blick aus der Distanz wirft spannende Fragen auf: «Brotkorbstrasse? – Was ist denn das für ein Strassenname?» oder «Eine Rindergasse mitten in der Altstadt? Was hat das denn für eine Bewandtnis?»

Für die fünfteilige Serie zu auffälligen Strassennamen im Fricktal stellt sich die NFZ in die Rolle der Hinterfragenden und hat in den einzelnen Gemeinden nachgefragt, wie es zu solchen kulinarischen Namensgebungen kam.

Orte, wo Kulinarisches entsteht
Jegliche kulinarische Kunst hat eines gemeinsam: Es braucht Menschen und Maschinen, um den Genuss erst ermöglichen zu können. Jene Orte, an denen diese angesiedelt sind, haben meist eine besondere Bedeutung für ein Dorf, erhalten einen Namen und nicht selten auch eine entsprechende Strasse zugewiesen. So geschehen in Möhlin, wo das Schlachthaus dem Schlachthausweg, den Namen verlieh. «Früher», weiss Franz Böller; Leiter Bauaufsicht Möhlin, «befand sich an dieser Strasse auch wirklich ein Schlachthaus. Heute wird das Gebäude lediglich noch als Pneulager verwendet.»

Auch die Gassen in der Altstadt von Rheinfelden erhielten auf ähnliche Weise ihre Namen: Robi Conrad, Stadtführer von Rheinfelden, berichtet davon, dass in der Brodlaube früher die Bäcker und in der Rinder- und Kuttelgasse die Metzger angesiedelt waren. (Für alle «Nicht-Metzger», Vegetarier und «Filet-Esser»: Kutteln sind die essbaren Eingeweide des Rindes.) Auch in Magden wurde den Metzgern mit dem «Metzgerweg» eine eigene Strasse zugewiesen.

Auch die «Milchhüsligasse» in Bözen erinnert mit seinem «Milchhüsli», wie es noch in vielen Fricktaler Gemeinden zu finden ist, an eine vergangene Zeit, wo Bauern ihren Milchertrag noch täglich dort ablieferten, bar ausbezahlt wurden und Dorfbewohner direkt frische Milch, oftmals noch im Tausch gegen Milchmarken, beziehen konnten.

Orte, wo Kulinarisches wächst und verarbeitet wird
Auch das wertvolle Gut der Äcker und Felder des Fricktals muss verarbeitet werden, bevor es bei uns auf dem Teller landet. Währenddessen dies heute in grossen zentralen Fabriken passiert, hatte früher noch fast jedes Dorf seine eigenen Verarbeitungsorte. Besonders die Verarbeiter von Getreide haben in den Fricktaler Strassenverzeichnissen grosse Spuren hinterlassen. Neben der Strasse «Mühle» in Hottwil, gibt es sowohl in Kaisten, Obermumpf wie auch in Gansingen einen «Mühliweg». In Bözen findet sich der «Mühleweg», in Gipf-Oberfrick die «Mühligass», in Zeihen sowohl der «Mühliweiher» wie auch das «Mühligässli» im Strassenverzeichnis wieder. In Kaisten reicht die Historie der dort ansässigen Mühle mehrere hundert Jahre zurück.

Erste Erwähnungen der «Fronmühli» stammen aus dem Jahr 1342. Wie im Verzeichnis der Flurnamen von Kaisten zu lesen ist, war die Mühle früher Bestandteil des Dinghofs Kaisten, welcher dem Stift Säckingen gehörte. Im Giebel des heutigen Gebäudes ist daher laut diesen Angaben noch heute das Wappen der letzten Äbtissin, Anna Maria von Hornstein Göfingen, aus dem Jahr 1789 sichtbar. 1802 sei die Mühle verstaatlicht und 1804 schliesslich versteigert worden. Der «Mühlacker», ein Kaister Flurname, lieferte zu diesen Zeiten wohl das nötige Korn für die Mühle und gehörte ebenfalls zum Landgut des Klosters. Auch eine weitere kulinarische Köstlichkeit, die Reben, für deren Verarbeitung das Fricktal weit über die Region hinaus bekannt ist, hat in vielen Ortschaften Einzug in das Strassenverzeichnis gefunden. So lebt es sich in Zeihen, Obermumpf und Oberhof nicht nur von sondern insbesondere «In den Reben».

Orte, wo Kulinarisches gelagert wird
Auch für das Handwerk, welches aus den Reben schliesslich den leckeren Traubensaft gewinnt, braucht es Ort und Raum – an vielen Orten war oder ist dies die Trotte. Obwohl mit «Trotte» eigentlich lediglich die Presse zur Gewinnung des Traubensaftes gemeint ist, verbindet man häufig gleich ein Gebäude damit. In Hellikon trägt eine Strasse diesen Namen.

Viele Lebensmittel haben zu ihrer Lagerung spezielle Gefässe. Dass es der Brotkorb in Stein dabei bis zu einem Eintrag im Strassenverzeichnis geschafft hat, ist eine Einzigartigkeit: «Wie die Brotkorbstrasse entstanden ist, ist mir bisher nicht zu Ohren gekommen. Das ist schon ein spezieller Name – den gibt es in der ganzen Schweiz nur bei uns», lässt Gemeindeschreiber Sascha Roth wissen.

Vielleicht entscheidet sich eine nächste Generation an Namensgeber für Strassennamen ja mal für eine Namensgebung aus unserer Zeit – Tupperwaregasse wäre wohl eine Möglichkeit.


Kennen Sie historische Hintergründe zu einer Strasse in ihrem Dorf? Ist ihnen beim letzten Spaziergang ein kurioser Name in einem Fricktaler Quartier aufgefallen? Oder haben Sie einen Vorschlag, welchem Namen die NFZ unbedingt auf den Grund gehen sollte? Melden Sie sich bei redaktion@nfz.ch oder unter 061 835 00 35. Wir sind für jeden Hinweis dankbar!


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