Fäs und die Konkordanz

  27.11.2017 Möhlin

Möhlin: Reaktionen zum abgelehnten Auszonungsverfahren Leigrube Vor sechs Jahren bekämpfte Markus Fäs eine Einzonung der Leigrube. Nun verteidigte er diese in seiner Rolle als Gemeinderat.

Das im Jahr 2011 als Bauland eingezonte Gebiet Leigrube wird keinem Auszonungsverfahren unterzogen. Die Möhliner Gemeindeversammlung vom Donnerstag lehnte mit 381 zu 172 Stimmen einen entsprechenden Antrag von Überbauungsgegnern deutlich ab (die NFZ berichtete online). «Wir werden kein Referendum starten», sagt Werner Erni vom Komitee Zukunft Möhlin, spricht aber von einer verpassten Chance für Möhlin, ein Zeichen für eine andere Zukunft zu setzen. «Ich bin erleichtert, dass es so gekommen ist», sagt stattdessen Gemeinderat Markus Fäs; «auch wenn ich Verständnis für die Enttäuschung der Unterlegenen habe.»

Auszonung scheint vom Tisch
Fäs hatte das Vergnügen (oder das Los), durch das heikle Geschäft zu führen; Ironie der Geschichte: Er selber bekämpfte vor sechs Jahren die Einzonung der Leigrube. Damals als Sprecher vom Komitee Zukunft Möhlin, gleichzeitig war er SP-Präsident (dieselbe Konstellation also wie heute bei Werner Erni). Darauf angesprochen, dass er nun als ressortverantwortlicher Gemeinderat quasi zu verteidigen hatte, wogegen er sich ursprünglich wehrte, nämlich die vollzogene Einzonung der Leigrube, sagt Markus Fäs zur NFZ: «Konkordanz ist das oberste Gebot.» Doch habe ihm generell das vom Gemeinderat in Auftrag gegebene juristische Gutachten, welches im Falle einer Auszonung Entschädigungszahlungen bis zwölf Millionen Franken als realistisch zeichnet, die Arbeit erleichtert. «Für uns war dieses Gutachten schlüssig und indiskutabel. Es wäre schlicht nicht sinnvoll gewesen, unter diesen Voraussetzungen die Auszonung der Leigrube näher ins Auge zu fassen.» In Anbetracht des klaren Neins zum Auszonungsverfahren meint Fäs: «Ich denke, diese Geschichte ist nun gegessen.» Jedenfalls verzichtet auch das Komitee Pro Kulturland auf ein Referendum. «Es ist ein klarer demokratischer Entscheid, den wir respektieren», sagt Hans Metzger. Eine Auszonung der Leigrube scheint vom Tisch. «Mir ist ein riesiger Stein vom Herzen gefallen», gestand Gemeindeammann Fredy Böni noch am Versammlungsabend. Für Markus Fäs ist klar: Die Frage, wie die weitere Entwicklung des Dorfes ausschauen soll, sie bleibe dennoch. Ob man das nun Zukunftskonferenz oder anders nennen möge, sei ihm einerlei, «es gilt, eine repräsentative Meinung darüber in der Bevölkerung einzuholen, wie das künftige Wachstum in Möhlin aussehen soll. Es braucht eine Gesamtschau, die über finanzielle und raumplanerische Gesichtspunkte hinausgeht.» Die Rolle, die für ihn keine einfache war, meisterte Markus Fäs am Donnerstag übrigens mit bemerkenswerter Souveränität.

Quasi als logische Folge zum abgelehnten Auszonungsverfahren genehmigte die Gemeindeversammlung einen Kredit in Höhe von 145000 Franken für die Erarbeitung eines Erschliessungsplans Leigrube nach W1.


Wer mit dem Finger auf andere zeigt

Leigrube Möhlin: vom Hinterfragen der eigenen Glaubwürdigkeit – eine Analyse

Die geschmiedeten Allianzen zur Auszonung waren unheilig. Mit ihrem Eifer mobilisierten die Befürworter ihre eigenen Gegner.

Die Überbauungsgegner haben ihr Ziel nicht erreicht. Lediglich 172 Stimmberechtigte unterstützten am Donnerstag den Antrag der IG Leigrube, ein Verfahren zur Auszonung des Baugebiets Leigrube einzuleiten. 381 Personen sprachen sich dagegen aus. Das Resultat in dieser Deutlichkeit zeigt: Eine Mehrheit sieht den Gemeinderat nicht in einem derart schlechten Licht, in das ihn zuletzt Befürworter einer Auszonung mit schierer Obsession zu rücken versuchten.

Natürlich muss sich der Gemeinderat die Frage gefallen lassen, weshalb so lange Unklarheit darüber herrschte, was raumplanerisch im Gebiet Leigrube alles möglich und unmöglich ist. Und natürlich muss sich der Gemeinderat auch gefallen lassen, dass mit der von ihm gegebenen Antwort längst nicht alle einverstanden sind – nämlich, dass allein der Kanton der eigentliche wankelmütige Berater gewesen sei. Doch kaum ein Leserbrief zum Thema Leigrube, in dem sich die Verfassenden nicht am Gemeinderat abarbeiteten. Die Behörde als ein dilettantisches Grüppchen mit zwielichtigem Aktionsradius. Nur: Wer derart unablässig die Glaubwürdigkeit des Gegenübers anzweifelt, sollte seine eigene nicht aufs Spiel setzen. Doch genau das ist passiert.

Kurswechsel
Zuerst kämpften die Mitstreiter der IG Leigrube einen ehrenvollen Kampf gegen die Pläne einer massiv verdichteten Bebauung. Pläne, die in der Tat keinerlei Realität hatten mit der 2011 beschlossenen Einzonung nach W1. Nicht zu Unrecht sprach die IG Leigrube von einer – Zitat – «Strapazierung demokratischer Spielregeln». Bloss betonte die IG auch immer, eine ursprünglich angedachte Bebauung nach W1 wolle beziehungsweise müsse man akzeptieren. Genau das aber hat die Gruppierung am Ende doch nicht getan. Sehr zulasten der eigenen Glaubwürdigkeit und zugunsten des äusseren Verdachts, dass hinter dem vermeintlich ehrenvollen Kampf doch noch andere Motive gestanden waren. Auch Pro Kulturland erlag den Verlockungen. Vor einem Jahr stemmte sich die Organisation gegen den Verkauf des Sportplatzes Riburg und sie verlangte dasselbe für die Leigrube, kein Landverkauf. Gegenüber der NFZ hielt das Komitee damals fest: Man fordere gar eine erneute Abstimmung über die Einzonung generell, sollten nicht wie geplant Einfamilienhäuser gebaut werden können (NFZ, 17.11.2016). Nun aber sind Einfamilienhäuser geplant – und ungeachtet dieser Tatsache forderte Pro Kulturland trotzdem die Auszonung. Offenbar gehört dieses Taktieren zum Geschäft. Doch wieder einmal zeigt sich: von welcher Seite auch immer ausgehend, der unbefangene Bürger lässt sich solches Geplänkel nicht gefallen.

Argumente im Schafspelz
Da ist die konsequente Linie einer unterlegenen politischen Partei schon fast wohltuend. Die Grünen. Ob es nun Zwängerei ist oder nicht, einen demokratisch gefällten Entscheid nach nur sechs Jahren rückgängig machen zu wollen, liegt einzig im Auge des Betrachters. «Es ist nicht verboten, gescheiter zu werden», sagte Grünen-Präsident Andreas Fischer in seinem Votum. Die Grünen sind – und das ist nicht negativ gemeint – höchst berechenbar. Dieser ideologische Kurs, durchtränkt von Genügsamkeit, Verzicht, Selbstdisziplinierung, all das lässt keine Zweifel offen. Man kann ihn gut finden oder nicht, doch der Widerstand, den die Grünen an den Tag legen, ist ein grundehrlicher. Zu sehen aber, wer sich da oben in der Leigrube alles neben die Grünen ins selbe Bett gelegt hat im Kampf für eine mögliche Auszonung, mit Verlaub, das kann der Partei selbst nicht ganz geheuer sein. Massiver Mehrverkehr, der sich durchs Nadelöhr quetscht! Nicht zu verkraften! Viel mehr Autos! Alles Argumente, die von diversen Anwohnern im Umkreis der Leigrube kamen. Von dort also, wo sich ein grosses Einfamilienhaus ans nächste reiht, mit grosszügigem Vorplatz und Doppelgarage inklusive. Man darf das auf keinen Fall falsch verstehen: Besitztum ist kein Verbrechen, Neid ein schlechter Ratgeber, der bloss niedere Instinkte bedient. Vielleicht wäre es der eigenen Glaubwürdigkeit aber zuträglich gewesen, gerade die ökologisch-nachhaltigen Argumente dann doch eher anderen zu überlassen. Ein Schelm, wer an getrunkenen Wein und gepredigtes Wasser denkt. Oder um es mit einem Zitat zu formulieren: «Wer mit dem Zeigefinger allgemeiner Vorwürfe auf andere zeigt, sollte daran denken, dass in der Hand mit dem ausgetreckten Zeigefinger zugleich drei andere Finger auf ihn selbst zurückweisen.» Die Allianz war zu unheilig. Mit ihrem Eifer mobilisierten einige Befürworter der Auszonung ihre eigenen Gegner, nämlich eine bis dato schweigende Mehrheit. Vor dem Hintergrund einer inhaltlich nur einseitig geführten Leserbriefdebatte zeigt das vor allem eines: veröffentlichte Meinung bedeutet nicht automatisch öffentliche Meinung.


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