Mit offenem Blick unterwegs
24.02.2019 OeschgenMit offenem Blick unterwegs
Zuhause und sich wohlfühlen in Oeschgen bedeuten für Remo Welte und Tobias Kienberger nicht, dass sich ihr Leben nur innerhalb der Gemeindegrenzen abspielt. So können sich die beiden 23-Jährigen gut vorstellen, für eine gewisse Zeit woanders zu wohnen. Zurückkommen in «ihr» Oeschgen wollen sie dann aber auf jeden Fall. (sh)
«Wir sind stolz darauf, dass in Oeschgen nicht gebaslert wird»
Ein Spaziergang durchs Dorf
Remo Welte und Tobias Kienberger können sich gut vorstellen, auch mal woanders als in Oeschgen zu wohnen. Ins Dorf zurückkommen und hier leben, möchten die beiden 23-Jährigen aber auf jeden Fall. Denn: «Oeschgen ist einfach schön.»
Susanne Hörth
«Wollen wir zum alten Kindergarten gehen? Aber vorher sicher zum ‹Schwanen› und zur Schüüre. Die gehören zusammen. Bis der ‹Schwanen› geschlossen wurde, waren das wichtige Begegnungszentren in Dorf.»
«Zum Schlössli sollten wir aber auch gehen, das ist doch das Herzstück unserer Gemeinde. Da war früher sogar einmal die Gemeindeverwaltung untergebracht. Heute ist hier die Spielgruppe.»
«Die Mosti gibt es zwar nicht mehr, aber die war doch, als wir noch Kinder waren; auch ein Ort, an dem wir oft hingegangen sind.»
«Das K70-Lokal dürfen wir nicht vergessen!»
«Natürlich, ganz sicher aber auch hinauf zum Wolfgarten. Vorher aber noch zur Schule auf den Tschuttiplatz.»
«Was meinst Du zum Velomuseum, das macht uns doch zur Weltstadt.»
«Oder zu Regierungsrat Alex Hürzeler. Der wohnt auch hier. Was ist mit dem FiBL, das befindet sich auch auf Oeschger Boden; oder zum Winterquartier des Circus Nock.»
Wie Pingpong-Bälle springen die Sätze zwischen Remo Welte und Tobias Kienberger hin und her. Sie werfen sich Bemerkungen und Fragen zu, ohne aber wirkliche Antworten zu erwarten. Es brauchte sie nicht. Die beiden 23-Jährigen sind sich einig, wissen, welche Orte sie auf diesem «unterwägs dehei in Oeschge» der NFZ-Journalistin zeigen möchten.
Sie überlassen dabei einen Teil dem Zufall, anderes entdecken sie selbst erst wieder neu. Noch anderes haben sie bisher noch gar nicht wahrgenommen. Denn im Vergleich zu früher sind sie nicht mehr allzu oft im Dorf unterwegs. Remo Welte studiert Journalismus in Winterthur, Tobias Kienberger Jura in Zürich.
Mittlerweile sind wir losmarschiert. Richtung ehemaliges Restaurant Schwanen. Weniger zur Schreibenden als vielmehr persönliche Feststellung sagt Tobias Kienberger: «Das Dorfleben hat sich verändert. Dorfladen, Restaurant, Mosti, Post, Bank – all das gibt es nicht mehr.» Er streckt den Finger aus. Da vorne sei mal der Laden gewesen. «Da habe ich immer Gummipizza gekauft», erinnert sich Remo. Tobias fügt an: «Ich war mit meiner Omi jeweils am Dienstag hier. Dann gab es immer das neue Mickey-Maus-Heftli.» Er hält kurz inne, um dann spontan anzufügen: «Hey, und weisch no: bei der Post bekamen wir immer ein Basler Leckerli.» Das hat Remo natürlich auch nicht vergessen. Sie lachen. Finden es lustig, dass sie sich an solche Kleinigkeiten noch so gut erinnern mögen. «Das macht das Dorfleben eben auch aus.»
Schade finden sie hingegen, dass es den «Schwanen» nicht mehr gibt. Sie stehen vor dem stattlichen Restaurantgebäude und zeigen auf die gegenüberliegende Strassenseite zur Schüür. Diese habe auch zum Restaurant gehört. Ganz viele Veranstaltungen, Anlässe und Feste hätten da stattgefunden. Auch viele Familienfeiern. «Jetzt wird sie, glaube ich, als Wohnhaus genutzt», meint Tobias.
An der Schüür vorbei führt der Weg dann leicht nach oben. Wohin geht es? «Zum alten Kindergarten. Schau mal, der Weg heisst noch immer Kindergartenweg.» Da seien sie schon ewig nicht mehr durchgegangen. Beim übers Dorf plaudern sind auch die rege Bautätigkeit und damit verbunden die vielen Neuzuzüger ein Thema. «Oeschgen hat mittlerweile rund 1000 Einwohner», weiss Remo. Wir sind beim alten Kindergarten angekommen. Ein Haus, vielmehr ein Baumhaus auf dem Platz vor dem ehemaligen Kindsgi-Gebäude fällt den jungen Männern auf. «Das hat es bei uns damals noch nicht gegeben.»
Die Oeschger Buben und Mädchen besuchen schon seit einiger Zeit den neuen Kindsgi beim Schulhaus. Der alte Kindergarten dient der Jugendgruppe K-70 als Clublokal. Remo versucht, durch die Glastür einen Blick ins Innere zu erhaschen. Dort sieht er direkt im Eingangsbereich einen Bierpong-Tisch. «Jetzt ist definitiv klar, dass hier kein Kindergarten mehr ist», lacht er.
Das nächste Ziel ist die Schule, vielmehr der Sportplatz dort. «Hier auf dem Tschuttiplatz haben wir uns ständig getroffen.» Das sei immer cool gewesen. Ja, die Kinder hätten es in Oeschgen schon sehr gut. Und ganz generell sei Oeschgen schön. Herrlich auch zum Spazieren. Apropos Spazieren. Was ist mit dem Wolfgarten, der im anfänglichen Zwiegespräch der beiden auch als möglicher Zielort aufgetaucht war? «Da müssen wir auf jeden Fall hin!». Zu Fuss? «Ich denke, da fahren wir jetzt besser. Es ist doch ein rechtes Stück zum Laufen», regt Remo an. Bei der kurzen Autofahrt erfahre ich, wie beliebt der Brätelplatz-Treffpunkt im Wolfgarten ist. Vor allem im Sommer. Aber: «Wir diskutieren meistens zuerst, ob wir wirklich hochgehen wollen. Vom Dorf bis zum Wolfgarten ist es eine gute halbe Stunde zu Fuss.» Der Entscheid falle aber oft für den Wolfgarten aus.
Oben, über dem Dorf
Oben angekommen, ist auch klar warum. Der von Bäumen umgegebene Platz ist mit seinen Tischen und Bänken sowie der Feuerstelle ein idyllischer, lauschiger Ort. Dazu kommt auch noch die tolle Aussicht auf das Dorf und die weitere Umgebung. Errichtet worden ist der Brätelplatz am Oeschger Waldrand von der Jugendgruppe K-70. Ein Tor mit Schild erinnert daran. Remo erzählt über den Platz und die Jugendgruppe K-70. Sein Vater trat 1974, kurz nach der Gründung, dem Verein bei. Tobias staunt: «Dafür gehörte mein Grossvater zu den Gründungsmitgliedern des Veloclubs.» Remo grölt: «Wir haben in Oeschgen einen Veloclub! Das wusste ich ja gar nicht.» Meint er es ernst. Doch schon, oder? Er grinst.
Einen Schützenverein gäbe es in der Gemeinde auch. «Da machen seit einiger Zeit ganz viele junge Leute mit.» Tobias und Remo erstaunt das, sie selbst gehören nicht dazu. Überhaupt orientieren sie sich nicht über die Vereine mit ihrem Dorf. Tobias Kienberger ist schon lange beim FC Frick, hilft als Trainer dort. Als solcher habe er erst kürzlich eine Oeschger Schulklasse für ein Turnier trainieren können. Dass Oeschger sich in anderen, auswärtigen Sportvereinen treffen, weiss auch Unihockeyaner Remo. Eine Zugehörigkeit zu einem Dorfverein brauche es nicht zwingend, um sich mit dem Dorf zu identifizieren, sind sich die beiden jungen Männer einig. Wichtig seien Traditionen wie etwa das Eierlesen oder das Scheibensprengen. Da trifft man die beiden regelmässig an. «Je mehr Treffpunkte wie Laden, Post, Schwanen mit Schüür und so weiter, verschwinden, desto wichtiger sind solche Begegnungsanlässe», ist sich Tobias sicher. Remo sieht das ebenso. Schade finden sie, dass im vergangenen Jahr letztmals das Keramikfestival durchgeführt worden ist.
Können sie sich vorstellen, von Oeschgen wegzuziehen? Ja, sicher, so beide unisono. Beide pendeln täglich lange Strecken vom Wohn- zum Studienort. Zwar sei es seit einigen Jahren etwas besser mit dem öffentlichen Verkehr, aber mühsam sei es trotzdem. Remo könnte sich höchstens vorstellen, in eine kleinere Stadt wie Aarau oder Baden zu ziehen, nicht aber nach Zürich.
Bei ihm wie auch bei Tobias ist trotz Offenheit für Neues die Verbundenheit mit ihrem Heimatdorf deutlich spürbar. «Oeschgen ist das letzte Fricktaler Dorf Richtung Basel, in dem noch nicht gebaslert wird. Darauf bin ich mega stolz.» Tobias fasst nach: «Von wegen Basel. Wenn ich zu jemandem sage, ich wohne in Oeschgen, kommt oft die Frage, wo das sei. Zuerst sage ich im Fricktal, dann es ist zwischen Zürich und Basel. Bei beiden nicht ganz nah, aber auch nicht wirklich weit weg.»
«Wir sind einfach klein und herzig. Es ist, wie bereits gesagt, schön in Oeschgen.» Sie sagen es, stecken die Hände in die Jackentaschen und marschieren in entgegengesetzte Richtungen nach Hause.