«Schaffen Sie jetzt genügend Ausbildungsstellen!»

  29.01.2019 Frick

Fricker Hausarzt Andreas Helg fordert Politiker auf zu handeln

Am Gemeindeseminar in Frick ging es am Donnerstagnachmittag um die akuten Probleme von Hausärzten. Während sich die Situation in den Arztpraxen zuspitze, würden auf Kantonsebene Entscheide gefällt, ohne die Fachleute an der Front einzubeziehen.

Simone Rufli

«Was tut der Kanton für mehr Hausärzte? – Nichts!» Andreas Helg nahm kein Blatt vor den Mund, als er im Rampartsaal die Situation der Hausärzte beschrieb. Seit 2011 führt Helg zusammen mit Susanne Christen ein Praxiszentrum in Frick. Seit drei Jahren nimmt er keine Patienten mehr auf. «Wir sind vollkommen ausgelastet und vielen anderen Hausärzten geht es genauso. Das Problem ist nur, dass die Bevölkerung im Fricktal ständig wächst.» 19 Allgemeinärzte im Bezirk Laufenburg und 36 im Bezirk Rheinfelden (Stand 2014) seien zu wenig. Dazu die Forderung ambulant vor stationär und die Tatsache, dass über die Hälfte der Ärzte im oberen Fricktal über 55 Jahre alt sind und das Erreichen des Pensionsalters damit absehbar ist.

Die Suche nach einem Nachfolger aber sei schwierig. Es würden zu wenige Hausärzte ausgebildet und zu viel gespart. Der Taxpunktwert beispielsweise (die Entschädigung für eine ärztliche Leistung) liege im Aargau seit 2004 unverändert bei 0,89 Punkten. Dies bei einer Teuerung von vier Prozent seit 2004. «Er hätte vom Kanton neu festgelegt werden sollen, doch es passiert nichts. Was also soll ein langjähriger Hausarzt einem jungen Arzt sagen? Komm zu uns, mach Hausarzt-Medizin und verdien jedes Jahr weniger. Das klingt nicht so attraktiv.» Ein zusätzlicher Nachteil sei, dass die Ärzte im Aargau – anders als in den Nachbarkantonen – keine Medikamente verkaufen dürften.

Kein Verständnis zeigte Helg dafür, dass Regierungsrätin Franziska Roth und Barbara Hürlimann, Abteilungsleiterin Gesundheit beim Departement Gesundheit und Soziales (DGS), das Gemeindeseminar im Anschluss an ihre Referate am Morgen wieder verlassen hatten, ohne substantielle Antworten auf konkrete Fragen gegeben zu haben. Er wünsche sich mehr Gehör beim Kanton für die, die an der Front arbeiten. «Ich bin kein Politiker. Machen Sie etwas. Schaffen Sie jetzt genügend Ausbildungsstellen – nicht erst in einigen Jahren. Es geht sonst schief. Es läuft alles genau in die andere Richtung, als die beiden Damen heute Morgen gesagt haben.» Mit seinem eindringlichen Appell versuchte Helg, die Teilnehmer am Seminar wachzurütteln und in die Pflicht zu nehmen.

Das Referat sei eingefahren, meinten die einen, andere sprachen davon, dass es sie regelrecht erschlagen habe. Für Christian Fricker, Gastgeber und Präsident des Planungsverbands Fricktal Regio, war es ein weiteres Zeichen, dass eine zunehmende Zahl drängender Probleme nicht länger von einer einzelnen Gemeinde, sondern nur im regionalen Verbund gelöst werden können.


«Ist ein Arzt mal weg auf dem Land...»

Warnungen und mögliche Auswege am Gemeindeseminar in Frick

Das Fricktal braucht dringend neue Hausärzte. Doch wie kann man Studierende motivieren, Hausarzt zu werden? Am Gemeindeseminar gaben konkrete Beispiele Anlass zu Hoffnung – allen widrigen Umständen zum Trotz, mit denen Landärzte zu kämpfen haben.

Simone Rufli

Um die Lücke in der Versorgung mit Hausärzten zu schliessen, müsste sich jeder zweite Studierende entscheiden, Hausarzt zu werden, sagte Roger Tschumi von der Hausärzte-Dachorganisation Argomed. Schwer vorstellbar unter den gegebenen Umständen, wie sie der Fricker Hausarzt Andreas Helg in seinem Vortrag eindringlich geschildert hatte. Dass es aber auch Wege und Modelle gibt, die Anlass zu Hoffnung geben, zeigten auswärtige Referenten am Gemeindeseminar. Daniel Hotz, Inhaber eines Unternehmens für Praxismanagement, und Andreas Rohner, pensionierter Hausarzt aus Ebnat-Kappel im Kanton St. Gallen, zeigten an konkreten Beispielen auf, wie eine Hausarztpraxis in Zukunft aussehen könnte. Vorgestellt wurden die Modelle Gruppen- und Genossenschaftspraxis. Hotz sprach sich für Gruppenpraxen und Ärztezentren mit einer Kerngruppe von lokalen Ärzten aus. «Es gibt viele leerstehende Gewerberäume, das bietet Verhandlungsspielraum. Als Gemeinde müssen sie sich gegenüber der Immobilienbranche einsetzen.»

Berufseinstieg ohne Verschuldung und finanzielles Risiko
Da nicht jeder Arzt geeignet oder willens sei, sich auf eine enge räumliche Zusammenarbeit mit Berufskollegen einzulassen, erachte er das Modell Genossenschaftspraxis als ideal, der Weg dazu allerdings sei in seinem Fall nicht einfach und lang gewesen, hielt Andreas Rohner fest. «Wenn die Strukturen der Zusammenarbeit aber einmal geschaffen sind und die Praxis modernisiert ist, ist es einfacher, junge Ärzte ins Team zu holen», betonte Rohner. Warum das so ist: «Die Genossenschaft stellt dem Arzt das Gebäude und die wichtigste Infrastruktur mietweise zur Verfügung. So verfügt jeder Arzt über Räumlichkeiten wie in einer Einzelpraxis. Neben der Miete für die Räume bezahlt der Arzt einen monatlichen Beitrag an den medizinischen Investitionsfonds. Damit leistet er seinen Anteil an eine moderne medizinische Infrastruktur», so Rohner. Das Genossenschaftsmodell ermögliche dem Senior-Hausarzt eine moderne Praxis bis zum Berufsausstieg und dem jungen Arzt einen Berufseinstieg ohne Verschuldung und ohne finanzielles Risiko.

Ein Weckruf
Ganz gleich ob Einzelpraxis, Gruppenpraxis oder Genossenschaftsmodell, Zusammenarbeit und Vernetzung seien wichtiger denn je. Diese Meinung vertrat auch Iren Bischofberger, Prorektorin der Kalaidos Fachhochschule für Gesundheit und Programmleiterin Work & Care am Forschungsinstitut Careum in Zürich. Und zwar unter den Hausärzten, mit den anderen Anbietern im Gesundheitswesen und mit den politischen Instanzen. Und Rohner fügte an: «Wenn Sie die richtigen Konditionen schaffen, dann gibt es zwar immer noch nicht mehr Hausärzte, aber diejenigen, die es gibt, kommen zu Ihnen.» Auch das war ein Weckruf, gerichtet an die Zuhörer im Saal.

Zuvor hatte Roger Tschumi bereits darauf hingewiesen, dass die Schilderungen des Fricker Hausarztes Helg keinen Einzelfall darstellten: «So wie Andreas Helg geht es vielen Hausärzten im Kanton.» Und als Warnung gab er mit auf den Weg: «Ist ein Arzt mal weg auf dem Land, wird man wohl keinen mehr ansiedeln können.»


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