«Wir haben es in einem guten Miteinander erreicht»

  27.11.2021 Mettauertal

2010 fusionierten die Gemeinden Etzgen, Hottwil, Mettau, Oberhofen und Wil zur Gemeinde Mettauertal. Im Gespräch mit der NFZ blickt der abtretende Gemeindepräsident Peter Weber auf das Zusammengehen und das erste Jahrzehnt der jungen Gemeinde zurück. Dabei attestiert er der Bevölkerung ein gutes Gespür für Entscheide, auch wenn diese mal nicht im Sinne des Gemeinderates gefällt wurden.

Bernadette Zaniolo

NFZ: An der Gemeindeversammlung wurden Sie mit Standing Ovations, der Verleihung des Ehrenbürgerrechts sowie einer eindrücklichen Würdigung durch Regierungsrat Markus Dieth nach 17 Jahren als Gemeindepräsident verabschiedet. Was bedeutet das für Sie?
Peter Weber:
Es bedeutet mir viel, weil ich dies nicht unbedingt erwartet habe; auch was diese 17 Jahre für mich als Mensch bedeuten. Sie waren sehr prägend und wurden an diesem Abend auch gewürdigt. Ich bin dankbar, dass meine Arbeit so viele Bürger und Weggefährten auch so gesehen haben, wie ich. Dahinter steht aber auch ein tolles Team. Wir haben es in einem guten Miteinander erreicht. Der Abend insgesamt, mit den Teilnehmern, ist eine Anerkennung, dass das, was ich gemacht habe, geschätzt wurde.

Was war für Sie das Schönste an diesem Abend?
Dass meine Familie und sogar alle Enkel da waren. Diesen Abend mit meinen Liebsten verbringen zu dürfen, war echt schön. Sie haben so gespürt, was mir das Ganze bedeutet und die Gemeinde in all den Jahren grösstenteils erste Priorität hatte.

Ihr Nachfolger, Christian Kramer, sagte, dass Ihnen der Abschied nicht leicht gefallen sei. Es sei für Sie, wie das Loslassen eines Kindes. Können Sie wirklich loslassen?
Ja, diesen Prozess habe ich schon länger eingeleitet. Seither gab es natürlich manchmal Gefühlsschwankungen, ob es wirklich richtig ist. Der Prozess begann schon vor zwei bis drei Jahren. Corona hat den Entscheid sicher erleichtert. Ich meine, nur wer loslässt hat die Hände wieder frei. Es war ein grosser Rucksack, den ich hatte. Es war kein schwieriges Kind, doch eines, das immer wieder beschäftigt hat.

Ein neues Verwaltungszentrum in Mettau, eine ausgebaute Schule in Wil, die Trottmatt erschlossen und mittlerweile bewohnt, die neue Bau- und Nutzungsplanung mit erheblichen Landreserven und einer grossen Arbeitszone in Etzgen sowie das Café Nova in Mettau und zum Schluss sogar eine Schulterklopfmaschine. Viele grosse und kleine Projekte sind entstanden durch Ihren Input und Ihr Vorantreiben. Was war für Sie persönlich der grösste Erfolg?
(Überlegt und schmunzelt). In der Tat sehr viel, aber eigentlich der Zusammenschluss selber. Der wichtigste Meilenstein war, dass Wil klar ja gesagt hat. Ohne Wil, wo es vor der Abstimmung sehr viele kritische Stimmen gab und von der Einwohnerzahl die grösste Gemeinde war, wäre der Zusammenschluss, nicht möglich gewesen. Stolz bin ich natürlich auch über den Entschuldungsbeitrag von 15 Millionen Franken. Dies hat uns enorm geholfen. Doch es hätte auch anders kommen können. Der Betrag war nicht in Stein gemeisselt. Ich bin froh, dass uns Markus Urech vom Gemeindeinspektorat so gut begleitet hat. Kein Nachteil war sicher, dass ich gut vernetzt bin. Und ich bin wahrscheinlich ein Macher. Es freut mich, dass die Gemeinde Mettauertal durch die erfolgreiche Fusion so bekannt wurde. Es ist uns nicht nur gelungen, Bauland einzuzonen, sondern auch, dass sich einige Auswärtige hier angesiedelt haben. Ich bin überzeugt, dass die Gemeinde bis in ein paar Jahren auf 2500 Einwohner anwachsen wird. Einige weitere Bauprojekte sind bereits angedacht.

Durch eine geschickte Planung und Umsetzung des Zusammenschlusses konnte ein beträchtlicher Entschuldungsbeitrag erzielt werden. Regierungsrat Markus Dieth nannte es ein Kunststück und andere Fusionsgemeinden beneiden Sie beziehungsweise die Gemeinde Mettauertal ein bisschen. Das Geld kann jedoch nicht alleine Anreiz für eine Fusion sein.
Ich möchte lieber nicht darüber nachdenken, was wäre, wenn die Fusion nicht zustande gekommen wäre. Der grosse Entschuldungsbeitrag war sicher hilfreich. Im Vorfeld des Zusammenschlusses hörte man immer wieder die Äusserung, das fünf arme noch keine reiche Gemeinde geben würde. Doch gemeinsam sind wir stärker. Zirka 300 000 Franken Einsparungen gegenüber der vorherigen Lösung in der Verwaltung bedeuten fünf Steuerprozente. Wir haben dank der Fusion eine sehr kompetente Verwaltung und haben an fünf Tagen pro Woche geöffnet. Wir sind durch die Grösse auch in Sachen Stellenbesetzung attraktiver geworden. Dass wir kompetente Leute auf der Verwaltung haben, ist auch deshalb enorm wichtig, weil die Regulierungsflut durch Bund und Kanton immer grösser wird. Hier den Überblick und Weitblick zu behalten, ist wichtig. Miteinander haben wir mehr Möglichkeiten. Auch eine gute Besoldung der Gemeinderäte wirkt sich positiv aus.

Viele Projekte konnten unter Ihrer Regie erfolgreich umgesetzt werden. Die beabsichtigte Schliessung des Schulstandortes in Etzgen mündete jedoch in einer hitzigen Debatte und am Schluss mit einem Nein an der Referendumsabstimmung. Wie wichtig ist es, die Befindlichkeiten der einzelnen Ortsteile zu erkennen, und was haben Sie und der Gemeinderat aus dem «Fall» Etzgen gelernt?
Wir haben nicht gut kommuniziert, zu schnell und zu wenig gut erklärt. Das Thema Schule ist emotional.

Dennoch, wir haben bewiesen, dass es gut möglich ist, auch für Kindergärtler mit dem ÖV in einen anderen Ortsteil zu gelangen. Die Frage betreffend Schulstandort wird früher oder später wieder auf der Traktandenliste stehen. Bei der Ressourcierung werden wir als ein Schulstandort angeschaut und dies ist somit kein Nachteil. Ich bin überzeugt, die Integration der Ortsteile ist gut gelaufen.

Sie sind ein guter Zuhörer, aber auch als vehementer Verfechter Ihrer Sicht bekannt. Wie kam das bei Ihren Ratskollegen an und wie lernt man, sich auch etwas zurückzunehmen?
Gute Entscheidungen zu treffen, hat sehr viel mit Wissen zu tun. Als ich merkte, dass ich der Ratsälteste bin, habe ich mich immer mehr zurückgenommen. Die anderen sollten sich zuerst eine Meinung bilden. Dank meiner guten Vernetzung im Kanton, so etwa in der Gemeindeammänner-Vereinigung, konnte ich jedoch mein Wissen einbringen. Ich hatte nie den Anspruch, meine Meinung durchzubringen. Je stärker die eigene Position und das Wissen ist, desto mehr ist es wichtig, sich zurückzunehmen.

Welches waren für Sie die grössten Meilensteine in den letzten zwei Jahrzehnten?
Klar der Zusammenschluss und dass wir die Bau- und Nutzungsordnung durchbringen konnten, bevor das neue Raumplanungsgesetz in Kraft trat. Auch die Realisierung des schönen Verwaltungsgebäudes. Ganz besonders freut mich auch, dass Verwaltungsleiter Florian Wunderlin und Finanzverwalterin Priska Meyer über so viele Jahre mir und der Gemeinde gegenüber treu geblieben sind. Das ist bei der grossen fachlichen Kompetenz der beiden und den damit verbundenen beruflichen Perspektiven nicht selbstverständlich. Auch im Gemeinderat haben wir über all die Jahre gut zusammengearbeitet, was nicht in der Zeitung steht. Auch habe ich ausser der einen Gemeindeversammlung nie eine gehässige Versammlung erlebt. Wir schlagen einen Weg, ein Geschäft vor. Wenn die Stimmberechtigten dies anders sehen und anders entscheiden, ist das direkte Demokratie. Es ist keine Niederlage. Die Bevölkerung hat ein gutes Gespür. Man kann ihr vertrauen.

Was wünschen Sie der Gemeinde Mettauertal und ihrer Bevölkerung?
Einen guten Umgang miteinander. Einander zu verstehen. Andere Sichtweisen zu akzeptieren. Dass der Wachstumsweg weiter geht, damit die Gemeinde mit einem vernünftigen Steuerfuss die Aufgaben erledigen kann.

Ihre Frau Heidi und die Familie kamen in den letzten Jahren oft zu kurz. Welche beruflichen und privaten Pläne haben Sie für die Zukunft?
Ich hoffe, noch ein paar Beratungsprojekte in Gemeinden machen zu können. Und sportlich wieder mehr zu machen. An erster Stelle steht die Gesundheit. Ich möchte vital bleiben bis ans Lebensende. Mein Vorbild ist der Künstler Hans Erni, der im Alter von 106 Jahren starb und bis dahin praktisch jeden Tag in seinem Atelier wirkte. Ich brauche keine 12-Stunden-Arbeitstage mehr, aber ich will auch nicht rosten. Ich will offen und bereit sein für Neues, noch etwas dazulernen. Auch meine Frau bildet sich immer wieder weiter. Wir sind um eine gute Work-Life-Balance bemüht. Wir wollen nicht die Welt bereisen, aber wir gönnen uns jährlich zwischen sechs und acht Wochen Ferien, vor allem in Spanien. Die Wärme tut uns gut. Mit Arbeiten aufzuhören, ist jedoch definitiv nicht meine Welt. Im Bereich Finanzen kenne ich mich sehr gut aus; die strategische Beurteilung liegt mir sehr.


Ein Politiker, wie er im Lehrbuch steht

Ende Jahr hört Peter Weber nach 17,5 Jahren als Gemeindepräsident – zuerst von Wil und seit 2010 von Mettauertal – auf. Regierungsrat Markus Dieth würdigte Weber als «Politiker, wie er im Lehrbuch steht» (die NFZ berichtete). Peter Weber hat den Zusammenschluss der fünf Ortsteile Etzgen, Hottwil, Mettau, Oberhofen und Wil zur Gemeinde Mettauertal (im 2010) massgeblich mitgeprägt, ebenso das erste Jahrzehnt der jungen Gemeinde. Dafür erhielten er und seine Frau Heidi das Ehrenbürgerrecht.

Heidi und Peter Weber haben einen Sohn und zwei Töchter sowie sieben Enkelkinder. Peter Weber wird im nächsten Monat 63 Jahre alt. Er hat als Erstausbildung Automechaniker gelernt und dann eine Marketing-Ausbildung absolviert. Zehn Jahre war er als Exportleiter tätig, bevor er sich 2002 mit seiner Beratungsfirma PW Consulting selbständig gemacht hat. (bz)

 

 


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