Und dann einfach loslassen…

  08.09.2021 Frick, Kommende Events

Eine Annäherung ans meditative Bogenschiessen

«Allzu straff gespannt, zerspringt der Bogen», spricht Rudenz in Friedrich Schillers Wilhelm Tell. Diese Warnung im Hinterkopf, betrat ich am Samstagmorgen den Pfarrhaus-Garten bei der reformierten Kirche in Frick. Bereit für eine neue Erfahrung: das meditative Bogenschiessen.

Simone Rufli

Ein Dutzend Bogen liegen im Kreis – «sonnenförmig angeordnet», sagt Christian Vogt und wirft den Ball. «Wer ihn fängt, stellt sich vor und sagt, was er von diesem Einführungskurs ins meditative Bogenschiessen erwartet», fährt der reformierte Fricker Pfarrer fort. Der Ball geht um. Man lernt sich kennen. Dazwischen spricht Vogt weiter: «Der Bogen ist keine Waffe. Er ist ein Sportgerät und funktioniert nur im Zusammenspiel mit mir selber. Ich kann seine Energie nicht für jemand anders speichern.» Die Meisten sind zum ersten Mal da, ein paar Wenige bringen bereits Erfahrung mit.

Die Rede ist von Achtsamkeit und bewusster Wahrnehmung. Der Pfarrer sagt: «Der Ball soll jetzt in der umgekehrten Reihenfolge den Weg zurücklegen.» Von wem habe ich den Ball bekommen? Ich weiss es schon nicht mehr. So viel zu meiner Achtsamkeit und dabei habe ich noch nicht mal einen Bogen in der Hand.

Stopp heisst Stopp!
Es mag seltsam klingen, die Aussicht auf Entspannung am Samstag hat bei mir bereits am Freitag zu erhöhter Anspannung geführt. Der Kopf befasste sich schon mit dem Bogenschiessen, Stunden bevor uns Pfarrer Christian Vogt im Kirchgemeindehaus Bogen, Schutzhandschuh und Armschutz aushändigte und die Sicherheitsbestimmungen einbläute. «Stopp heisst Stopp, ist das klar?» Und solange er dozierend vor der Abschusslinie stehe, greife niemand zum Pfeil. Und was mache ich dann später? Passiert ist nichts. Der Pfarrer hat rechtzeitig Stopp gerufen. Stopp rufen muss er noch ein paar Mal an diesem Morgen, so dass er uns alle bittet, an die Folgen zu denken: «Wollt ihr wirklich schon wieder eine Pfarrwahlkommission mit der Suche nach einem neuen Pfarrer beauftragen?» Die Sicherheit war aber offenbar schon lange vor unserer Zeit ein Thema: «Denn siehe, die Gottlosen spannen den Bogen und legen ihre Pfeile auf die Sehnen, damit heimlich zu schiessen die Frommen.» (Zitat aus der Lutherbibel, Psalm 11,2). Zeiten waren das.

Sherwood Forest, Altdorf – Frick
Dann standen wir also da wie einst Robin Hood im Sherwood Forest und Wilhelm Tell in Altdorf. Während Hood auf der Jagd nach Gerechtigkeit Güter umverteilte und Tell mit dem Schuss auf den Apfel das Joch der Unterdrückung abwarf, suchten wir ganz unspektakulär nach innerer Ruhe. Den Bogen spannen, um zu entspannen. Mir war das bisher nicht bekannt. Doch jetzt will ich es wissen. Wissen, wie sich das anfühlt, wenn man einen Bogen spannt, ohne ihn zu überspannen. Wie es gelingt, ohne zu fokussieren, dennoch achtsam zu zielen – und was einem so durch den Kopf geht, während man seitwärts zum Ziel stehend, den Pfeil aufnimmt, ihn im Bogen auflegt, mit der Sehne spannt, einen Moment festhält und dann, wenn man den Ankerpunkt gefunden hat und in sich ruht, einfach loslässt.

Einfach loslassen. Das sagt sich so einfach, ist es aber gar nicht. Anderen geht es auch so. Wir haben die Tendenz festzuhalten, zu führen, zu machen. So verlangt es unser Alltag. Der Pfeil hingegen will nichts weiter, als dass wir ihn loslassen. Während der Kopf noch viel zu fest mit den einzelnen Schritten beschäftigt ist, fühlt sich der Körper von Schuss zu Schuss besser an. Der Wechsel zwischen Spannung und Entspannung, er ist tatsächlich spürbar.

Plötzlich ist es Zeit aufzuräumen. Seltsam, der Kirchturm mit der Uhr stand die ganze Zeit vor der Nase. Noch seltsamer, die Glocken haben an diesem Morgen wie immer geläutet, also laut – wahrgenommen habe ich das Geläut aber nicht. Bis zur Meditation, sagt uns Christian Vogt, ist es noch ein weiter Weg. Die ersten Schritte auf dem Weg zur Entspannung haben wir aber gemacht.

Das nächste meditative Bogenschiessen findet am 2. Oktober 2021 von 9 bis 11.30 Uhr statt. Bei der reformierten Kirche in Frick. Anmeldung bei Pfarrer Christian Vogt, Tel. 062 871 12 73, christian.vogt@ref-frick.ch


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