Immer mehr Restriktionen und Probleme
21.05.2021 LaufenburgJugend- und Familienberatung mit steigenden Fallzahlen
Die Zahl der Fälle, in denen die Jugend- und Familienberatung (JFB) in Laufenburg zur Konfliktbewältigung beigezogen wird, nimmt kontinuierlich zu und immer mehr Personen wenden sich bei Alltagsproblemen an die JFB. Mit Corona habe das nur am Rande zu tun, erklärt Stellenleiterin Sandra Wey.
Simone Rufli
«Konflikte zwischen Jugendlichen und Eltern nehmen tendenziell zu. Das ist so. Und zwar unabhängig von der Pandemie», stellt Sandra Wey, Stellenleiterin der JFB im Hinteren Wasen in Laufenburg fest. So sei die Fallzahl von 485 im Jahr 2017 auf insgesamt 762 im vergangenen Jahr angestiegen.
Die Vermutung, dass ein Zusammenhang bestehe zwischen der Zunahme von Fällen und den beengten Verhältnissen in Zeiten von Corona liege nahe, trotzdem ist Wey vorsichtig mit vorschnellen Schlüssen. Nicht anders, wenn es um Fälle von Gewaltanwendung geht. «Wir sind auch ohne Pandemie regelmässig mit Fällen von häuslicher Gewalt konfrontiert. Was sich im Zusammenhang mit Corona hingegen eindeutig sagen lässt, ist, dass die weggefallenen Vereins- und Freizeittätigkeiten zu einer Verschärfung der Situation beigetragen haben.»
Generell lasse sich sagen, dort wo es gut laufe, weil die Ressourcen zur Problembewältigung vorhanden seien, habe Corona zu keiner Verschlechterung beigetragen. «Wo hingegen bereits Konf liktpunkte vorhanden waren, traten sie jetzt noch ausgeprägter zutage.»
Ob pandemiebedingt oder zufällig sei nicht restlos klar, «aber vor Weihnachten stieg der Bedarf an notfallmässigen, stationären Unterbringungsmöglichkeiten stark an», so Wey. «Wir hatten Mühe, die Jugendlichen platzieren zu können. Denn es gab nicht nur im Aargau, sondern auch in anderen Kantonen keine freien Plätze mehr, so dass wir zum Teil auf bekannte Personen im Umfeld der Familien zurückgreifen mussten.» Hilfreich sei in solchen Situationen der gute Kontakt zu Tages- und Pf legeeltern in der Region.
«Mangel an Perspektive»
Ganz allgemein habe sich die Situation mit der zweiten Corona-Welle verschärft. «Dies, nachdem der Lockdown im März 2020 eine Entschleunigung mit sich gebracht hatte und in vielen Familien manches sogar besser als zuvor gelaufen war. Viele Eltern waren damals daheim und hatten mehr Zeit. Man lebte für ein paar Wochen ein bisschen gelassener.» Als sich dann aber die Hoffnung zerschlug, dass Corona in wenigen Wochen erledigt sein würde, hätten sich bestehende Reibungsflächen noch vergrössert. «Es ist der Mangel an Perspektive, der für viele inzwischen schwer zu ertragen ist.» Wichtig sei, dass die Schulen wieder Normalität und soziale Kontakte böten. Wie wichtig Kontakt sei, sähen sie auch im Team der JFB. «Wir haben das anfängliche Team-Splitting wieder aufgehoben.»
Die Ursachen für die steigenden Fallzahlen liegen gemäss Wey in unserer Gesellschaft. «Das Leben wird immer komplexer. Wir haben eine Vielzahl von verschiedenen Rollen zu bewältigen, entsprechend unterschiedlich sind die Erwartungen an uns. Erwartungen von der Familie, von Arbeitgebern oder Arbeitnehmern. Gleichzeitig gibt es immer mehr Restriktionen und Problemlagen. Zum Beispiel sind plötzlich IV-Gutsprachen nicht mehr gegeben und eine Person rutscht von der Invalidenversicherung in die Sozialhilfe. Kommen dann weitere Krisenund Belastungssituationen dazu, kann dies schnell zu einer hohen psychischen Belastung führen.» Dann zeige sich, wie wichtig ein niederschwelliges Beratungs-Angebot wie die JFB sei. Manchmal gehe es auch nur darum, den Leuten eine Bestätigung zu geben, dass sie sich aus eigener Kraft helfen könnten.