Frühlings-Mode zum Nacharbeiten
24.02.2022 FrickEin Blick in die Moden-Zeitung von 1910
Wenn die Tage wieder länger werden und der Frühling ganz langsam erwacht, keimt auch die Vorfreude auf die Frühjahrs-Mode. Werfen wir doch einen Blick auf die neusten Mode-Trends – auf jene aus dem Jahr 1910.
Simone Rufli
«Das Kleid zeichnet sich durch hochmoderne Machart aus, es lässt sich in jeder Farbe, sowohl in Seide wie in weichem Wollstoff nacharbeiten.» So steht es geschrieben in der «Schweizerische Moden-Zeitung» vom 18. April 1910. Es folgt eine minutiöse Auflistung der zur Nacharbeit benötigten Stoffmenge, Bänder, Spitzen und Bordüren. Wochenlange Heimarbeit anstatt Online-Bestellung per Mausklick und Heimlieferung innert 48 Stunden.
Vorsichtig nimmt Franz Binkert ein weiteres Zeitungs-Exemplar in die Hand und breitet es auf dem Küchentisch aus. Das Papier ist vergilbt, die Seiten sind brüchig und teilweise eingerissen, die Schrift veraltet. Als Franz Binkert 1932 in Laufenburg zur Welt kam, war die Zeitung, die er an diesem Morgen in der Wohnung in Frick vor sich liegen hat, bereits 22 Jahre alt. Der vielbeschäftigte 89-Jährige – er ist in Stein aufgewachsen, war später in Laufenburg daheim und dort schon Ladenbesitzer, bevor er 1983 nach Frick übersiedelte und an der Hauptstrasse sein Geschäft eröffnete – hat sich bei der NFZ gemeldet, weil er dachte, diese papierenen Zeitzeugen aus dem frühen 20. Jahrhundert könnten auch andere Leute erfreuen. Bei den einen könnte so ein Zeitungsartikel Erinnerungen an vergangene Zeiten wecken, in vielen anderen, vorab jüngeren, eine Ahnung entstehen lassen, wie das Leben auch einmal war.
Ein Ereignis
Die «Schweizerische Moden-Zeitung» erschien vierteljährlich. Jede Nummer, herausgegeben von einem Verlag (D. Knape) im Zürcher Seefeld, erschien mit Schnitt- und Stickmusterbeilage. «Zu beziehen durch die Spedition, im Buchhandel und in den Postanstalten». Der Abonnementspreis für drei Monate betrug 1.60, jener für 12 Monate 5.50 Franken. Während wir heute alle paar Tage über die verschiedensten Kanäle die neusten Modetrends angepriesen bekommen, war damals jede der vier Ausgaben ein Ereignis.
Ob es um den Strandanzug aus hellgelbem, «starkrippigem» Baumwollstoff mit schönem Seidenglanze und sechs Zentimeter breiter gelber Spitze geht, um einen eleganten Promenadenanzug, um ein Strandkleid für kleine Mädchen bestehend aus einem «kurzen fadengeraden Faltenröckchen und einer herzförmigen Bluse mit grossem Matrosenkragen», um einen Frühjahrshut in Turbanform oder um schlichte Tag- und Nachthemden für vier- bis sechsjährige Knaben, die Kleidung ist so detailliert beschrieben, wie die dazugehörigen Zeichnungen angefertigt sind.
Die «Schweizerische Moden-Zeitung» beschränkte sich übrigens nicht nur auf Kleidung. Unter vielen anderen Utensilien der damaligen Zeit finden sich in den Zeitungen auch Anleitungen zur Anfertigung von Glättbrettbezügen, Wäschesäcken, Klammerschürzen und – man lese mit Staunen – Schachteln zur Aufbewahrung von Wäscheleinen.