«In der ersten Klasse hiess es, ich sei faul»
13.03.2022 Gipf-Oberfrick, SchuleDer 19-jährige Gipf-Oberfricker Dominik Skorupinski arbeitet seit der zweiten Klasse täglich an der Überwindung seiner Schwäche. Mit Erfolg. Der Maturand spricht über seine Erfahrungen und rät Betroffenen zu Disziplin, Mut und Durchhaltewille.
Simone Rufli
Obwohl viele Kinder davon betroffen sind, wissen Betroffene, Eltern und Lehrpersonen oft wenig über die Lese- und Rechtschreibschwäche (LRS/ Dyslexie). Das wollen Logopädinnen und Logopäden nun ändern (vgl. separaten Text).
Entdeckt worden sei LRS bei ihm beim Übergang von der ersten in die zweite Klasse der Primarschule, erzählt Dominik Skorupinski. «Nicht in der Schule», sondern als er mit seiner Mutter in einer Mutter-Kind-Kur weilte. «Ich habe für die Zeit des Kuraufenthalts von der Schule Lernstoff mitbekommen und so wurden die Leute dort auf mein Defizit aufmerksam», erinnert sich der 19-Jährige. Es seien die typischen Verwechslungen gewesen, die aufgefallen seien. Verwechslungen bei den Konsonanten b, d g, aber auch immer wieder die falsche Reihenfolge bei den Zahlen, 17 anstatt 71 zum Beispiel.
Noch beim Übertritt vom Kindergarten in die erste Klasse seien diese Probleme nicht aufgefallen. «Ich schnitt bei den Tests in gewissen Bereichen überdurchschnittlich ab und hinkte in anderen Bereichen hinterher. In der ersten Klasse hiess es dann aber schnell einmal, ich sei faul.» Heute kann er über diesen Stempel, der ihm damals aufgedrückt wurde, schmunzeln. Im Sommer schliesst er die Schule mit der Matura ab.
Vor allem lesen
Nachdem seine Schwierigkeiten während des Kuraufenthalts erkannt worden waren, sei von seinen Eltern gehandelt worden. Dominik kam zu einer Lerntherapeutin und schon bald sah er sich mit einer Reihe zusätzlicher Hausaufgaben konfrontiert. Unterstützt von den Eltern, habe er angefangen zu üben. Vor allem lesen musste er. «Ich musste laut lesen, jede Silbe betonen, keine Endung verschlucken und ich musste viel lesen und später dann auch viele Texte schreiben.»
Während andere Kinder nach den Hausaufgaben gleich draussen spielen konnten, übte Dominik noch eine Weile. Der junge Mann lächelt: «Dabei hatte ich in der Primarschule noch eine Abneigung gegen das Lesen.» Die Abneigung habe er überwinden können als er Jugend-Romane für sich entdeckte.
Zehn Prozent mehr Zeit
Alle drei Monate wurden seine Fortschritte von der Lerntherapeutin überprüft. Die Schule kam ihm nur in einem Punkt entgegen. «Im Rahmen des Nachteilsausgleiches wurde mir bei Prüfungen zehn Prozent mehr Zeit zugestanden. Das allerdings bringt bei Rechtschreibfehlern nicht viel.»
Wesentlich schneller als bei der Sprache konnte er das Problem mit den Verwechslungen der Zahlen beheben. «Ich hatte immer Spass am Rechnen und habe früh gemerkt, dass ich die Aufgaben verstehe und im Prinzip gut rechnen kann. Dieses Wissen hat mir bei meinen Anstrengungen geholfen, die Zahlen in der richtigen Reihenfolge zu schreiben.»
Hürden überwunden
Dass er heute vor den Abschlussprüfungen nicht nervöser ist als jeder andere Maturand, schreibt er seiner Disziplin zu sowie den über die Jahre errungenen Erfolgen und überwundenen Hürden. Wenn er erzählt, wird deutlich, dass ihm auf diesem Weg nichts geschenkt wurde und dass auch von den Eltern und den Betroffenen viel Eigenverantwortung gefordert wird. «Ich musste lernen, konsequent zu üben. Ich brauchte Mut und musste mich immer aufs Neue überwinden – und vor allem durchhalten. Rückblickend kann ich sagen, es hat sich gelohnt. Man kann auch mit LRS alles schaffen, was man will, davon bin ich überzeugt, denn jeder Mensch hat beides: Schwächen und Stärken.»
In der Buchhandlung LETRA in Frick steht im ganzen Monat März ein Büchertisch mit Literatur für LRS-Kinder und -Jugendliche bereit. Zu finden sind auch Ratgeber für Eltern und Lehrpersonen.
Weitere Links mit Informationen zur LRS bei Jugendlichen unter: www.verband-dyslexie.ch">https://www.verband-dyslexie.ch https://einfachebuecher.de www.dabux.ch/buecher">https://www.dabux.ch/buecher
Tag der Logopädie
Der diesjährige europäische Tag der Logopädie am 6. März widmete sich einem Thema, das rund 3 –7% der Kinder und Jugendlichen betrifft. Die Lese-Rechtschreibstörung (LRS), auch bekannt unter den Bezeichnungen «Dyslexie» oder «Legasthenie», ist eine der häufigsten Entwicklungsstörungen im Kindes- und Jugendalter. Zielgruppe sind diesmal Jugendliche der Sek I- und Sek II-Stufe, also 12- bis 20-Jährige. Mit der Berufswahl und der Ausbildung zeigen sich die Probleme rund um Lesekompetenz und Rechtschreibung häufig nochmals verstärkt oder sie werden erstmals erkannt. In diesem Alter sind viele Schülerinnen und Schüler eher motiviert, die Beeinträchtigung anzugehen und sich damit den Berufsweg zu erleichtern. (mgt)
Logopädie Bezirk Laufenburg
Die Logopädinnen und Lehrpersonen im Bezirk Laufenburg erfassen in der zweiten Primarklasse mit einem Screening die Schülerinnen und Schüler mit Verdacht auf LRS. Die meisten betroffenen Kinder besuchen während ihrer Primarschulzeit eine logopädische Therapie. 32% der Kinder, die wir behandeln, kommen zu uns aufgrund einer LRS. Doch nur ein kleiner Prozentsatz davon ist in der Oberstufe, die meisten Therapien sind bis dann abgeschlossen. Doch es gibt immer wieder Jugendliche, die ihre Lese-Rechtschreibprobleme bis zur Oberstufe kompensieren konnten und danach Probleme mit Lesen und Schreiben entwickeln. Zudem begleiten wir Kinder mit schweren LRS auch während der Oberstufe. Informationen zur Abklärung und Beratung finden Sie auf unserer Homepage
www.gv-laufenburg.ch/">https://www.gv-laufenburg.ch/ logopaedie